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"Es wäre ungerecht, in Deutschland eine Pkw-Maut einzuführen"

Der deutsche Autofahrer zahle bereits sehr hohe Abgaben, sagt ADAC-Sprecher Otto Saalmann. Er fordert eine bundeseigene Finanzierungsgesellschaft, die Einnahmen aus Mineralöl-, Öko- und Kfz-Steuer zweckgebunden für Straßenbauinvestitionen einsetzt.

Otto Saalmann im Gespräch mit Silvia Engels | 05.10.2011
    Silvia Engels: Die Vignette in Österreich stellte uns Jörg Paas vor, und zugeschaltet ist uns Otto Saalmann, er ist einer der Sprecher des ADAC, also des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs, das ist ja der Verein mit gut 17 Millionen Mitgliedern, der sich als größte Interessenvertretung für deutsche Autofahrer begreift. Guten Morgen, Herr Saalmann!

    Otto Saalmann: Schönen guten Morgen, hallo!

    Engels: Der ADAC hat ja schon einen früheren Vorstoß für eine Pkw-Maut von Herrn Ramsauer abgelehnt. Warum, wenn es doch in Österreich funktioniert?

    Saalmann: Es wäre ungerecht, hier in Deutschland eine Pkw-Maut einzuführen, denn der Autofahrer, der ist belastet genug. Wir zahlen sehr, sehr hohe Abgaben insgesamt, nehmen wir mal an, wir haben Mineralölsteuer, wir haben Kfz-Steuer, wir haben die Ökosteuer, wir haben die anteilige Mehrwertsteuer darauf – das Ganze spült jedes Jahr etwa 51 Milliarden in die Taschen des Fiskus. Davon werden aber nur 17 Milliarden für Straßenbau und Straßenerhalt ausgegeben. Das heißt, das Geld wäre da, es fehlt bloß der Wille an der richtigen Verteilung.

    Engels: Aber schauen wir dann auf die Steuerbelastung: Nun plant ja Herr Ramsauer, dass er sich eine Kompensation der deutschen Autofahrer über die Kfz-Steuer durchaus vorstellen könnte, das heißt, hier eine Entlastung. Zahlen würden dann am Ende vor allen Dingen die ausländischen Verkehrsteilnehmer, die Deutschland vielfach als Transitland nutzen. Ist da nicht was dran, da auch einmal etwas von den Teilnehmern einzutreiben?

    Saalmann: Das Argument, das zieht nicht, denn man muss sich mal überlegen, dass der Pkw-Bestand und der ... unser Land als Transitland, benutzt von ausländischen Fahrern, etwa fünf Prozent im Jahr beträgt, fünf Prozent, das bedeutet: Jetzt hier eine Maut einzuführen, um dafür zu sorgen, dass eben ausländische Fahrer auch zahlen müssen, das würde im Endeffekt mehr kosten, als es einbringt, mal ganz davon abgesehen, dass die ausländischen Fahrer durchaus ihren Teil zahlen. Nehmen wir mal an, der Niederländer, der bei uns durchfährt, der wird bei uns tanken, weil es bei uns a) billiger ist, zu tanken, und b) weil er es nicht schafft, wenn er zum Beispiel nach Österreich will. Und das heißt, er bringt seine Wegekosten im Grunde genommen schon zu etwa 200 Prozent wieder ein.

    Engels: Sie sagen, die Erhaltung von Straßen und Brücken sei nun mal eine öffentliche Aufgabe und irgendwie müsse der Staat das regeln, aber wie würden Sie denn dann den Milliardenbedarf tatsächlich aufbringen, wenn Herr Ramsauer sagt, es geht nicht anders?

    Saalmann: Die Milliarden sind ja da. Ich habe ja gerade gesagt: 51 Milliarden kommen bereits vom Autofahrer, und nur 17 werden verwendet. Wir haben schon vor Jahren den Vorschlag gemacht, Gründung einer bundeseigenen Fernstraßenfinanzierungsgesellschaft, also das Prinzip: Auto finanziert Straße – das heißt, Mauteinnahmen haben wir von der Lkw-Maut, Mineralölsteuereinnahmen haben wir auch, das sollte effizient zweckgebunden eingesetzt werden für Straßenbauinvestitionen –, das heißt, eine Gesellschaft, die zu 100 Prozent auch im Besitz des Bundes verbleibt. Und damit hätten wir eigentlich im Grunde genommen die Lösung, zweckgebunden für Straßenbau, Straßenerhalt, also das Prinzip Auto finanziert Straße.

    Engels: Aber Steuern werden in Deutschland nun einmal nicht zweckgebunden erhoben, und eigentlich argumentieren Sie ja wie Herr Ramsauer, der sagt: Wenn man es macht wie in Österreich, dass man eine Gesellschaft speziell mit der Eintreibung des Geldes über diese Vignette beauftragt, die dann zweckgebunden das Geld in den Verkehr steckt, dann hat man eine sichere Finanzierungsquelle – das sei besser, als über die eben nicht zweckbindbaren Steuern. Da gehen Sie nicht mit?

    Saalmann: Da gehen wir nicht mit, denn es ist ja klar: Wir haben bereits Einnahmen aus der Lkw-Maut, wir haben Einnahmen aus der Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und so weiter und so fort, das heißt: Der Autofahrer, der zahlt im Grunde genommen genug. Würden wir jetzt noch eine Vignette draufsatteln, dann würde der Autofahrer etwas bezahlen, was er eigentlich schon bezahlt hat. Und das es hier Nachlässe geben soll wie eben Kfz-Steuer, ist illusorisch, also das können wir uns nicht vorstellen, dass hier wirklich an der Kfz-Steuer gedreht wird, die ist ja gerade erst umgemodelt worden als Lenkungsinstrument auch eben, um schadstoffarme Autos zu entlasten. Also das sind so Dinge, da kann ich nicht dran glauben, denn es ist noch keine Steuer, die in Deutschland jemals eingesetzt worden ist, auch jemals wieder abgeschafft worden.

    Engels: Auf der anderen Seite ist es ja so, dass derzeit über das Straßennetz und die Brücken und all das, was instand gehalten werden muss, auch die herangezogen werden, die Steuern zahlen, aber gar keine Autofahrer sind. Ist denn das gerecht?

    Saalmann: Es reicht ja eigentlich ... Es reichen die Einnahmen, die der Autofahrer zahlt. Dafür reicht dieses Geld. Ich kann es nur noch mal wiederholen: Es sind über 50 Milliarden, die von Kraftfahrern eingehen. Das sollte bloß vernünftig verteilt werden.

    Engels: Das sind die Erhebungen – wir sprachen darüber –, die eben über die Steuern noch nicht gebunden werden können. Können Sie sich denn in irgendeiner Form eine Abgabe vorstellen, möglicherweise auch kompensiert eben durch Steuerreduzierung an anderer Stelle, die gestaffelt eingeführt würden? Denn ein weiterer Kritikpunkt an einer Maut ist ja, dass es ungerecht zuginge, weil dann die PS-starken Fahrer oder eben diejenigen, die viel fahren, auch mehr zahlen sollten.

    Saalmann: Egal wie eine Vignette, eine Maut aussehen sollte – wir können uns da gar keine vorstellen, nicht nach diesen Bedingungen. Natürlich, wenn man sagt, das Ganze wird aufkommensneutral gehalten, ja, aber das ist eine Sache, die dürfte wirklich illusorisch sein. Das wird so nicht passieren. Aus diesem Grund ist eine Maut von uns auf jeden Fall abzulehnen.

    Engels: Nun, für den ADAC ist das natürlich ein klarer Standpunkt, der auch nicht weiter überrascht, weil Sie natürlich jede Belastung der Autofahrer minimieren wollen. Auf der anderen Seite sagt Herr Ramsauer, es ist eben nicht so einfach, die Finanzierung sicherzustellen, und da ist er nicht alleine. Sie sagen, das Geld sei an anderer Stelle da, aber haben Sie auch einen konstruktiven Vorschlag, um hier jetzt schnell zu mehr Geld zu kommen, wenn Herr Ramsauer sagt, das Geld ist nicht verfügbar, wie Sie sagen?

    Saalmann: Das Geld ist seit Langem verfügbar, sollte seit Langem verfügbar sein, und hätte, sagen wir mal, die Regierung auf unseren Vorschlag ... wäre sie darauf eingegangen, dass man wirklich dieses System eingeführt hätte, dass man sagt, wir nehmen eben die Mineralölsteuereinnahmen, wir nehmen eben die Mauteinnahmen aus der Lkw-Maut und gründen hier eine Fernstraßenfinanzierungsgesellschaft, dann wäre das alles kein großes Problem.

    Engels: Der Vorschlag von Verkehrsminister Ramsauer, per Pkw-Maut die Einnahmen für Verkehrssanierungen deutlich zu erhöhen, stößt beim ADAC auf wenig Gegenliebe. Wir sprachen mit Otto Saalmann, er ist der Sprecher, einer der Sprecher des ADAC. Vielen Dank für das Gespräch!

    Saalmann: Danke auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.