Simon: Am Telefon in Hannover begrüße ich nun Margot Kässmann. Sie ist Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Hannover. Guten Morgen!
Kässmann: Guten Morgen.
Simon: Frau Kässmann, es riecht nach einer Militäraktion gegen islamische Terroristen, und Deutschland hat wie viele andere Länder seine Solidarität mit den USA erklärt. Was bedeutet es in dieser Situation, wenn Bundeskanzler Schröder für heute die Vertreter der Kirchen, der jüdischen und islamischen Gemeinden zu sich geladen hat?
Kässmann: Erst einmal freue ich mich darüber. Es ist eine wichtige Geste, für Muslime, Christen und Juden in Deutschland deutlich zu machen, wie ja auch der amerikanische Präsident gesagt hat, es ist nicht eine Religion, die hier angegriffen hat oder angreift. Mir ist es ungeheuer wichtig, zwischen den Inhalten zu entscheiden. Einerseits gibt es offensichtlich fundamentalistische Terroristen, aber das darf man nicht dem Islam insgesamt in die Schuhe schieben, und ebenso ist es jetzt nicht das Christentum, das dagegen aufsteht. Deshalb bin ich auch dankbar, dass Präsident Bush jetzt nicht noch einmal diese Rhetorik vom Kreuzzug benutzt hat. Das wäre ein Rückfall ins 11., 12. Jahrhundert. Wir bemühen uns ja gerade, dass die Religion nicht zum Faktor der Konfliktverschärfung wird, sondern eher zur Entschärfung beiträgt.
Simon: Kann denn das Treffen heute beim Bundeskanzler mehr sein als nur eine Geste?
Kässmann: Das kann ich nicht genau sagen. Es ist aber eine wichtige - das will ich doch deutlich machen -, weil der Bundeskanzler ja auch von den Sorgen hören wird, die einerseits viele in den Religionsgemeinschaften haben, der großen Angst vor Krieg. Das spüren wir hier in den Kirchen bei den Gebetsgottesdiensten sehr deutlich. Andererseits können ihm gegenüber die Religionsgemeinschaften auch noch einmal verdeutlichen, dass sie im Moment vieles tun, um Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, um zu zeigen, wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen und wollen die Friedenskräfte in der Religion stärken.
Simon: Sie sprechen die Angst an, die Sie ganz konkret in den Gemeinden spüren. Sie erinnern sich aber auch noch an das Mitgefühl, was man vor wenigen Tagen mit den Amerikanern hatte, mit den Opfern dort und den Angehörigen. Wie würden Sie das beurteilen? Ist die Bevölkerung hierzulande gespalten? Wie weit unterstützt man eine Solidarität mit den USA aus Ihrer Erfahrung, wenn sie militärisches Vorgehen einschließt?
Kässmann: Ich glaube nicht, dass sie gespalten ist. Ich will ganz deutlich sagen, das Mitgefühl mit den Opfern hält an. Das ist ganz deutlich. Ein solcher Terrorakt kann nur verurteilt werden. Das ist durch nichts, aber überhaupt nichts zu rechtfertigen. Es sind immerhin auch 100 Deutsche ums Leben gekommen unter den mehr als 6000, wie es jetzt ja heißt. Da muss man sich vorstellen, das sind so viele wie beim Concorde-Absturz letztes Jahr. Noch nie sind durch Terroranschläge so viele Deutsche umgekommen, aber ganz abgesehen davon auch Amerikaner. Das Mitgefühl dauert also an und auch das Grauen über diese Bilder, dass zivile Flugzeuge auf Menschen sozusagen geschossen werden. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Es ist aber kein Antiamerikanismus - das will ich doch deutlich sagen -, wenn es Angst vor Krieg gibt. Da sind ältere Menschen, die sich nur zu gut an Krieg und an Feldzüge erinnern, Männer wie Frauen. Bei den ganz jungen habe ich den Eindruck, die auch viel kommen, dass für sie die Vorstellung da war, wir hatten Gott sei Dank mehr als 50 Jahre keinen Krieg mehr und wir dachten eigentlich, es kommt keiner in unserer Generation. Somit kommen dort ganz tiefe Ängste hoch, dass ihr Leben umgewälzt wird. Und wenn Herr Bush jetzt auch sagt, dass jede nötige Waffe des Krieges eingesetzt wird, dann kommt natürlich auch Angst vor Kernwaffen und anderem hoch.
Simon: Nun stellt sich die Frage, was denn eine angemessene Form ist. Ich meine Gottesdienste in allen Ehren, auch Lichterketten, aber ist das die Antwort, die man gibt auf einen solchen Anschlag, auf mehrere solcher Anschläge?
Kässmann: Ich weiß ganz genau, dass Gottesdienste sozusagen die Terroristen nicht aus ihren Nestern treiben. Aber trotzdem muss ich sagen beharre ich weiterhin darauf, dass auch das Gebet eine Kraft hat und Gott mit den Opfern vor allen Dingen ist. Ich habe keine Lösung, ich bin keine Terrorismusexpertin. Ich höre jetzt aber von Terrorismusexperten, dass viele von Rasterfahndung, Stärkung der inneren Sicherheit, Kontrollen und Überprüfungen von Menschen mit bestimmten Biographien und anderem mehr sprechen. Es gibt verschiedene Mittel zu versuchen, diese Terroristen zu finden, auch diesen Auslieferungsantrag für Bin Laden, obwohl man noch gar nicht weiß, ob er sich im Moment überhaupt in Afghanistan befindet, aber es gibt große Zweifel daran, ob ein massiver Militäreinsatz in einem so schwierigen Gelände wie Afghanistan irgend Jemanden finden kann. Hinzu kommt noch die Angst vor einem Partisanenkrieg. Das hat Amerika ja schon einmal erlebt, dass es ganz schwierig ist, mit einer großen, massiven Armee solche Einzelkämpfer zu finden, die zu Selbstmordattentaten bereit sind. Das ist die eigentliche Tragik und meine Frage ist, wenn jetzt für Gerechtigkeit eingesetzt wird oder auch Bush sagt, Gerechtigkeit wird siegen, was können wir eigentlich für die weltweite Gerechtigkeit tun, dass so ein Hass nicht entsteht, wie er ganz offensichtlich vorhanden ist. Jubel gab es ja wohl nicht nur in Palästina, sondern durchaus auch an anderen Stellen, wo richtig massive antiamerikanische Gefühle da sind, weil man sich vernachlässigt fühlt, das Gefühl hat, Globalisierung dient nur einigen reichen Nationen und die anderen werden immer ärmer. Da liegt ja offensichtlich auch ein Grund für diesen Hass auf Amerika.
Simon: Das sind natürlich Sachen, die muss man langfristig anpacken. Da kann man nicht einfach nur schnell zusagen. Aber es gibt wohl einen Druck, manche Menschen empfinden diesen Druck wohl, dass man schnell militärisch reagieren muss. Gestern sagte der katholische Bischof und Kardinal Friedrich Wetter, er hielte eine militärische Reaktion durchaus für gerechtfertigt, wenn dadurch Menschen vor Anschlägen geschützt werden könnten. Ist das denn eine Definition, mit der Sie leben können?
Kässmann: Da ich bezweifle, dass durch eine militärische Aktion Menschen vor solchen Terroranschlägen geschützt werden können, kann ich das mit dem gerechtfertigt nicht so schnell in den Mund nehmen. Das muss ich ganz deutlich sagen. Außerdem glaube ich es ist nicht Sache der Kirche oder der Religion, Krieg zu rechtfertigen. Da bin ich tatsächlich anderer Meinung. Ich denke die Kirchen haben die Aufgabe, zum Frieden zu rufen, wobei ich ganz deutlich sagen muss, ich bin dafür, dass entschlossen versucht wird, diese Terroristen zu finden und sie dann vor ein internationales Tribunal zu stellen. Das haben wir ja nun in Den Haag.
Simon: Aber eine Rechtfertigung, wenn ich Sie richtig verstehe, für einen Militärschlag gibt es für Sie nicht?
Kässmann: Die kann ich so nicht geben, nein!
Simon: Was halten Sie denn auch in dem Zusammenhang, was Sie vorher ansprachen, den lang und tief sitzenden Gräuel, von dieser These, die jetzt oft wieder in den Raum gestellt wird, der Krieg der Kulturen, Islam gegen Christentum? Das ist ja sehr plakativ.
Kässmann: Davon halte ich gar nichts. Das sind Feindbilder, die zwischen den Kulturen aufgebaut werden. Ich glaube tatsächlich, es gibt eine zu große Fremdheit zwischen der islamischen und der christlichen Kultur. Wir lernen uns zu wenig kennen und dadurch ist es sehr leicht, Feindbilder aufzubauen. Es gibt bei uns ja durchaus Vorbehalte, wenn wir diese Kämpfer sehen, diese Versuche, Gottesstaaten aufzubauen, die radikale Unterdrückung der Frauen beispielsweise, die in einigen Staaten zu sehen ist. Es gibt bei vielen Christen durchaus Angst, weil im im Sudan oder in Pakistan die Christen ja durchaus unterdrückt werden. Gleichzeitig gibt es eine Angst der arabisch-islamischen Kultur vor der westlichen, weil sie den Eindruck haben, die überfremdet sie. Daran denke ich müssen wir noch viel tun, uns näher kennen zu lernen, näher zu kommen, um solche Feindbilder nicht hoch kommen zu lassen. Aber es gibt keinen Kulturkampf zwischen Christentum und Islam. Wir haben in den letzten Jahren doch viel gelernt, dass wir als Grundlage beider Religionen die Friedensbotschaft kennen.
Simon: Ist denn nicht die Gefahr vorhanden - Sie sprachen die innere Sicherheit an -, dass im Zuge der Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit die in Deutschland lebenden Muslime und Christen weiter auseinanderrücken statt näher aneinander?
Kässmann: Das sehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich erlebe jetzt in unseren Gemeinden sehr viele Einladungen an Muslime, Einladungen in Moscheen, öffentliche gemeinsame Malzeiten, um deutlich zu machen, wir lassen uns hier nicht gegeneinander ausspielen, wir leben in einem Land mit Religionsfreiheit, in einem demokratischen Staat, für den wir wirklich dankbar sind, dass es diese Religionsfreiheit gibt. Allerdings darf Religion eben nicht benutzt werden, um hier Gewalt zu legitimieren. Deshalb finde ich es beispielsweise richtig, dass dieses Religionsprivileg aufgehoben wird. Es darf nicht unter dem Mantel der Religion Gewaltvorbereitung oder Gewaltbereitschaft versteckt werden. Das muss ganz eindeutig sein.
Simon: Treten Sie für einen staatlich kontrollierten islamischen Religionsunterricht hier in Deutschland ein?
Kässmann: Eindeutig! Ich finde es wesentlich besser, wenn an staatlichen Schulen islamischer Religionsunterricht stattfindet, in deutscher Sprache durch ausgebildete Pädagogen und mit einem Curriculum, weil das muss doch mit Sorge auch gesagt werden: was in allen Koranschulen passiert wissen wir nicht genug. Ich fände es wesentlich besser, wenn das an den staatlichen Schulen in öffentlichem Religionsunterricht auf Deutsch stattfinden würde.
Simon: Das war Margot Kässmann, die Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Hannover. - Vielen Dank für das Gespräch!
Kässmann: Guten Morgen.
Simon: Frau Kässmann, es riecht nach einer Militäraktion gegen islamische Terroristen, und Deutschland hat wie viele andere Länder seine Solidarität mit den USA erklärt. Was bedeutet es in dieser Situation, wenn Bundeskanzler Schröder für heute die Vertreter der Kirchen, der jüdischen und islamischen Gemeinden zu sich geladen hat?
Kässmann: Erst einmal freue ich mich darüber. Es ist eine wichtige Geste, für Muslime, Christen und Juden in Deutschland deutlich zu machen, wie ja auch der amerikanische Präsident gesagt hat, es ist nicht eine Religion, die hier angegriffen hat oder angreift. Mir ist es ungeheuer wichtig, zwischen den Inhalten zu entscheiden. Einerseits gibt es offensichtlich fundamentalistische Terroristen, aber das darf man nicht dem Islam insgesamt in die Schuhe schieben, und ebenso ist es jetzt nicht das Christentum, das dagegen aufsteht. Deshalb bin ich auch dankbar, dass Präsident Bush jetzt nicht noch einmal diese Rhetorik vom Kreuzzug benutzt hat. Das wäre ein Rückfall ins 11., 12. Jahrhundert. Wir bemühen uns ja gerade, dass die Religion nicht zum Faktor der Konfliktverschärfung wird, sondern eher zur Entschärfung beiträgt.
Simon: Kann denn das Treffen heute beim Bundeskanzler mehr sein als nur eine Geste?
Kässmann: Das kann ich nicht genau sagen. Es ist aber eine wichtige - das will ich doch deutlich machen -, weil der Bundeskanzler ja auch von den Sorgen hören wird, die einerseits viele in den Religionsgemeinschaften haben, der großen Angst vor Krieg. Das spüren wir hier in den Kirchen bei den Gebetsgottesdiensten sehr deutlich. Andererseits können ihm gegenüber die Religionsgemeinschaften auch noch einmal verdeutlichen, dass sie im Moment vieles tun, um Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, um zu zeigen, wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen und wollen die Friedenskräfte in der Religion stärken.
Simon: Sie sprechen die Angst an, die Sie ganz konkret in den Gemeinden spüren. Sie erinnern sich aber auch noch an das Mitgefühl, was man vor wenigen Tagen mit den Amerikanern hatte, mit den Opfern dort und den Angehörigen. Wie würden Sie das beurteilen? Ist die Bevölkerung hierzulande gespalten? Wie weit unterstützt man eine Solidarität mit den USA aus Ihrer Erfahrung, wenn sie militärisches Vorgehen einschließt?
Kässmann: Ich glaube nicht, dass sie gespalten ist. Ich will ganz deutlich sagen, das Mitgefühl mit den Opfern hält an. Das ist ganz deutlich. Ein solcher Terrorakt kann nur verurteilt werden. Das ist durch nichts, aber überhaupt nichts zu rechtfertigen. Es sind immerhin auch 100 Deutsche ums Leben gekommen unter den mehr als 6000, wie es jetzt ja heißt. Da muss man sich vorstellen, das sind so viele wie beim Concorde-Absturz letztes Jahr. Noch nie sind durch Terroranschläge so viele Deutsche umgekommen, aber ganz abgesehen davon auch Amerikaner. Das Mitgefühl dauert also an und auch das Grauen über diese Bilder, dass zivile Flugzeuge auf Menschen sozusagen geschossen werden. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Es ist aber kein Antiamerikanismus - das will ich doch deutlich sagen -, wenn es Angst vor Krieg gibt. Da sind ältere Menschen, die sich nur zu gut an Krieg und an Feldzüge erinnern, Männer wie Frauen. Bei den ganz jungen habe ich den Eindruck, die auch viel kommen, dass für sie die Vorstellung da war, wir hatten Gott sei Dank mehr als 50 Jahre keinen Krieg mehr und wir dachten eigentlich, es kommt keiner in unserer Generation. Somit kommen dort ganz tiefe Ängste hoch, dass ihr Leben umgewälzt wird. Und wenn Herr Bush jetzt auch sagt, dass jede nötige Waffe des Krieges eingesetzt wird, dann kommt natürlich auch Angst vor Kernwaffen und anderem hoch.
Simon: Nun stellt sich die Frage, was denn eine angemessene Form ist. Ich meine Gottesdienste in allen Ehren, auch Lichterketten, aber ist das die Antwort, die man gibt auf einen solchen Anschlag, auf mehrere solcher Anschläge?
Kässmann: Ich weiß ganz genau, dass Gottesdienste sozusagen die Terroristen nicht aus ihren Nestern treiben. Aber trotzdem muss ich sagen beharre ich weiterhin darauf, dass auch das Gebet eine Kraft hat und Gott mit den Opfern vor allen Dingen ist. Ich habe keine Lösung, ich bin keine Terrorismusexpertin. Ich höre jetzt aber von Terrorismusexperten, dass viele von Rasterfahndung, Stärkung der inneren Sicherheit, Kontrollen und Überprüfungen von Menschen mit bestimmten Biographien und anderem mehr sprechen. Es gibt verschiedene Mittel zu versuchen, diese Terroristen zu finden, auch diesen Auslieferungsantrag für Bin Laden, obwohl man noch gar nicht weiß, ob er sich im Moment überhaupt in Afghanistan befindet, aber es gibt große Zweifel daran, ob ein massiver Militäreinsatz in einem so schwierigen Gelände wie Afghanistan irgend Jemanden finden kann. Hinzu kommt noch die Angst vor einem Partisanenkrieg. Das hat Amerika ja schon einmal erlebt, dass es ganz schwierig ist, mit einer großen, massiven Armee solche Einzelkämpfer zu finden, die zu Selbstmordattentaten bereit sind. Das ist die eigentliche Tragik und meine Frage ist, wenn jetzt für Gerechtigkeit eingesetzt wird oder auch Bush sagt, Gerechtigkeit wird siegen, was können wir eigentlich für die weltweite Gerechtigkeit tun, dass so ein Hass nicht entsteht, wie er ganz offensichtlich vorhanden ist. Jubel gab es ja wohl nicht nur in Palästina, sondern durchaus auch an anderen Stellen, wo richtig massive antiamerikanische Gefühle da sind, weil man sich vernachlässigt fühlt, das Gefühl hat, Globalisierung dient nur einigen reichen Nationen und die anderen werden immer ärmer. Da liegt ja offensichtlich auch ein Grund für diesen Hass auf Amerika.
Simon: Das sind natürlich Sachen, die muss man langfristig anpacken. Da kann man nicht einfach nur schnell zusagen. Aber es gibt wohl einen Druck, manche Menschen empfinden diesen Druck wohl, dass man schnell militärisch reagieren muss. Gestern sagte der katholische Bischof und Kardinal Friedrich Wetter, er hielte eine militärische Reaktion durchaus für gerechtfertigt, wenn dadurch Menschen vor Anschlägen geschützt werden könnten. Ist das denn eine Definition, mit der Sie leben können?
Kässmann: Da ich bezweifle, dass durch eine militärische Aktion Menschen vor solchen Terroranschlägen geschützt werden können, kann ich das mit dem gerechtfertigt nicht so schnell in den Mund nehmen. Das muss ich ganz deutlich sagen. Außerdem glaube ich es ist nicht Sache der Kirche oder der Religion, Krieg zu rechtfertigen. Da bin ich tatsächlich anderer Meinung. Ich denke die Kirchen haben die Aufgabe, zum Frieden zu rufen, wobei ich ganz deutlich sagen muss, ich bin dafür, dass entschlossen versucht wird, diese Terroristen zu finden und sie dann vor ein internationales Tribunal zu stellen. Das haben wir ja nun in Den Haag.
Simon: Aber eine Rechtfertigung, wenn ich Sie richtig verstehe, für einen Militärschlag gibt es für Sie nicht?
Kässmann: Die kann ich so nicht geben, nein!
Simon: Was halten Sie denn auch in dem Zusammenhang, was Sie vorher ansprachen, den lang und tief sitzenden Gräuel, von dieser These, die jetzt oft wieder in den Raum gestellt wird, der Krieg der Kulturen, Islam gegen Christentum? Das ist ja sehr plakativ.
Kässmann: Davon halte ich gar nichts. Das sind Feindbilder, die zwischen den Kulturen aufgebaut werden. Ich glaube tatsächlich, es gibt eine zu große Fremdheit zwischen der islamischen und der christlichen Kultur. Wir lernen uns zu wenig kennen und dadurch ist es sehr leicht, Feindbilder aufzubauen. Es gibt bei uns ja durchaus Vorbehalte, wenn wir diese Kämpfer sehen, diese Versuche, Gottesstaaten aufzubauen, die radikale Unterdrückung der Frauen beispielsweise, die in einigen Staaten zu sehen ist. Es gibt bei vielen Christen durchaus Angst, weil im im Sudan oder in Pakistan die Christen ja durchaus unterdrückt werden. Gleichzeitig gibt es eine Angst der arabisch-islamischen Kultur vor der westlichen, weil sie den Eindruck haben, die überfremdet sie. Daran denke ich müssen wir noch viel tun, uns näher kennen zu lernen, näher zu kommen, um solche Feindbilder nicht hoch kommen zu lassen. Aber es gibt keinen Kulturkampf zwischen Christentum und Islam. Wir haben in den letzten Jahren doch viel gelernt, dass wir als Grundlage beider Religionen die Friedensbotschaft kennen.
Simon: Ist denn nicht die Gefahr vorhanden - Sie sprachen die innere Sicherheit an -, dass im Zuge der Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit die in Deutschland lebenden Muslime und Christen weiter auseinanderrücken statt näher aneinander?
Kässmann: Das sehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich erlebe jetzt in unseren Gemeinden sehr viele Einladungen an Muslime, Einladungen in Moscheen, öffentliche gemeinsame Malzeiten, um deutlich zu machen, wir lassen uns hier nicht gegeneinander ausspielen, wir leben in einem Land mit Religionsfreiheit, in einem demokratischen Staat, für den wir wirklich dankbar sind, dass es diese Religionsfreiheit gibt. Allerdings darf Religion eben nicht benutzt werden, um hier Gewalt zu legitimieren. Deshalb finde ich es beispielsweise richtig, dass dieses Religionsprivileg aufgehoben wird. Es darf nicht unter dem Mantel der Religion Gewaltvorbereitung oder Gewaltbereitschaft versteckt werden. Das muss ganz eindeutig sein.
Simon: Treten Sie für einen staatlich kontrollierten islamischen Religionsunterricht hier in Deutschland ein?
Kässmann: Eindeutig! Ich finde es wesentlich besser, wenn an staatlichen Schulen islamischer Religionsunterricht stattfindet, in deutscher Sprache durch ausgebildete Pädagogen und mit einem Curriculum, weil das muss doch mit Sorge auch gesagt werden: was in allen Koranschulen passiert wissen wir nicht genug. Ich fände es wesentlich besser, wenn das an den staatlichen Schulen in öffentlichem Religionsunterricht auf Deutsch stattfinden würde.
Simon: Das war Margot Kässmann, die Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Hannover. - Vielen Dank für das Gespräch!