Der "Sonntagabend mit Wladimir Solowjow" im russischen Staatskanal Rossija, eine populäre politische Talkshow. In einer der letzten Sendungen ging es um den neuen Gouverneur von Odessa, Micheil Saakschwili. Der ehemalige Präsident Georgiens ist ein Lieblingsfeind der politischen Elite Russlands. Auftritt eines ehemaligen Abgeordneten der ukrainischen Rada, Igor Markov. Er kommt aus Odessa und lebt derzeit in Russland im Exil.
"Der Südukraine stehen heftige Erschütterungen bevor. Die Ukrainer werden versuchen, eine zweite Front gegen Transnistrien zu eröffnen. Saakaschwili hat die Aufgabe, einen bewaffneten Konflikt in Transnistrien zu provozieren. Dort wird Blut fließen."
Saakaschwili wurde allerdings nicht zum Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee ernannt. Als Gouverneur soll er die Korruption in Odessa bekämpfen. Die Teilnehmer der Talkshow kümmert das nicht. Sergej Schelesnjak erhält das Wort, Vizevorsitzender der russischen Staatsduma:
"In Transnistrien leben mehr als 160.000 russische Staatsbürger. Wenn es einen Überfall auf unsere Friedenstruppen gibt, dann muss Russland in den Krieg eintreten."
Während die Redner in der russischen Talkshow Saakschwili und der Ukraine unterstellen, einen Überfall auf Transnistrien vorzubereiten, warnen Politiker in der Ukraine und in der Republik Moldau vor einer möglichen Aggression, die von Transnistrien ausgehen könne. Vlad Filat, Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei der Republik Moldau:
"Wenn Wladimir Putin die Aufgabe hat, einen Landweg zur Krim zu erobern, die Ukraine vom Schwarzen Meer abzuschneiden und bis zur Donaumündung vorzudringen, dann besteht für uns eine echte Gefahr, denn dann wird er natürlich versuchen, Transnistrien zu benutzen."
Die Regierungen der Republik Moldau haben immer wieder gegen die russische Präsenz in Transnistrien protestiert, allerdings ohne Erfolg. Nun gibt es eine Entwicklung:
"Im Mai hat die Ukraine ihre militärische Zusammenarbeit mit Russland aufgekündigt. Russland kann seine Soldaten in Transnistrien deshalb nicht mehr auf dem Landweg mit Nachschub versorgen. Die Truppe ist damit praktisch isoliert und in einer sehr misslichen Lage, berichtet der Politologe Oazu Nantoi vom Institute of Public Policy in Chisinau."
Waffenbestände gelten als alt
"Die Ukraine hat schon vor einigen Monaten den Transport von vier russischen Militärhubschraubern nach Transnistrien untersagt. Jetzt müssen die russischen Soldaten über den Flughafen Chisinau in der Republik Moldau einreisen, wenn sie nach Transnistrien. Die russische Seite muss die Liste der russischen Soldaten, die zu den Friedenstruppen gehören, mit unserem Außenministerium abstimmen."
Die moldauischen Behörden hätten bereits mehrere Dutzend russische Soldaten zurückgeschickt, berichtet Nantoi. Das russische Verteidigungsministerium hat angekündigt, seine Soldaten in Transnistrien über eine Luftbrücke zu versorgen. Das allerdings geht auch nicht ohne das Einverständnis der Ukraine. Eine Menge Konfliktpotential also. Der Politologe Oazu Nantoi hält die Gefahr einer militärischen Eskalation rund um Transnistrien trotzdem für gering. Weder die Ukraine noch die Republik Moldau hätten ein Interesse daran. Und Russland setze in der Region eher auf sogenannte Soft Power als auf militärisches Potenzial. Zweifel bestehen zudem an der Schlagkraft der Soldaten in Transnistrien. Es sollen zwei- bis dreitausend Mann sein, dazu kommt noch eine rund 6.000 Mann starke transnistrische Armee. Die Waffenbestände in Transnistrien gelten als alt. Der Unternehmer Juri Kuzmenko lebt in Transnistrien, war dort lange Abgeordneter, hat im Krieg in der transnistrischen Armee gekämpft, hat aber auch viele Freunde auf der moldauischen Seite und in der Ukraine. Er meint:
"Transnistrien ist nicht in der Lage, wen auch immer zu überfallen. Genauso wenig sind es die russischen Friedenstruppen. Niemand hier glaubt an eine mögliche Eskalation des Konflikts. Wenn das diskutiert wird, dann – zumindest in meinem Umfeld – als schlechter Scherz."