Stefan Heinlein: Deutsche Sprache, schwere Sprache. Wer Deutsch als Fremdsprache lernt, kann oft verzweifeln an unserer Grammatik. Der, die das, allein das Erlernen des richtigen Artikels ist eine stete Herausforderung. Kein Wunder deshalb, dass viele Schüler auch im europäischen Ausland davor zurückschrecken, Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache zu wählen. Englisch sowieso, aber auch Spanisch und Französisch sind in der Regel die erste Wahl. Außenminister Westerwelle will nun diesen Trend umkehren. Heute präsentiert er in Berlin eine groß angelegte Kampagne zur weltweiten Verbreitung der deutschen Sprache. "Deutsch – Sprache der Ideen", so der Titel. Bereits gestern wurde das Projekt den Medien vorgestellt.
Am Telefon nun der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann. Guten Morgen, Herr Lehmann!
Klaus-Dieter Lehmann: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Warum braucht die Welt Nachhilfe in deutscher Sprache?
Lehmann: Die braucht nicht Nachhilfe in der deutschen Sprache. Ich glaube, wir müssen etwas deutlicher machen, dass wir mit unserer eigenen Sprache nicht so gleichgültig umgehen, sondern dass wir die Vielseitigkeit und die Lebendigkeit der Sprache auch selber empfinden und damit sie für die Welt interessant machen.
Wir sind im Grunde ein Land, das ja auch ein starkes Exportland ist, und es ist so, dass man Sprachen ja nicht deshalb lernt, weil sie schwer oder leicht sind, sondern weil sie bestimmte Qualitäten haben, weil sie Sympathiewerte haben, oder weil sie Berufs- und Lebensplanung unterstützen, und das sind eigentlich Stärken, die wir nutzen sollten, um eigentlich diese Dinge, unsere Möglichkeiten im In- und Ausland zu verbessern.
Heinlein: Woran machen Sie das fest, Herr Professor Lehmann, dass die deutsche Sprache bei uns nicht ausreichend gepflegt wird?
Lehmann: Das mache ich daran fest, dass wir ja in einer Weise zunehmende Neigungen haben an Hochschulen, oder auch an Schulen in Deutschland, Englisch als Unterrichtssprache zu verwenden, und die Eltern glauben, das wäre die große Chance für ihre Kinder. Das ist im Grunde nicht der Fall, denn jede Sprache vermittelt ja auch ein eigenes Weltbild, und die Sprache ist ja eingebettet in den Begriff Kultur, eingebettet in den Begriff Bildung. Wenn es nur ein Werkzeug wäre, dann wäre das durchaus ein sinnvoller Ansatz.
Das Englische ist ein Werkzeug, ist eine Weltsprache. Die können wir nicht toppen, wollen wir auch gar nicht. Aber das Deutsche als Kulturträger zu vermitteln, als eine Sprache, die gewisse Qualitäten vermitteln kann, ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Ansatz. Wir sehen zum Beispiel auch solche Dinge, dass wir völlig unnötig ganze Sprachräume eröffnen für Fremdsprachen, die die Ausdrucksfähigkeit des Deutschen längst leisten könnte, zum Beispiel bei der Deutschen Bahn diese berühmten Mobility Center, oder die Service Points, oder die ganze Marketing-Sprache. Also wir sollten bewusster mit unserer eigenen Sprache umgehen. Diese Leidenschaft und dieses Engagement würde dann auch ins Ausland ausstrahlen.
Heinlein: Sie sagen es: Viele Bildungsbürger schicken gerne ihren Nachwuchs in englische Kindergärten, englische Privatschulen. Ist es nicht tatsächlich schlauer, Englisch oder auch Chinesisch zu lernen, um in unserer globalisierten Welt künftig zu bestehen?
Lehmann: Nein. Man muss wirklich unterscheiden zwischen einer Weltsprache – die wird immer das Englische sein und bleiben – und einer Sprache, die auch einen kulturellen Kontext vermittelt. Ich glaube, dass darin eigentlich auch unsere Stärke in der Kampagne liegen wird. Ein Beispiel: Russland hat bis vor kurzem als erste Fremdsprache Deutsch gehabt. Natürlich sind sie jetzt von den Lehrplänen her auf das Englische übergegangen; sie haben aber nur eine Fremdsprache und deshalb müssen wir als Deutsche darauf achten, dass in den Schulplänen des Auslandes die Mehrsprachigkeit ein fester Bestandteil ist. Dann hat die deutsche Sprache immer eine große Chance.
Wir sehen das jetzt zum Beispiel in Indien. In Indien, würde man doch glauben, Inder sprechen Englisch, sie benötigen gar keine zweite Sprache als Fremdsprache. Das Deutsche ist ein einsamer Renner. Wir können gar nicht mit unseren Partnerschulen so schnell sein, wie die Nachfrage nach dem Deutschen ist. Insofern glaube ich, man sollte ganz deutlich unterscheiden zwischen der Lingua Franca, zwischen der Weltsprache, die das Englische ist, und der Sprache, die ganz bestimmte Qualitäten bietet, sei es im Beruf, sei es in der Lebensplanung, sei es für die Möglichkeit, Studierenden attraktive Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland zu geben.
Ich glaube, man sollte auch eines nicht unterschätzen: Deutschland ist ein Einwanderungsland und die deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Integration.
Heinlein: Können Sie das noch einmal konkret verdeutlichen, Herr Lehmann? Was soll in dieser Kampagne jetzt anders gemacht werden als in der Vergangenheit? Dieser Versuch, die deutsche Sprache zu verbreiten, ist ja nicht ganz neu.
Lehmann: Das ist genau richtig. Wir haben eigentlich in den letzten vier Jahren bei der letzten Regierung gesehen, dass die entsprechenden Maßnahmen, zum Beispiel diese Partnerschulen, die jetzt im Jahr 2010 am Ende 1500 Schulen haben werden, die Deutsch bis zur Hochschulreife unterrichten, ein riesiger Erfolg waren, eine Aufbruchstimmung, wie wir sie selbst nicht erwartet haben, weder die Politik, noch wir als diejenigen, die in diesem Fachbereich sind.
Was wir mit der Kampagne machen ist, diese einzelnen Initiativen und Projekte, die bestehen, aber vereinzelt auch nicht wahrgenommen worden sind, zu fokussieren, sie sichtbar zu machen und so auch Aufmerksamkeit und Mitnahmeeffekte zu erzeugen.
Man muss auch eines sehen: Wir müssen natürlich deutlich sagen, wir kennen natürlich inzwischen durch diese Aktivitäten auch die Schwachstellen, die vorhanden sind. Eine solche Kampagne darf deshalb sich nicht erschöpfen, nur um die Dinge sichtbar zu machen, denn das wäre reines Marketing, das wäre zu wenig. Wir müssen genau diese weltweit etablierten Programme jetzt zusammenfügen, die Übergangsschnittstellen definieren und daraus wirklich ein Integrationsprogramm machen. Das heißt, es muss eine konzertierte Aktion deutsche Sprache sein und nicht nur vereinzelte Dinge, die wir in der Welt derzeit durchaus mit Erfolg machen, aber nicht als strategischen Ansatz.
Heinlein: Die Zahlen – wir haben es in dem Bericht vorab gehört – sprechen ja eine andere Sprache, Herr Lehmann. Weltweit geht die Zahl der Deutschschüler zurück. Gibt es dafür vielleicht einen ganz simplen Grund? Ist Deutsch einfach zu schwer?
Lehmann: Nein. Im Grunde ist das immer eine sehr vordergründige Erklärung. Ich habe das schon am Anfang gesagt: Es gibt nicht den Einstieg, oder die Ablehnung nur über die Schwere einer Sprache. Die Sprache muss für denjenigen, der sie lernt, eine persönliche Attraktivität haben. Wenn wir das schaffen – und wir haben das gesehen; wo wir vermehrt Anstrengungen in den letzten Jahren gemacht haben, haben sich auch die positiven Entwicklungen gezeigt. Das war in Polen, das war in Italien, das war in Griechenland, Südosteuropa, in Frankreich ist der Trend sogar inzwischen umgekehrt worden, aber auch Brasilien. Brasilien hat plötzlich einen Deutschlernerzuwachs von 25 Prozent im letzten Jahr gehabt.
Heinlein: Also muss man Deutsch vermitteln nicht als Sprache der Dichter und Denker, sondern als Sprache einer starken Wirtschaftsnation?
Lehmann: Deutsch und die Wirtschaft, Deutsch und die Wissenschaft, Deutsch als Arbeitssprache, Deutsch als Schlüssel zur Integration, Deutsch im Internet, das sind für mich die Schlüsselbegriffe.
Heinlein: "Deutsch - Sprache der Ideen", eine neue Kampagne des Auswärtigen Amtes. Dazu heute Morgen hier im Deutschlandfunk der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann. Ich danke ganz herzlich für das Gespräch und auf Wiederhören.
Lehmann: Danke Ihnen!
Am Telefon nun der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann. Guten Morgen, Herr Lehmann!
Klaus-Dieter Lehmann: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Warum braucht die Welt Nachhilfe in deutscher Sprache?
Lehmann: Die braucht nicht Nachhilfe in der deutschen Sprache. Ich glaube, wir müssen etwas deutlicher machen, dass wir mit unserer eigenen Sprache nicht so gleichgültig umgehen, sondern dass wir die Vielseitigkeit und die Lebendigkeit der Sprache auch selber empfinden und damit sie für die Welt interessant machen.
Wir sind im Grunde ein Land, das ja auch ein starkes Exportland ist, und es ist so, dass man Sprachen ja nicht deshalb lernt, weil sie schwer oder leicht sind, sondern weil sie bestimmte Qualitäten haben, weil sie Sympathiewerte haben, oder weil sie Berufs- und Lebensplanung unterstützen, und das sind eigentlich Stärken, die wir nutzen sollten, um eigentlich diese Dinge, unsere Möglichkeiten im In- und Ausland zu verbessern.
Heinlein: Woran machen Sie das fest, Herr Professor Lehmann, dass die deutsche Sprache bei uns nicht ausreichend gepflegt wird?
Lehmann: Das mache ich daran fest, dass wir ja in einer Weise zunehmende Neigungen haben an Hochschulen, oder auch an Schulen in Deutschland, Englisch als Unterrichtssprache zu verwenden, und die Eltern glauben, das wäre die große Chance für ihre Kinder. Das ist im Grunde nicht der Fall, denn jede Sprache vermittelt ja auch ein eigenes Weltbild, und die Sprache ist ja eingebettet in den Begriff Kultur, eingebettet in den Begriff Bildung. Wenn es nur ein Werkzeug wäre, dann wäre das durchaus ein sinnvoller Ansatz.
Das Englische ist ein Werkzeug, ist eine Weltsprache. Die können wir nicht toppen, wollen wir auch gar nicht. Aber das Deutsche als Kulturträger zu vermitteln, als eine Sprache, die gewisse Qualitäten vermitteln kann, ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Ansatz. Wir sehen zum Beispiel auch solche Dinge, dass wir völlig unnötig ganze Sprachräume eröffnen für Fremdsprachen, die die Ausdrucksfähigkeit des Deutschen längst leisten könnte, zum Beispiel bei der Deutschen Bahn diese berühmten Mobility Center, oder die Service Points, oder die ganze Marketing-Sprache. Also wir sollten bewusster mit unserer eigenen Sprache umgehen. Diese Leidenschaft und dieses Engagement würde dann auch ins Ausland ausstrahlen.
Heinlein: Sie sagen es: Viele Bildungsbürger schicken gerne ihren Nachwuchs in englische Kindergärten, englische Privatschulen. Ist es nicht tatsächlich schlauer, Englisch oder auch Chinesisch zu lernen, um in unserer globalisierten Welt künftig zu bestehen?
Lehmann: Nein. Man muss wirklich unterscheiden zwischen einer Weltsprache – die wird immer das Englische sein und bleiben – und einer Sprache, die auch einen kulturellen Kontext vermittelt. Ich glaube, dass darin eigentlich auch unsere Stärke in der Kampagne liegen wird. Ein Beispiel: Russland hat bis vor kurzem als erste Fremdsprache Deutsch gehabt. Natürlich sind sie jetzt von den Lehrplänen her auf das Englische übergegangen; sie haben aber nur eine Fremdsprache und deshalb müssen wir als Deutsche darauf achten, dass in den Schulplänen des Auslandes die Mehrsprachigkeit ein fester Bestandteil ist. Dann hat die deutsche Sprache immer eine große Chance.
Wir sehen das jetzt zum Beispiel in Indien. In Indien, würde man doch glauben, Inder sprechen Englisch, sie benötigen gar keine zweite Sprache als Fremdsprache. Das Deutsche ist ein einsamer Renner. Wir können gar nicht mit unseren Partnerschulen so schnell sein, wie die Nachfrage nach dem Deutschen ist. Insofern glaube ich, man sollte ganz deutlich unterscheiden zwischen der Lingua Franca, zwischen der Weltsprache, die das Englische ist, und der Sprache, die ganz bestimmte Qualitäten bietet, sei es im Beruf, sei es in der Lebensplanung, sei es für die Möglichkeit, Studierenden attraktive Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland zu geben.
Ich glaube, man sollte auch eines nicht unterschätzen: Deutschland ist ein Einwanderungsland und die deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Integration.
Heinlein: Können Sie das noch einmal konkret verdeutlichen, Herr Lehmann? Was soll in dieser Kampagne jetzt anders gemacht werden als in der Vergangenheit? Dieser Versuch, die deutsche Sprache zu verbreiten, ist ja nicht ganz neu.
Lehmann: Das ist genau richtig. Wir haben eigentlich in den letzten vier Jahren bei der letzten Regierung gesehen, dass die entsprechenden Maßnahmen, zum Beispiel diese Partnerschulen, die jetzt im Jahr 2010 am Ende 1500 Schulen haben werden, die Deutsch bis zur Hochschulreife unterrichten, ein riesiger Erfolg waren, eine Aufbruchstimmung, wie wir sie selbst nicht erwartet haben, weder die Politik, noch wir als diejenigen, die in diesem Fachbereich sind.
Was wir mit der Kampagne machen ist, diese einzelnen Initiativen und Projekte, die bestehen, aber vereinzelt auch nicht wahrgenommen worden sind, zu fokussieren, sie sichtbar zu machen und so auch Aufmerksamkeit und Mitnahmeeffekte zu erzeugen.
Man muss auch eines sehen: Wir müssen natürlich deutlich sagen, wir kennen natürlich inzwischen durch diese Aktivitäten auch die Schwachstellen, die vorhanden sind. Eine solche Kampagne darf deshalb sich nicht erschöpfen, nur um die Dinge sichtbar zu machen, denn das wäre reines Marketing, das wäre zu wenig. Wir müssen genau diese weltweit etablierten Programme jetzt zusammenfügen, die Übergangsschnittstellen definieren und daraus wirklich ein Integrationsprogramm machen. Das heißt, es muss eine konzertierte Aktion deutsche Sprache sein und nicht nur vereinzelte Dinge, die wir in der Welt derzeit durchaus mit Erfolg machen, aber nicht als strategischen Ansatz.
Heinlein: Die Zahlen – wir haben es in dem Bericht vorab gehört – sprechen ja eine andere Sprache, Herr Lehmann. Weltweit geht die Zahl der Deutschschüler zurück. Gibt es dafür vielleicht einen ganz simplen Grund? Ist Deutsch einfach zu schwer?
Lehmann: Nein. Im Grunde ist das immer eine sehr vordergründige Erklärung. Ich habe das schon am Anfang gesagt: Es gibt nicht den Einstieg, oder die Ablehnung nur über die Schwere einer Sprache. Die Sprache muss für denjenigen, der sie lernt, eine persönliche Attraktivität haben. Wenn wir das schaffen – und wir haben das gesehen; wo wir vermehrt Anstrengungen in den letzten Jahren gemacht haben, haben sich auch die positiven Entwicklungen gezeigt. Das war in Polen, das war in Italien, das war in Griechenland, Südosteuropa, in Frankreich ist der Trend sogar inzwischen umgekehrt worden, aber auch Brasilien. Brasilien hat plötzlich einen Deutschlernerzuwachs von 25 Prozent im letzten Jahr gehabt.
Heinlein: Also muss man Deutsch vermitteln nicht als Sprache der Dichter und Denker, sondern als Sprache einer starken Wirtschaftsnation?
Lehmann: Deutsch und die Wirtschaft, Deutsch und die Wissenschaft, Deutsch als Arbeitssprache, Deutsch als Schlüssel zur Integration, Deutsch im Internet, das sind für mich die Schlüsselbegriffe.
Heinlein: "Deutsch - Sprache der Ideen", eine neue Kampagne des Auswärtigen Amtes. Dazu heute Morgen hier im Deutschlandfunk der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann. Ich danke ganz herzlich für das Gespräch und auf Wiederhören.
Lehmann: Danke Ihnen!