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Es mahlen die Mühlen am laufenden Band

Ende dieses Monats soll sich eine Konferenz der Agrarminister aus dem Kreis der G20-Staaten mit der problematischen Lage auf den Agrarmärkten beschäftigen. Vor diesem Hintergrund stellt das Firmenporträt in drei Teilen große deutsche Konzerne aus dem Agrarbereich vor. Heute: Europas größte Mühlengruppe.

Von Verena Herb |
    So hörte man es einst, das "Klappern der Mühle" am rauschenden Bach. Heute ist das romantische Wasserrauschen dem Maschinengeräusch gewichen. Das Müllerhandwerk heute: Technologie auf höchstem Niveau . Erster Schritt bei der Mehlproduktion: die Reinigung.

    "Hier auf dieser Etage befinden sich die Reinigungsanlagen. Dies hier ist eine große Maschine. In die sind Siebe integriert. Hier oben ein Grobsieb. Das reinigt alle groben Verunreinigungen heraus. Darunter ein Sandsieb, das reinigt alle feinen Verunreinigungen heraus wie Sand, Erdklumpen und so was. Und dann erfolgt eine Trennung aus Schwer- und Leichtgut. Dabei werden alle spezifisch leichten Teile herausgezogen."

    Hans-Heinrich Hagenah ist in der Aurora Mühle Hamburg für die Qualitätssicherung zuständig. Nachdem das Getreide gereinigt wurde, wird es in mehreren Schritten auf Walzenstühlen zu Mehl gemahlen und immer wieder gesiebt:

    "Jeweils das feinste einer Siebung ist dann das Mehl. Das heißt, da wir 52 verschiedene Zerkleinerungen und Siebungen haben, haben wir auch 52 verschiedene Mehle in der Mühle."

    Damals wie heute ist es die Kunst des Müllers, die richtige Mischung der Mehle zu finden. Genau das lernt Anne Jette Winter. Sie wird zur Verfahrenstechnologin in der Mühlen- und Futterindustrie ausgebildet. So heißen die Müller heute. Und so lernt sie:

    "Maschinenwartung. Wie ich das Mehl fahren muss. Dann in Rechnen: Wie ich die Mischungsverhältnisse berechnen muss, wie ein Getreidekorn aufgebaut ist. Das lernen wir auch alles in der Schule."

    Allein die Aurora-Mühle in Hamburg versorgt jährlich rund 2,5 Millionen Menschen mit Mehl. Auf dem Betriebsgelände am Haulander Hauptdeich säumen riesige Silos das Fabrikgebäude. Groß prangt die rot umrandete gelbe Aurora-Sonne auf der Fassade:

    "Wir haben hier momentan rund 20 Tausend Tonnen Getreide lagern. Wir vermahlen im Monat ungefähr 15-, 16-tausend Tonnen. Das heißt, gut ein Monatsbedarf an Getreide haben wir hier lagern."

    Sagt Hans-Heinrich Hagenah, während er über den Hof geht. 90 Prozent Weizen, 10 Prozent Roggen werden in der Mühle verarbeitet: Angeliefert per LKW oder Schiff. Zumeist aus den umliegenden Bundesländern – Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen oder Sachsen Anhalt – aber auch aus Tschechien, Litauen und den USA.

    Die Aurora-Mühle Hamburg gehört zurKampffmeyer Mühlen GmbH – Europas größter Mühlengruppe mit Hauptsitz in der Hansestadt, eingebettet in die VK Mühlen AG. Bekannte Marken sind unter anderem Aurora, Diamant Mehl oder Müllers Mühle. Christoph Persin, bei Kampffmeyer zuständig für Wissenschaft und Kommunikation, erläutert, wer die Abnehmer der rund 200 Produkte der Mühle sind:

    "Die meisten Standorte produzieren für industrielle Weiterverarbeiter, Großbäcker zum Beispiel. Aber auch Handwerksbäcker, Pizzenhersteller, solche Sachen. Und einige Standorte produzieren auch für die Endverbraucher."

    Insgesamt arbeiten 1020 Mitarbeiter an 18 Standorten – Christoph Persin:

    "Wir betreiben in Deutschland 10 Mühlen. Bei den meisten handelt es sich um Weichweizenmühlen, die auch noch Roggen mit vermahlen. Wir haben auch Spezialmühlen, die nur Hartweizen Durum vermahlen. Also für die Nudelindustrie. Wir haben zum Teil auch Spezialstandorte, die auch noch Mais mit verarbeiten, für die Snackindustrie. Dann haben wir in Polen vier eigene Mühlen, die dort betrieben werden und in Ungarn."

    Kampffmeyer ist Marktführer bei der Verarbeitung von Getreideprodukten. Der Marktanteil liegt bei rund 20 Prozent. Derzeit führt das Bundeskartellamt zwei Kartellverfahren gegen zahlreiche Mühlenunternehmen in Deutschland, auch gegen die VK Mühlen AG. Der Vorwurf: Verdacht auf Absprachen beim Mehlpreis. Noch steht eine Entscheidung aus. Kampffmeyer will sich zum laufenden Verfahren nicht äußern, hat aber laut Geschäftsbericht Rückstellungen in Höhe von 17 Millionen Euro für eventuelle Geldbußen gebildet.

    Fakt ist: Die Margen im Mehlverkauf sind gesunken. Das zeigt sich auch in den Kennzahlen des Konzerns: Der Umsatz der VK Mühlen AG im Geschäftsjahr 2009/2010 liegt bei 530 Millionen Euro. Das Konzernergebnis fiel negativ aus: Ein Minus von 2,9 Prozent:

    "Das ungünstige Ergebnis im Jahr 2009/2010 hat was damit zu tun, dass nach der Getreideernte 2010 sich die Getreidepreise wie jedes Jahr ganz normal nach der Ernte auf einem relativ hohen Niveau bewegt haben. Und dort unerwarteter Weise geblieben sind."

    Die Rohstoffpreise sind mit einem Anteil von 70 Prozent dominierender Faktor für die Ergebnisentwicklung des Konzerns. Die Preise für Getreide blieben also auf hohem Niveau:

    "Parallel dazu haben wir dann natürlich auch Verträge oder Kontrakte mit unseren Kunden, wenn es um den Mehlverkauf geht. Und diese Mehlverkaufskontrakte laufen über einen längeren Zeitraum. Und diese Schere, die da geklafft hat, steigende Getreidepreise die auf hohem Niveau geblieben sind und langfristige Mehlpreise auf relativ niedrigem Niveau, die haben mit dazu geführt, dass das letzte Geschäftsjahr so unerfreulich aufgehört hat."

    Hinzu kommt: Die Volatilität der Getreidepreise an den Rohstoffmärkten. Die Spekulationen an den Börsen, insbesondere der CBOT in Chicago haben Einfluss auf die absolute Höhe der Preise. Doch das sei nicht alles, so Kampffmeyer-Sprecher Christoph Persin:

    "Zum Teil werden die Aktivitäten an der Börse auch benötigt, um Liquidität in den Markt reinzubringen. Das ist wichtig. Und die Getreidepreise auf dem hohen Niveau hängen auch von internationalen Begebenheiten ab, die wir gar nicht steuern können, beziehungsweise, die auch nicht vorhersehbar sind. Wenn sie zum Beispiel an die schlechte Ernte letztes Jahr denken und auch den Exportstopp, den Russland verhängt hat, das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Getreidepreise und treibt die eben auch nach oben und hält sie auch oben."

    Der Konzern blickt optimistisch in die Zukunft: Für das Geschäftsjahr 2011 erwartet Kampffmeyer eine schwarze Null: Denn Altverträge laufen aus, können neu verhandelt und an die gestiegenen Getreidepreise angepasst werden. Was für die Verbraucher bedeutet: Brot und Brötchen werden wohl teurer.

    Kampffmeyer Mühlen GmbH