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"Es sind sehr viele Dörfer, die noch von der Außenwelt abgeschnitten sind"

Die meisten der in Deutschland lebenden Philippinos versuchten, ihren Verwandten im Heimatland nach dem Taifun mit Geld zu helfen, berichtet Peter Schlottmann, Sprecher der philippinischen Gemeinden in Norddeutschland. Viele hätten ihre Angehörigen noch nicht erreicht.

Peter Schlottmann im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Auf den Philippinen bemühen sich die Hilfsorganisationen und Rettungskräfte fieberhaft darum, endlich in die Gebiete zu kommen, in denen der Taifun letzten Freitag am schlimmsten gewütet hat. Die Überlebenden warten dringend auf die Hilfe. Es gibt wenig bis nichts zu essen, die Trinkleitungen sind geborsten, die Häuser eingestürzt. Die Lage ist so schlimm, dass Soldaten Lastwagen mit Hilfsgütern absichern müssen. Ein Lebensmittellager wurde gestürmt von Plünderern, am Ende gab es acht Tote.

    Die Welt nimmt Anteil am Schicksal der Philippinen, und das gilt ganz besonders für alle Philippinen, die ausgewandert sind, oder im Ausland leben, auch bei uns in Deutschland, zum Beispiel in Hamburg. Peter Schlottmann ist Sprecher der philippinischen Gemeinden in Norddeutschland. Vor der Sendung habe ich ihn gefragt, wie denn sein Tag im Moment aussieht, seit dieser Katastrophe des Super-Taifuns?

    Peter Schlottmann: Nun ja, etwas schlecht. Man geht sehr schlecht zur Arbeit, weil man in Gedanken drüben ist, was mit den Familienmitgliedern los ist. Man wartet ständig auf die neuesten Nachrichten, man wartet ständig auf die neuesten Fotos über WhatsApp, über Facebook, über Medien, und deshalb ist der Alltag im Büro sehr schlecht.

    Meurer: Sind Freunde oder Verwandte von Ihnen persönlich betroffen durch die Katastrophe?

    Schlottmann: Ja, sind die. Wir haben dort, meine Familie, einige Häuser. Davon sind zwei Häuser betroffen. Bei dem einen ist das Dach komplett weg. Dort überlegen wir gerade, oder überlegt derzeit die Familie, ob das Haus nicht komplett neu gebaut werden muss.

    Meurer: Sind Menschen dabei zu Schaden gekommen, bei diesen Häusern?

    Schlottmann: Zum Glück nicht. In unserem Dorf habe ich die Nachricht bekommen, dass nur einer gestorben ist. Allerdings nicht direkt durch den Sturm, sondern der hat eine Herzattacke bekommen aus Schock.

    Meurer: Wie tauschen Sie sich in den Gemeinden, in den philippinischen Gemeinden in Deutschland im Moment untereinander aus?

    Schlottmann: Untereinander ist das eher durch die philippinische Bank, wo sich sehr viele von uns treffen, um Geld herüberzuschicken. Natürlich auch telefonisch, sehr viel über WhatsApp, sehr viel über Facebook, und es wird sehr, sehr viel telefoniert, weil viele noch nicht Verwandte von dort drüben erreicht haben.

    Meurer: Wie können Sie den Verwandten in Ihrer Heimat, in Ihrer Ursprungsheimat helfen?

    Schlottmann: Zurzeit schicken wir wohl alle, oder fast alle, die es können, Geld herüber über die philippinische Nationalbank oder Western Union. Und ansonsten: direkte Hilfe können wir von hieraus leider nicht vornehmen, weil wir auch hier sehr hilflos sind.

    Meurer: Das heißt, die Bilder, die wir im Fernsehen sehen, von verzweifelten Menschen, die einen Flughafen stürmen, die ausgeflogen werden wollen, weil sie nichts zu essen haben, nichts zu trinken für die Kinder haben, das ist sozusagen die krasse Spitze des Eisbergs? Aber es gibt auch viele, Zehntausende, Hunderttausende, ich weiß nicht, die jetzt mit Zerstörungen klarkommen müssen und die sich dann über die finanzielle Hilfe aus Deutschland freuen?

    Schlottmann: Ja, das schon. Wir bekommen natürlich zum Glück Bilder direkt und dementsprechend können wir schneller reagieren und wissen eher bescheid als das Fernsehen. Es sind sehr viele Leute noch betroffen und es sind sehr viele Dörfer, die noch von der Außenwelt abgeschnitten sind und nur lokal durch Trucks oder wie auch immer erreicht werden können.

    Meurer: Für die Menschen in den Gebieten, die am schlimmsten betroffen sind, da können Sie natürlich auch nichts tun im Moment, oder?

    Schlottmann: Leider nicht. Wir direkt oder ich direkt nicht, weil ich bin aus einer anderen Insel, kümmere mich deshalb erst mal zentral um dieses Dorf. Ich kann leider nicht alle retten, aber es gibt bestimmt in unserer Gemeinde einige, die natürlich Familie in den ärgsten betroffenen Gebieten haben.

    Meurer: Was bedrückt Sie im Moment am meisten, wenn Sie die Bilder sehen?

    Schlottmann: Es bedrückt mich am meisten diese Hilflosigkeit, die jetzt wir hier im Ausland haben. Normalerweise, immer wenn eine Katastrophe ist, dann können wir schneller reagieren, indem wir Geld verschicken können. Aber zurzeit ist es so: es ist Hilflosigkeit, weil man von überall, sowohl von den Medien, den Zeitungen, vom Internet, oder vom Radio ständig neue Katastrophen bekommt, und es ist sehr, sehr schwer, diese Katastrophen für einen selbst auseinanderzuhalten, weil man hat auf der anderen Seite sein Dorf, von wo man kommt, dort kommen natürlich auch die Katastrophenmeldungen, hat aber auf der anderen Seite die großen Bilder von den Zeitungen, und man befürchtet ständig, was ist, wenn mein Dorf genauso betroffen ist.

    Meurer: Allein in Hamburg, Herr Schlottmann, leben 5000 Philippinos, wenn ich richtig informiert bin. Wie stark ist der Zusammenhalt untereinander grundsätzlich und jetzt in dieser Situation?

    Schlottmann: Sehr groß. Normalerweise sind wir Philippinos ja sehr gemeinschaftliche Menschen und jeder kennt die Probleme von dem anderen mehr oder weniger. Man tauscht sich sehr viel aus, was dort drüben passiert, und hier ist auch ein gewisser Zusammenhalt schon immer entstanden.

    Meurer: Wie beeindruckt Sie oder wie nehmen Sie wahr die Berichterstattung hier bei uns in den Medien, die Anteilnahme, die es in Deutschland gibt am Schicksal Ihrer Landsleute?

    Schlottmann: Nun, es freut mich sehr! Vor einigen Wochen hatten wir ein Erdbeben in den südlichen Regionen, darüber wurde nicht viel informiert. Jetzt auf der anderen Seite, bei so einer großen Naturgewalt, freut es mich doch sehr, dass in den Medien eine große Berichterstattung stattfindet und die Aufmerksamkeit doch auch eher in diese Region hingeht.

    Meurer: Peter Schlottmann ist der Sprecher der philippinischen Gemeinden in Norddeutschland, versucht, mit anderen zusammen den Landsleuten zu helfen. Herr Schlottmann, besten Dank und auf Wiederhören nach Hamburg.

    Schlottmann: Vielen, vielen Dank auch.


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