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"Es war für mich zuerst einfach nur eine weitere Geschichte"

Als der Fotograf Harry Benson 1964 den Auftrag bekam, die Beatles in Paris zu treffen, war es für ihn zunächst ein Job wie jeder andere. Bis 1966 traf er die "Fab Four" immer wieder. Jetzt, fast 50 Jahre später, erscheint sein Bildband "Harry Benson - The Beatles 1964 - 1966".

31.07.2012
    Knut Benzner: Mr.Benson, Sie sind im Augenblick in Hamburg. Hamburg war ein besonderer Ort für die Beatles.

    Harry Benson: Ja, das war er. Ich wäre damals Anfang der 60er gerne hier gewesen, war es aber nicht. Sie sprachen sehr warm über Hamburg, das war die Stadt, in der sie zusammen fanden, zusammen im Leben, hier erfuhren sie, dass sie eine Band waren. Sie hatten viele gute Gefühle über Hamburg.

    Benzner: Sie trafen sie 1964, sie arbeiteten in London für eine Tageszeitung.

    Benson: Ja, für eine Tageszeitung. Und ich wollte diese Arbeit zuerst gar nicht. Ich war auf dem Weg nach Afrika, ich betrachtete mich als Bildjournalist und war an einer Geschichte über die afrikanische Unabhängigkeit, Kenia, Uganda, Tanganjika, Sansibar. Ich hatte meine Sachen zusammen – und mitten in der Nacht klingelte das Telefon. Man sagte mir: Wir möchten, dass Du morgen früh nach Paris gehst, mit den Beatles. Ich sagte ihnen, wo ich hin wollte, sie sagten, o.k., Harry, wir verstehen – und legten auf. Fünf Minuten später klingelte das Telefon wieder. Der Verleger. Er sagte nichts von den Beatles, er sagte nur: Harry, Sie gehen nach Paris. Wissen Sie, ich war nicht glücklich damit, ich war überhaupt nicht glücklich, aber ich war in einem Beruf, in dem man das macht, was man gesagt bekommt. Bei einer Tageszeitung tut man das, was man gesagt bekommt.

    Benzner: Danach waren Sie zwei Jahre mit ihnen zusammen.

    Benson: Immer mal wieder. Mit Unterbrechungen von einem Monat. Ich kam in die USA, arbeitete dort für das Magazin "Life", fotografierte die Bürgerrechtsbewegung, die US-amerikanischen Präsidenten, Martin Luther King, Robert Kennedy, als er erschossen wurde 1968. Ich spreche eigentlich nur durch meine Fotografien.

    Benzner: Lassen Sie uns bitte noch einen Augenblick bei den Beatles bleiben. Dann reden wir gerne über die anderen Dinge, die Sie gemacht haben. Die Beatles: Sie waren jung, sie sahen gut aus, ihre Musik war wunderbar, ich meine, waren Sie interessiert an Beat-Musik, wie man das nannte, kannten Sie die Beatles überhaupt vorher?

    Benson: Nein. Entschuldigung, ich habe ein Keks im Mund. Nein, ich kannte sie nicht. Aber egal – es war für mich zuerst einfach nur eine weitere Geschichte, eine Nachrichtengeschichte. Tagesgeschäft.

    Benzner: Die Beatles haben 13 LPs gemacht, auf jeder LP sind 10, 12 Lieder. Alles in allem 140, 150 Songs, die es von ihnen gibt. Nicht mehr. Welches Lied mögen Sie am liebsten?

    Benson: "All My Loving". Dieses Lied hat mein Leben verändert, weil ich mit ihm unterwegs in die USA war. Ein wunderbares Lied, immer noch. Fröhlich. Ich meine, "Hey Jude" - auch gut, aber "All My Loving", wunderbar.

    Benzner: Vielleicht ist die nächste Frage verrückt, vielleicht zu einfach: Wie waren sie, die Beatles?

    Benson: Sie waren wunderbar, sie hatten Freude, sie hatten Spaß. Alles, was sie anfassten, wurde zu Gold. Jeder Song war besser als der davor, so waren sie.

    Benzner: Ihr Buch liegt neben uns, und wenn man sich Ihre Bilder ansieht - die vier lachten immer. Sie lachen auf den Bildern, sie lachen in ihren Kinofilmen.

    Benson: Ja, sie lachten. Wir nahmen das, was wir machten, nicht allzu ernst. Ihre Musik nahmen sie sehr ernst. Sie gingen nicht gekünstelt durch die Gegend, sie fühlen sich nicht bedeutend. Macht das Sinn' Sie waren ansprechbar, zugänglich. Es war so charmant.

    Benzner: Sie waren 1964 bis 1966 mit ihnen zusammen und nun, 2012, fast 50 Jahre später, 46 Jahre später, erscheint Ihr Buch.

    Benson: 50 Jahre – das ist eine Lebenszeit. Eine lange Zeit, und die Beatles sind immer noch mit uns, die Musik ist immer noch da, deswegen sprechen Sie mit mir, deswegen spreche ich mit Ihnen. Und der Verlag erinnert sich mit meinem Buch an die Beatles, bevor sie auseinander gingen, bevor sie dieses machten oder das, bevor Paul mit den Wings zusammen war – auch eine gute Band, aber eben nicht die Beatles. Es ist jetzt die richtige Zeit für das Buch, man hört ihre Musik überall. Wenn Sie in ein Restaurant gehen, in einer Bar. Das ist doch so, oder?

    Benzner: Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?

    Benson: Das letzte Mal? In Chicago, 1966? Nein, nein, 1967, als sie einen Film machten und im Studio waren. Wissen Sie, ich war nie ein Rock-and-Roll-Fotograf. O.k., ich habe Fotos von den Rolling Stones gemacht und von The Who und Michael Jackson. Aber nach den Beatles? Wer will dann zum Beispiel Hall & Oats fotografieren?

    Benzner: Sie haben vieles, vieles andere fotografiert.

    Benson: Ja. Das war mein Leben. Das war einfach mein Leben.

    Benzner: Sie waren dabei, Sie erwähnten es, als Robert Kennedy, der Präsidentschaftskandidat, 1968 in Los Angeles erschossen wurde.

    Benson: Ja, ich begleitete seine Wahlkampagne. Wir reisten von Bundesstaat zu Bundesstaat und beendeten die Kampagne in Los Angeles. Ich wollte zu der Veranstaltung, auf der er sprach, gar nicht hin. Ich ging. Alle applaudierten, ich wollte gehen, und kam den Weg, den ich nehmen wollte, nicht durch, die Veranstaltung war überfüllt. Also machte ich das, was ich die ganze Zeit gemacht hatte: Ich folgte dem Kandidaten, ich folgte Bobby. Er war auf der Bühne, und als er herunter kam ... Ich folgte ihm, und dann sah ich einen anderen Weg, den ich nehmen wollte. Ich war links von ihm – ein Mädchen rief "Bobby for President". Dann geschah etwas, ich wusste sofort, was passiert war: Ein Attentat. Bobby fiel auf den Boden, Blut floss, er war hinter dem Ohr getroffen worden. Die Menschen schrien.. Noch mal: Ich spreche durch meine Fotografien, ich habe Fotografien, die das zeigen. Das war einer der Tage, an dem man nicht scheitern durfte. Lass' mich morgen scheitern, ab er nicht heute.

    Benzner: Die Fotografie hat sich völlig verändert. Sie haben mit einer Siegelreflex- und mit einer 35-Millimeter-Kamera gearbeitet. Heute ist alles digital.

    Benson: Das ist es. Jedoch: Ich bin froh, dass ich meine Karriere davor hatte – auf Film. Wenn ich an Fotografie denke, denke ich an Schwarz-Weiß. Wenn Sie jemanden fragen, welche Fotos er mag, wird er antworten: Schwarz-Weiß. Schwarz-Weiß. Seit Hunderten von Jahren malen Maler farbig – zur Fotografie gehört Schwarz/Weiß.

    Harry Benson - The Beatles 1964 - 1966
    Taschen Verlag, 272 Seiten, 500 Euro