Tobias Armbrüster: Niemand oder kaum jemand, können wir sagen, hat sie in seiner Schulzeit jemals gemocht: die Hausaufgaben. Hausaufgaben machen, das ist für Schüler seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten der Freizeitkiller Nummer eins. In den letzten Jahren melden sich nun immer häufiger Pädagogen zu Wort, die sagen, Hausaufgaben sind eigentlich kontraproduktiv. Es spreche einiges dafür, sie abzuschaffen und Schüler von dieser Last zu befreien. Einer von ihnen ist der Siegener Grundschulpädagoge Professor Hans Brügelmann. Schönen guten Morgen!
Hans Brügelmann: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Brügelmann, man lernt morgens in der Schule und übt das Gelernte dann am Nachmittag bei den Hausaufgaben. Was kann daran schlecht sein?
Brügelmann: Na ja, wenn das wirklich aufeinander bezogen ist und wenn die Dinge, die man eben nicht durch Erklären oder durch gemeinsames Diskutieren lernt, sondern nehmen Sie mal die Vokabeln in der Fremdsprache, oder nehmen Sie einen Grundwortschatz in der Rechtschreibung, oder das Einmaleins, was man wirklich nur durch Üben sich einprägen kann, wenn das auf den Nachmittag verlegt wird und einen Rückbezug hat dann am nächsten Tag wieder in der Schule, dann ist das sicher nicht zu verurteilen. Die Frage ist nur, wie die Praxis aussieht, und da wissen wir, dass es oft so ist, es werden Hausaufgaben gegeben, weil man welche geben muss, oder weil man gerade im Unterricht nicht fertig geworden ist, wird das Ende den Kindern mit nach Hause gegeben, sie sollen es am Nachmittag selber machen, und das macht keinen Sinn.
Armbrüster: Was genau ist denn daran schlecht? Warum macht das keinen Sinn?
Brügelmann: Weil die Schule ja dazu da ist, dass sie den Schülerinnen und Schülern hilft, dass sie Dinge verstehen, die sie noch nicht kennen. Und wenn wir das nun auf den Nachmittag verlagern, dann kommt es darauf an, ob die Kinder zu Hause das Glück haben, dass da eine Nachhilfe-Mutti sitzt, die Zeit hat und die auch aufgrund ihrer eigenen Ausbildung in der Lage ist, dem Kind zu helfen. Und das bedeutet, dass am Nachmittag die soziale Schere wieder auseinandergeht, die wir ja gerade versuchen, am Vormittag in der Schule, wo wir alle Kinder zusammenholen und gemeinsam unterrichten, zu schließen.
Armbrüster: Das heißt, am Nachmittag bei den Hausaufgaben zeigt sich, wer wirklich sozial benachteiligt ist?
Brügelmann: Ja, das schlägt einfach durch. Das fängt beim Arbeitsplatz an, das geht weiter über die Ruhe, die man hat, und drittens vor allem im Blick auf die Unterstützung, wobei es so ist, dass diese Unterstützung auch wiederum kontraproduktiv sein kann, wenn wir diese, wie man so schön sagt, Hubschraubereltern hat, die über den Kindern kreisen und ihnen nicht den Freiraum geben. Denn das ist ja eigentlich ein ganz wesentlicher Sinn von Hausaufgaben, dass Kinder lernen, sich selbstständig zu organisieren. In der Schule wird ja der Unterricht oder das Lernen vom Lehrer organisiert, und wenn das jetzt am Nachmittag von den Eltern fortgesetzt wird, dann geht eigentlich ein Pfiff verloren, der in den Hausaufgaben stecken könnte, nämlich dass die Kinder sich selber klar machen, was muss ich lernen, wie lerne ich das, wo habe ich Schwierigkeiten dabei und wie bewältige ich die.
Armbrüster: Aber gehen Sie da jetzt nicht von einer schönen idealen Welt aus? Häufig sieht es doch so aus, dass die Kinder, wenn sie keine Hausaufgaben auf haben, den Nachmittag möglicherweise vor der PlayStation oder dem Computer verbringen.
Brügelmann: Ja wir wollen jetzt nicht Medienschelte betreiben, denn erstens ist es so, dass die Kinder, wenn sie irgend können, mit Freunden zusammen spielen, und zweitens ist die Vielfalt der Aktivitäten im Regelfall so groß, dass die Kinder davon ja auch wesentliche Lernerfahrungen mitnehmen. Wir müssen auch aufpassen, dass zum Beispiel angesichts von G8 und ähnlichen Verdichtungen der Arbeit in der Schule den Kindern nicht auch noch die Freizeit genommen wird, in der sie eigene Erkundungen machen und die Welt vielleicht auch mit den Eltern gemeinsam sich erobern, aber dann nicht bezogen auf irgendwelche Arbeitshefte, sondern indem man gemeinsam bastelt, spielt, rausgeht, ein Museum besucht oder was weiß ich.
Armbrüster: Das heißt, Sie würden Eltern, die ihre Kinder gerne am Nachmittag fördern möchten, raten, bitte nichts, was irgendwie mit Schulheften oder Schulbüchern zu tun hat, macht mit den Kindern was anderes?
Brügelmann: Richtig. Macht ein Programm, in dem die Kinder Facetten des Lebens kennenlernen, die in der Schule unterbelichtet sind, zum Beispiel in die Natur hinausgehen. Die Schule ist einfach eingemauert und das sind ganz wichtige Erfahrungen, die nicht viel kosten, die man machen kann, indem man mit den Kindern an einen Fluss geht, mit ihnen in den Wald geht oder Ähnliches, vielleicht auch in den Zoo.
Armbrüster: Was muss sich denn in der Schule ändern, damit so was funktioniert?
Brügelmann: Ganz wesentlich ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer mit den Eltern darüber sprechen, was ihre Idee ist, wenn sie Hausaufgaben geben. Das kann ja auch ganz anders sein, als Sie vorhin gesagt haben. Es gibt ja nicht nur nachbereitende Aufgaben, sondern manchmal geben Lehrer auch vorbereitende Hausaufgaben. Das heißt, sie lassen die Kinder etwas zu Hause selbst erkunden, indem sie was ausprobieren oder in Büchern was nachlesen, und wenn die das am nächsten Morgen aufnehmen, um darauf ihren Unterricht aufzubauen, dann ist es ganz wichtig, dass Eltern klar ist, die Kinder sollen am Nachmittag keine perfekten Lösungen produzieren. Wichtig ist, dass die Lehrer und Eltern sich miteinander abstimmen, sodass beide Seiten wissen, was ihr Part ist.
Armbrüster: Wie viel Hoffnung haben Sie denn, dass sich so etwas in den Schulen durchsetzt, ein solches Denken?
Brügelmann: Das ist wie in allen Lebensbereichen. Wir haben etwa ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer, die so was mit den Eltern gemeinsam bedenken, aber es gibt Schulen, die das machen, und ich denke, das ist auch ein Vorbild für Eltern, dass sie in ihrer Schule nachfragen, dass sie sagen, wir wollen auf dem Elternabend mit ihnen darüber sprechen, wir merken, dass unsere Kinder sehr lange daran sitzen. Das ist ja auch ein Problem, wie unterschiedlich lange Kinder an denselben Hausaufgaben sitzen. Und das andere ist natürlich, dass man überlegen muss, ob man nicht von der Schulpolitik her im Hinblick auf Entwicklung der Ganztagsschule sich stärker engagiert, gerade um auch dieses Problem der nachmittäglichen sozialen Schere aufzufangen. Aber dann wäre es auch wichtig, dass diese Ganztagsschule Räume lässt, in denen die Schülerinnen und Schüler auch lernen, selbstständig zu arbeiten. Das heißt, dass sie dann nicht auch ständig unter Kontrolle der Lehrer sind, sondern wie etwa in der Freiarbeit, die in vielen Grundschulen praktiziert wird, es klare Aufgaben gibt, die Schüler sich vorzunehmen haben, die sie dann aber auch selbstständig erledigen.
Armbrüster: Herr Professor Brügelmann, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, sagen Sie, die Ganztagsschule ist eigentlich die beste Lösung für alle Schüler?
Brügelmann: Wenn sie richtig gemacht wird, und das fällt an vielen Orten schwer, weil einfach das Geld fehlt, und dann kann ich verstehen, wenn Eltern sagen, es wäre mir eigentlich lieber, mein Kind wäre zu Hause. Aber ich denke, das ist ein Grundproblem von Schule überhaupt. Manche Eltern können sagen, ich könnte das meinem Kind alles besser beibringen, andere Eltern haben diese Möglichkeit nicht, und wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der es auch wichtig ist, dass Kinder aus verschiedenen sozialen Bereichen lernen, miteinander zu leben. Auch das ist eine Aufgabe von Schule. Und deshalb denke ich ja, Ganztagsschule, in der es nicht nur darum geht, dass man hinter Büchern sitzt und im Gleichtakt durch irgendwelche Aufgaben marschiert, das wäre die Perspektive.
Armbrüster: Wir kommen noch mal kurz zurück zu den Hausaufgaben. Was wollen Sie denn mit Schülern machen, die im Stoff deutlich hinterherhinken, die definitiv noch Förderung brauchen? Die müssen ja am Nachmittag irgendetwas tun, um das aufzuholen.
Brügelmann: Da sind wir jetzt bei einem anderen Thema, nämlich bei der Frage von Nachhilfe und auch bei der Frage, ob in der Schule alle Kinder oder alle Jugendlichen immer zum selben Zeitpunkt dasselbe erreichen müssen. Wir wissen, dass die Schüler schon am Schulanfang drei bis vier durchschnittliche Entwicklungsjahre auseinander sind, und das hat dazu geführt, dass in vielen Schulen die Lernziele modularisiert werden, das heißt, dass es Aufgabenbereiche gibt, die sich Schüler nacheinander vornehmen, wo sie aber zu unterschiedlichen Zeiten dran arbeiten. Und dann haben wir das Problem nicht mehr, dass sie zum gleichen Zeitpunkt dieselbe Arbeit abgeben müssen, und das führt auch dazu, dass unter den Schülern sehr viel mehr passiert. Man unterschätzt, glaube ich, ganz stark, wie viele Kinder voneinander lernen, und die Schule so zu organisieren, das wäre eigentlich die Alternative zu einer Belehrungsanstalt, wie wir sie früher hatten.
Armbrüster: Das Konzept von Hausaufgaben sollte noch einmal gründlich überarbeitet werden, sagt hier heute Morgen im Deutschlandfunk der Siegener Grundschulpädagoge Professor Hans Brügelmann. Besten Dank, Herr Brügelmann, für dieses Gespräch.
Brügelmann: Ich danke auch Ihnen, Herr Armbrüster.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hans Brügelmann: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Brügelmann, man lernt morgens in der Schule und übt das Gelernte dann am Nachmittag bei den Hausaufgaben. Was kann daran schlecht sein?
Brügelmann: Na ja, wenn das wirklich aufeinander bezogen ist und wenn die Dinge, die man eben nicht durch Erklären oder durch gemeinsames Diskutieren lernt, sondern nehmen Sie mal die Vokabeln in der Fremdsprache, oder nehmen Sie einen Grundwortschatz in der Rechtschreibung, oder das Einmaleins, was man wirklich nur durch Üben sich einprägen kann, wenn das auf den Nachmittag verlegt wird und einen Rückbezug hat dann am nächsten Tag wieder in der Schule, dann ist das sicher nicht zu verurteilen. Die Frage ist nur, wie die Praxis aussieht, und da wissen wir, dass es oft so ist, es werden Hausaufgaben gegeben, weil man welche geben muss, oder weil man gerade im Unterricht nicht fertig geworden ist, wird das Ende den Kindern mit nach Hause gegeben, sie sollen es am Nachmittag selber machen, und das macht keinen Sinn.
Armbrüster: Was genau ist denn daran schlecht? Warum macht das keinen Sinn?
Brügelmann: Weil die Schule ja dazu da ist, dass sie den Schülerinnen und Schülern hilft, dass sie Dinge verstehen, die sie noch nicht kennen. Und wenn wir das nun auf den Nachmittag verlagern, dann kommt es darauf an, ob die Kinder zu Hause das Glück haben, dass da eine Nachhilfe-Mutti sitzt, die Zeit hat und die auch aufgrund ihrer eigenen Ausbildung in der Lage ist, dem Kind zu helfen. Und das bedeutet, dass am Nachmittag die soziale Schere wieder auseinandergeht, die wir ja gerade versuchen, am Vormittag in der Schule, wo wir alle Kinder zusammenholen und gemeinsam unterrichten, zu schließen.
Armbrüster: Das heißt, am Nachmittag bei den Hausaufgaben zeigt sich, wer wirklich sozial benachteiligt ist?
Brügelmann: Ja, das schlägt einfach durch. Das fängt beim Arbeitsplatz an, das geht weiter über die Ruhe, die man hat, und drittens vor allem im Blick auf die Unterstützung, wobei es so ist, dass diese Unterstützung auch wiederum kontraproduktiv sein kann, wenn wir diese, wie man so schön sagt, Hubschraubereltern hat, die über den Kindern kreisen und ihnen nicht den Freiraum geben. Denn das ist ja eigentlich ein ganz wesentlicher Sinn von Hausaufgaben, dass Kinder lernen, sich selbstständig zu organisieren. In der Schule wird ja der Unterricht oder das Lernen vom Lehrer organisiert, und wenn das jetzt am Nachmittag von den Eltern fortgesetzt wird, dann geht eigentlich ein Pfiff verloren, der in den Hausaufgaben stecken könnte, nämlich dass die Kinder sich selber klar machen, was muss ich lernen, wie lerne ich das, wo habe ich Schwierigkeiten dabei und wie bewältige ich die.
Armbrüster: Aber gehen Sie da jetzt nicht von einer schönen idealen Welt aus? Häufig sieht es doch so aus, dass die Kinder, wenn sie keine Hausaufgaben auf haben, den Nachmittag möglicherweise vor der PlayStation oder dem Computer verbringen.
Brügelmann: Ja wir wollen jetzt nicht Medienschelte betreiben, denn erstens ist es so, dass die Kinder, wenn sie irgend können, mit Freunden zusammen spielen, und zweitens ist die Vielfalt der Aktivitäten im Regelfall so groß, dass die Kinder davon ja auch wesentliche Lernerfahrungen mitnehmen. Wir müssen auch aufpassen, dass zum Beispiel angesichts von G8 und ähnlichen Verdichtungen der Arbeit in der Schule den Kindern nicht auch noch die Freizeit genommen wird, in der sie eigene Erkundungen machen und die Welt vielleicht auch mit den Eltern gemeinsam sich erobern, aber dann nicht bezogen auf irgendwelche Arbeitshefte, sondern indem man gemeinsam bastelt, spielt, rausgeht, ein Museum besucht oder was weiß ich.
Armbrüster: Das heißt, Sie würden Eltern, die ihre Kinder gerne am Nachmittag fördern möchten, raten, bitte nichts, was irgendwie mit Schulheften oder Schulbüchern zu tun hat, macht mit den Kindern was anderes?
Brügelmann: Richtig. Macht ein Programm, in dem die Kinder Facetten des Lebens kennenlernen, die in der Schule unterbelichtet sind, zum Beispiel in die Natur hinausgehen. Die Schule ist einfach eingemauert und das sind ganz wichtige Erfahrungen, die nicht viel kosten, die man machen kann, indem man mit den Kindern an einen Fluss geht, mit ihnen in den Wald geht oder Ähnliches, vielleicht auch in den Zoo.
Armbrüster: Was muss sich denn in der Schule ändern, damit so was funktioniert?
Brügelmann: Ganz wesentlich ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer mit den Eltern darüber sprechen, was ihre Idee ist, wenn sie Hausaufgaben geben. Das kann ja auch ganz anders sein, als Sie vorhin gesagt haben. Es gibt ja nicht nur nachbereitende Aufgaben, sondern manchmal geben Lehrer auch vorbereitende Hausaufgaben. Das heißt, sie lassen die Kinder etwas zu Hause selbst erkunden, indem sie was ausprobieren oder in Büchern was nachlesen, und wenn die das am nächsten Morgen aufnehmen, um darauf ihren Unterricht aufzubauen, dann ist es ganz wichtig, dass Eltern klar ist, die Kinder sollen am Nachmittag keine perfekten Lösungen produzieren. Wichtig ist, dass die Lehrer und Eltern sich miteinander abstimmen, sodass beide Seiten wissen, was ihr Part ist.
Armbrüster: Wie viel Hoffnung haben Sie denn, dass sich so etwas in den Schulen durchsetzt, ein solches Denken?
Brügelmann: Das ist wie in allen Lebensbereichen. Wir haben etwa ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer, die so was mit den Eltern gemeinsam bedenken, aber es gibt Schulen, die das machen, und ich denke, das ist auch ein Vorbild für Eltern, dass sie in ihrer Schule nachfragen, dass sie sagen, wir wollen auf dem Elternabend mit ihnen darüber sprechen, wir merken, dass unsere Kinder sehr lange daran sitzen. Das ist ja auch ein Problem, wie unterschiedlich lange Kinder an denselben Hausaufgaben sitzen. Und das andere ist natürlich, dass man überlegen muss, ob man nicht von der Schulpolitik her im Hinblick auf Entwicklung der Ganztagsschule sich stärker engagiert, gerade um auch dieses Problem der nachmittäglichen sozialen Schere aufzufangen. Aber dann wäre es auch wichtig, dass diese Ganztagsschule Räume lässt, in denen die Schülerinnen und Schüler auch lernen, selbstständig zu arbeiten. Das heißt, dass sie dann nicht auch ständig unter Kontrolle der Lehrer sind, sondern wie etwa in der Freiarbeit, die in vielen Grundschulen praktiziert wird, es klare Aufgaben gibt, die Schüler sich vorzunehmen haben, die sie dann aber auch selbstständig erledigen.
Armbrüster: Herr Professor Brügelmann, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, sagen Sie, die Ganztagsschule ist eigentlich die beste Lösung für alle Schüler?
Brügelmann: Wenn sie richtig gemacht wird, und das fällt an vielen Orten schwer, weil einfach das Geld fehlt, und dann kann ich verstehen, wenn Eltern sagen, es wäre mir eigentlich lieber, mein Kind wäre zu Hause. Aber ich denke, das ist ein Grundproblem von Schule überhaupt. Manche Eltern können sagen, ich könnte das meinem Kind alles besser beibringen, andere Eltern haben diese Möglichkeit nicht, und wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der es auch wichtig ist, dass Kinder aus verschiedenen sozialen Bereichen lernen, miteinander zu leben. Auch das ist eine Aufgabe von Schule. Und deshalb denke ich ja, Ganztagsschule, in der es nicht nur darum geht, dass man hinter Büchern sitzt und im Gleichtakt durch irgendwelche Aufgaben marschiert, das wäre die Perspektive.
Armbrüster: Wir kommen noch mal kurz zurück zu den Hausaufgaben. Was wollen Sie denn mit Schülern machen, die im Stoff deutlich hinterherhinken, die definitiv noch Förderung brauchen? Die müssen ja am Nachmittag irgendetwas tun, um das aufzuholen.
Brügelmann: Da sind wir jetzt bei einem anderen Thema, nämlich bei der Frage von Nachhilfe und auch bei der Frage, ob in der Schule alle Kinder oder alle Jugendlichen immer zum selben Zeitpunkt dasselbe erreichen müssen. Wir wissen, dass die Schüler schon am Schulanfang drei bis vier durchschnittliche Entwicklungsjahre auseinander sind, und das hat dazu geführt, dass in vielen Schulen die Lernziele modularisiert werden, das heißt, dass es Aufgabenbereiche gibt, die sich Schüler nacheinander vornehmen, wo sie aber zu unterschiedlichen Zeiten dran arbeiten. Und dann haben wir das Problem nicht mehr, dass sie zum gleichen Zeitpunkt dieselbe Arbeit abgeben müssen, und das führt auch dazu, dass unter den Schülern sehr viel mehr passiert. Man unterschätzt, glaube ich, ganz stark, wie viele Kinder voneinander lernen, und die Schule so zu organisieren, das wäre eigentlich die Alternative zu einer Belehrungsanstalt, wie wir sie früher hatten.
Armbrüster: Das Konzept von Hausaufgaben sollte noch einmal gründlich überarbeitet werden, sagt hier heute Morgen im Deutschlandfunk der Siegener Grundschulpädagoge Professor Hans Brügelmann. Besten Dank, Herr Brügelmann, für dieses Gespräch.
Brügelmann: Ich danke auch Ihnen, Herr Armbrüster.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.