Arndt Reuning: Werfen wir einen Blick auf die Zukunft der europäischen Raumfahrt - die dafür zuständigen Minister der 22 ESA-Mitgliedsstaaten haben sich gestern und heute zu einer Konferenz im spanischen Sevilla getroffen. Dabei ging es natürlich auch um sehr viel Geld: Milliarden Euro für die himmlischen Projekte im All. Mein Kollege Dirk Lorenzen ist vor Ort - welchen Eindruck haben Sie denn von der Stimmung bei der ESA nun nach dem Ministerratstreffen?
Dirk Lorenzen: ESA-Generaldirektor Jan Wörner hat in seinem Statement vor der Presse mit den Worten begonnen: "Ja, vor Ihnen sitzt ein glücklicher Direktor", und er hat wirklich gestrahlt. Manche reiben sich die Augen, denn die ESA hat tatsächlich zwölfeinhalb Milliarden Euro zugesagt bekommen; ziemlich genau das, was man eigentlich auch gefordert hat. Das heißt allerdings nicht, dass alles ganz glatt durchgegangen ist - bei manchen Projekten gab es mehr Geld als erwartet, bei anderen weniger.
Ariane-6 und Raumstation "Lunar Gateway" werden gebaut
Reuning: Und was genau hat der ESA-Ministerrat denn nun beschlossen? Gibt es da Leuchttürme, die aus der Vielzahl der Projekte herausragen?
Lorenzen: Wichtig ist sicherlich, dass die Ariane-6-Rakete wirklich wie geplant gebaut wird. Sie soll ja in gut einem Jahr dann das erste Mal abheben und in den 20er Jahren Europas wichtigstes Zugpferd für das All sein. Da hatten sich Frankreich und Deutschland lange beharkt, aber man hat sich heute Nacht dann da wirklich noch geeinigt. Die Internationale Raumstation, nun ja auch schon über 20 Jahre alt, wird weiter für die Forschung genutzt, und vermutlich noch für weitere zehn Jahre. Darauf hatte Deutschland sehr gedrungen. Und zugleich beteiligt sich die ESA an einer kleinen Raumstation in der Mondumlaufbahn, "Lunar Gateway" genannt, in Zusammenarbeit mit der Nasa. Und man setzt auch einen eigenen Akzent am Mond, denn es gibt eine robotische Mondmission, die in etwa zehn Jahren auf dem Mond landen und dann dort die Oberfläche erkunden soll.
CO2-Satellit könnte bessere Instrumente bekommen
Reuning: Für manche Projekte gab es mehr Geld als erwartet, haben Sie gesagt. Welche sind das denn? Und wofür werden die Finanzspritzen nun verwendet?
Lorenzen: Wenn es dann zuviel gibt, dann werden diese Projekte einfach erweitert und es herrscht wirklich große Freude und völlige Überraschung, dass das traditionell schon sehr starke Erdbeobachtungsprogramm der ESA noch einmal sehr viel mehr Geld bekommen hat - da gab es fast ein Drittel mehr als beantragt. Insgesamt liegt man da jetzt bei zweieinhalb Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre. Und da hat sofort der Direktor Josef Aeschbacher gesagt, das Geld kann man prima verwenden: Man könnte zum Beispiel einen Satelliten, der nach der CO2-Verteilung in der Atmosphäre suchen soll, nun mit deutlich besseren Instrumenten ausstatten. Man kann dann zudem unterscheiden: Kommt das CO2 aus natürlichen Quellen oder aus irgendwelchen industriellen Anwendungen? Und dann gibt es auch eine Hyperspektral-Kamera, die auf einem besonderen Erdbeobachtungssatelliten nach 2030 fliegen soll, aber die Fachleute hätten die gern schon viel früher - vielleicht kann man daraus dann sogar einen eigenen Satelliten machen.
Geld für mittelständische Weltraum-Unternehmen
Reuning: Welche Rolle spielt denn eigentlich Deutschland innerhalb der ESA?
Lorenzen: Deutschland ist nun wirklich mit Abstand der größte Beitragszahler, und Deutschland hat einen Anteil von knapp 23 Prozent. Da liegt man deutlich vor Frankreich, das nur noch in Anführung auf 18 Prozent kommt, und Italien hat 16 Prozent - das sind die drei Großen: Deutschland, Frankreich und Italien. Und die deutsche Delegation hat sich hier auch wirklich sehr, sehr zufrieden gezeigt. Man wollte diese robotische Mondmission und zudem so eine Entwicklung einer Rakete für Kleinstsatelliten, die sagen wir mal, so groß sind wie ein Schuhkarton oder kleiner, in diese Entwicklung wollte man einsteigen. Und - das war der deutschen Delegation sehr wichtig - dieses Geld kommt im Rahmen eines Technologieprogramms der ESA vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute, und nicht den ganz großen traditionellen Raumfahrtfirmen.
Asteroiden-Abwehr wird auch weiterhin nicht priorisiert
Reuning: Vier Säulen hat die ESA für ihre Zukunft formuliert. Eine davon ist das Thema Sicherheit Stichwort Weltraumschrott, aber auch die Abwehr von Asteroiden. Wie stehen denn die Mitgliedsstaaten dazu?
Lorenzen: Diese Abwehr eines Asteroiden, der die Erde treffen könnte, diese Abwehr hatte es ja traditionell sehr schwer. Da wurde bei den letzten Ministerratstagung immer gesagt, schönes Programm - aber wenn es dann zum Schwur kam, gab es doch kein Geld. Auch dieses Mal hat man dafür nur etwa die Hälfte des Gewünschten bekommen. Aber immerhin, das reicht, um diese Hera-Mission anzugehen, bei der man untersuchen will, ob und wie sich ein Asteroid durch eine gezielte Kollision mit einer Raumsonde von seiner Bahn abbringen lässt. Der kriegt dann einen kleinen Schubs, und das könnte eben reichen, dass er im entscheidenden Moment an der Erde vorbeifliegt. Und beim Thema Weltraumschrott, da geht man eben eine Mission an, dass man also defekte Satelliten in der Umlaufbahn einfängt und dann gezielt zum Absturz bringt. Was die Sicherheit angeht beim Weltraumwetter, bei dieser energiereichen Strahlung der Sonne: Da musste man ein bisschen kleinere Brötchen backen - aber immerhin, man musste keine der geplanten Missionen streichen, man muss sie nur ein bisschen strecken.