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"Es muss Einschränkungen geben"

"Verunstaltungsgesetze" hießen die ersten Vorschriften gegen ein Zubauen von Seeufern, die vor einhundert Jahren erlassen wurden. Die meisten Ufer wurden damit geschützt, doch der Druck ist gerade in Ballungsgebieten enorm - und wächst weiter. Beispielsweise in Brandenburg, mit seinen rund 3000 Seen. Eine Tagung in Potsdam beschäftigte sich daher mit Gegenstrategien.

Von Maren Schibilsky |
    In ganz Deutschland gibt es 11.000 Kilometer Seeufer. Doch fast die Hälfte davon ist verbaut. Im dünnbesiedelten Land Brandenburg mit seinen 3000 Seen ist das anders. Noch gibt es hier eine Menge stiller Waldseen, riesige Klarwasserseen mit dichtem Schilfgürtel, viele naturnahe, unverbaute Seenufer. Ein Naturpotential, das es anderswo in Deutschland nicht gibt. Doch die Konflikte an den Seeufern nehmen zu. Besonders im Speckgürtel von Berlin und im Osten des Landes am großen Scharmützelsee oder am Schwielochsee, berichtet Burghard Teichert von den Naturfreunden Brandenburg:

    "In den letzten zehn Jahren hat sich diese Problematik verschärft und erreicht jetzt, was die Bebauung und Sperrung betrifft ihren Höhepunkt."

    Viele Seeanrainerkommunen sind mit ihren Entscheidungen überfordert. Besonders, wenn finanzkräftige Investoren den großen Geldsegen versprechen durch Feriensiedlungen, Hotelanlagen mit Bootshäfen oder Luxuswohnbauten direkt am Seeufer. Oft erliegen die Kommunen dem Druck. Im Ergebnis versperren plötzlich Zäune öffentliche Uferwege. Jahrzehntelange Badestellen der Bevölkerung fallen den Investitionen zum Opfer. Die Qualität der Ufer leidet, beklagt Axel Steffen, Abteilungsleiter Naturschutz im Umweltministerium Brandenburg:

    "Wir müssen leider feststellen, dass die Möglichkeiten der Kommunen im Rahmen ihrer Planungshoheit für verträgliche Nutzung auch von Seeufern unter Einbeziehung von öffentlichen Uferwanderwegen, dass diese vorhandenen Instrumente der Bauleitplanung nur unzureichend genutzt werden und wir hier von Landesebene letztlich nur begrenzt entgegen wirken können."

    Dabei hat der Schutz von Seeufern in Brandenburg eine lange Tradition. Bereits 1907 erreichte die damalige Natur- und Heimatschutzbewegung in Deutschland, dass in eine Verordnung verabschiedet wurde zum "Schutz vor Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich herausragenden Gegenden", berichtet die Historikerin Regine Auster vom "Haus der Natur" in Potsdam:

    "Es wurden damals sehr großzügige Schutzbereiche ausgewiesen bis zu 500 Meter. Und diese frühen Verordnungen haben sicherlich zum Teil dazu beigetragen, dass wir in einigen Bereichen weitgehend unverbaute Ufer haben."

    Das Land Brandenburg will jetzt den Bebauungsgrad seiner Seeufer systematisch erheben und die Kompetenz ihrer Seenanrainerkommunen stärken, berichtet Axel Steffen vom Umweltministerium Brandenburg:

    "Ich freu´ mich darüber, dass einzelne Landkreise, gerade auch die kreisfreien Städte begonnen haben, Uferkonzepte zu entwickeln, Stege-Konzepte zu entwickeln, um damit zumindest erst mal eine informelle Planungsgrundlage zu haben, um diese Wildwucherung irgendwie in den Griff zu kriegen."

    Denn mit dem Verlust naturnaher Ufer steht auch die Wasserqualität vieler Seen auf dem Spiel. Gewässerökologen warnen seit Jahren davor. Nur unverbaute Ufer mit Schilfgürtel können Nährstoffeinträge abpuffern und die Selbstreinigungskraft des Sees stärken, berichtet die Gewässerökologin Jaqueline Rücker von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus:

    "Wenn Schilfbestände vorhanden sind oder auch Unterwasserpflanzen, können sich Muscheln anheften. Und diese Muscheln sind ganz effektive Filter. Das heißt, sie machen das Wasser klar, in dem sie das durchstrudeln durch ihren Körper und alle Partikel rausfiltern."

    Brandenburg sollte künftig mit mehr Augenmaß über die Zukunft seiner Seeufer entscheiden. Sonst wird es schwer werden, die Qualitätsziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie der EU zu erfüllen. Regine Auster vom "Haus der Natur" in Potsdam:

    "Ich denke, wir sollten für Seen Kapazitätsgrenzen definieren, wo wir sagen, diese Nutzung, diese Belastung ist machbar und darüber hinaus muss es Einschränkungen geben."