Das Publikum in Berlin störte das offenbar nicht: Das Stück wurde begeistert gefeiert. Regisseur Fritsch hatte schon vorab auf einen Vorteil verwiesen: Probleme mit Texthängern musste er nicht fürchten.
Hübsche Muster ziehen sich über vergilbtes Papier. Blöcke, Spalten und Zeilen, die sich gut als grafische Vorlagen etwa für Textilmuster zum Beispiel von Regionalzügen verwenden ließen. Der Grundbaustein ist das Wort "Murmel" das sich hier zu Strukturen verwebt, die in der konkreten Poesie des Grafikers und Aktionskünstler Dieter Roth als Theaterstück für elf Figuren gedacht wurde, die ihrerseits auch nur Murmel heißen. Solch dramaturgiefreie und alles Erzählende hinter sich lassende Literatur ist wie geschaffen für Herbert Fritsch, dessen szenische Spaßpurzelbäume und Slapstickkaskaden sich bislang auf Komödien, Schwänke, Possen und Vaudevilles stützten, wobei deren Plots und Story gelegentlich als lästige Spaßbremse bei der Entfesselung des Körpertheaters empfunden wurden. Hier ist der Regisseur endlich in der Freiheit angekommen; das Publikum erlebt also quasi pures Fritsch-Theater.
Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, Murmel, ...
Da hatte sich ein junger Mann im grauen Anzug schüchtern bis an die Vorderbühne geschlichen, immer wieder verlegen über die Rockschöße gestrichen und krampfig ins Publikum gelächelt. Und dann war die erste lange Tirade mit dem immer gleichen Wort losgebrochen, das die Zuschauer von nun an eineinhalb Stunden lang begleiten soll. Kaum ist die Sprachmühle angelaufen, hat sich also ein unumstößlicher Rhythmus etabliert, zuckt der Mann von Geste zu Geste und von Haltung zu Haltung. Und jeder auch nur angedeutete Versuch des Ausbruchs aus dem Korsett des Vortrag nimmt er mit der Geste der Beschwichtigung gleich wieder zurück. Herbert Fritschs Murmel-Murmel-Theater beginnt mit der brillanten Skizze eines verklemmten Redners. Aber schnell wird dieser auf dem breiten roten Teppich, der von hinten bis an die Vorderbühne reicht, von einer der weiteren 10 Figuren abgelöst. Zu erleben sind mit präzisen Gesten skizzierte Karikaturen, die sich erst später zu einer kleinen Gesellschaft zusammenfinden und zu einander ablösenden Gruppenbildern. Da hat sich zum Beispiel ein Pulk um ein kleines Kerlchen geschart, hält zeremoniell Hände über dessen Kopf und wartet auf die ersten Worte ihres neuen Königs. Und kaum quäkt der ein leises Murmel Murmel, fällt jeder auf seine Art in eine Form von Ekstase und Begeisterung.
Die Herren sind fast alle Allerweltsclowns im Anzug und mit Hut, den sie sich kunstvoll vom Kopf schnellen lassen wie dereinst Charlie Chaplin. Lustig verklemmte Harlekin, ergänzt von kapriziös gestikulierenden Damen, Murmeln im Gewand des Show-Biz.
Murmel Murmel ... Murmell, Murmell,
Murmel Murmel ... Murmell Murmell,
Mm uu rr mm ee ll ...
Befeuert werden die Variationen um das immer gleiche Sprachmotiv von Ingo Günter, der mit seinen Perkussionsinstrumenten das Bilder- und Figurentheater vorantreibt. Das Zauberwort Murmel Murmel ist längst zur Geheimlosung geworden, mit der sich die Akteure im Körpertheater des Herbert Fritsch bestens untereinander und mit dem Zuschauer verständigen können, denn der ist längst auch ein Gefangener des suggestiven Geschehens geworden, an dem das Bühnenbild als stummer Weltbeherrscher einen wesentlichen Anteil hat. Gassen und Soffitten, Instrumente eines zutiefst altmodischen Theaters, fassen hier das Geschehen mit ihren bunten Farbflächen ein, die an Gemälde eines Barnett Newman erinnern. In zunehmender Bewegung vergrößern oder verkleinern sie die Spielfläche, schieben sich über die gesamte Bühnenbreite, lassen so Figuren verschwinden und andere auftauchen und erinnern an psychedelischen Bildeffekte.
Irgendwann aber sind alle Hüte in Slapstickmanier von den Köpfen geflogen, haben die gespreizten Damen ihre Showbizposen ausgereizt, ist die Murmel-Murmel-Gesellschaft mit ihren plötzlichen Außenseitern, kurzfristigen Königen und vorübergehenden Stars an die Grenzen gestoßen. Nun haben sich alle, wie dereinst im Modern Dance, einfarbige Stretchkostüme übergezogen und verbergen ihre Gesichter hinter immer gleichen Masken, bis sie auch diese abnehmen, den Zuschauern zum ersten Mal ihr wahres Gesicht zeigen, ihnen aber auch bedeuten, dass auch sie nur Menschen hinter Masken sind und abtreten. Auch bei seinen gravierendsten Inszenierungsideen überkommt Herbert Frisch keine Schwermut und keine düsteren Gedanken über die letzten Dinge in der Welt des Theaters. Denn obwohl er gerade eine Todesmetapher inszeniert hat, lassen sich die letzten Gruppenbilder des Abend auch nicht wirklich als Botschaften aus dem Jenseits lesen. Fritschs brillantes und äußerst präzis gearbeitetes Theater der Gesten, Slapstickeffekte und mathematischen Bildabläufe, bleibt auf dem gesicherten Terrain von Spaß und Ironie.
Hübsche Muster ziehen sich über vergilbtes Papier. Blöcke, Spalten und Zeilen, die sich gut als grafische Vorlagen etwa für Textilmuster zum Beispiel von Regionalzügen verwenden ließen. Der Grundbaustein ist das Wort "Murmel" das sich hier zu Strukturen verwebt, die in der konkreten Poesie des Grafikers und Aktionskünstler Dieter Roth als Theaterstück für elf Figuren gedacht wurde, die ihrerseits auch nur Murmel heißen. Solch dramaturgiefreie und alles Erzählende hinter sich lassende Literatur ist wie geschaffen für Herbert Fritsch, dessen szenische Spaßpurzelbäume und Slapstickkaskaden sich bislang auf Komödien, Schwänke, Possen und Vaudevilles stützten, wobei deren Plots und Story gelegentlich als lästige Spaßbremse bei der Entfesselung des Körpertheaters empfunden wurden. Hier ist der Regisseur endlich in der Freiheit angekommen; das Publikum erlebt also quasi pures Fritsch-Theater.
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Die Herren sind fast alle Allerweltsclowns im Anzug und mit Hut, den sie sich kunstvoll vom Kopf schnellen lassen wie dereinst Charlie Chaplin. Lustig verklemmte Harlekin, ergänzt von kapriziös gestikulierenden Damen, Murmeln im Gewand des Show-Biz.
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Befeuert werden die Variationen um das immer gleiche Sprachmotiv von Ingo Günter, der mit seinen Perkussionsinstrumenten das Bilder- und Figurentheater vorantreibt. Das Zauberwort Murmel Murmel ist längst zur Geheimlosung geworden, mit der sich die Akteure im Körpertheater des Herbert Fritsch bestens untereinander und mit dem Zuschauer verständigen können, denn der ist längst auch ein Gefangener des suggestiven Geschehens geworden, an dem das Bühnenbild als stummer Weltbeherrscher einen wesentlichen Anteil hat. Gassen und Soffitten, Instrumente eines zutiefst altmodischen Theaters, fassen hier das Geschehen mit ihren bunten Farbflächen ein, die an Gemälde eines Barnett Newman erinnern. In zunehmender Bewegung vergrößern oder verkleinern sie die Spielfläche, schieben sich über die gesamte Bühnenbreite, lassen so Figuren verschwinden und andere auftauchen und erinnern an psychedelischen Bildeffekte.
Irgendwann aber sind alle Hüte in Slapstickmanier von den Köpfen geflogen, haben die gespreizten Damen ihre Showbizposen ausgereizt, ist die Murmel-Murmel-Gesellschaft mit ihren plötzlichen Außenseitern, kurzfristigen Königen und vorübergehenden Stars an die Grenzen gestoßen. Nun haben sich alle, wie dereinst im Modern Dance, einfarbige Stretchkostüme übergezogen und verbergen ihre Gesichter hinter immer gleichen Masken, bis sie auch diese abnehmen, den Zuschauern zum ersten Mal ihr wahres Gesicht zeigen, ihnen aber auch bedeuten, dass auch sie nur Menschen hinter Masken sind und abtreten. Auch bei seinen gravierendsten Inszenierungsideen überkommt Herbert Frisch keine Schwermut und keine düsteren Gedanken über die letzten Dinge in der Welt des Theaters. Denn obwohl er gerade eine Todesmetapher inszeniert hat, lassen sich die letzten Gruppenbilder des Abend auch nicht wirklich als Botschaften aus dem Jenseits lesen. Fritschs brillantes und äußerst präzis gearbeitetes Theater der Gesten, Slapstickeffekte und mathematischen Bildabläufe, bleibt auf dem gesicherten Terrain von Spaß und Ironie.