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"Es liegt die Frage nahe, ob ein Gefühl des Hasses hochkommt"

3.Oktober 1987: Der zurückgetretene schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel im Gespräch mit Heribert Schwan.

    Barschel: Jetzt richten sich meine Gedanken nach vorn, es sind erfreuliche Gedanken, denn ich fahre am Montag zunächst einmal mit meiner Frau für zehn, zwölf Tage in Urlaub.

    Schwan: Sie sind sehr früh Ministerpräsident geworden, mit 38 Jahren, wenn ich das richtig sehe, eine Riesen-Karriere – und nun?

    Barschel: Ja, ich bin ja Rechtsanwalt und Notar, ich überlege, ob ich in meine Kanzlei wieder zurückgehe. Ich erwäge aber auch, in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft eine Tätigkeit zu übernehmen. Dies alles ist aber offen, weil ich ja ganz gern mein direkt gewonnenes Landtagsmandat wahrnehmen möchte.

    Schwan: Ein Glück, dass Sie einen anständigen Beruf haben.

    Barschel: Das kann ich Ihnen sagen! Ich habe immer meinen Freunden gesagt und sage es heute auch den jüngeren Nachwuchs-Abgeordneten: Seht bloß zu, dass ihr festen beruflichen Halt unter die Füße bekommt. Politische Ämter und Würden, das kann von heute auf morgen, wie Sie sehen, zu Ende sein und dann ist es wichtig, dass man nicht ins Bodenlose fällt.

    Schwan: Herr Barschel, heute, am ersten Tag ohne das Amt des Ministerpräsidenten – was schmerzt da am meisten?

    Barschel: Ja, was schmerzt? Im Grunde genommen schmerzen die sehr offenen und nicht verheilten Wunden der schlimmen Vorwürfe, gegen die ich mich doch eigentlich nur schwer verteidigen konnte, denn stellen Sie sich doch mal vor, Sie sollen aus heiterem Himmel heraus sich exkulpieren in dem Sinne, dass Sie beweisen, dass Sie nichts getan haben. Das ist ja schier unmöglich.

    Schwan: Letzte Frage, Herr Barschel: Wenn Sie den Namen Reiner Pfeiffer hören, was passiert dann in Ihrem Herzen und in ihrem Hirn?

    Barschel: Ich weiß nicht. Es liegt die Frage nahe, ob ein Gefühl des Hasses hochkommt. Die Menschen sollen nicht hassen. Ich hoffe, dass ich auch als Christ die Kraft haben werde, auch diesen Menschen nicht zu hassen.

    Sendezeichen aus 50 Jahren DLF
    50 Jahre Deutschlandfunk