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eSport
Der schwere Stand von Frauen

Der eSport, Wettkampf mit Computerspielen, ist überwiegend eine Männerdomäne. Frauen haben es schwer nach oben zu kommen und werden oft angefeindet. Ein schwieriges Umfeld für ambitionierte Gamerinnen. Doch es gibt erste Initiativen, die versuchen, mehr Frauen in den eSport zu holen.

Von Johannes Holbein |
In this Thursday, Aug. 29, 2019 photo, headphones are placed on top of computer screens as it awaits esport (electronic sport) players who will participate in the qualifying rounds for the first Philippine esport team in metropolitan Manila, Philippines. Esports, a form of competition using video games, will be making its debut as a medal sport at the 30th South East Asian Games in the country which starts November this year. (AP Photo/Aaron Favila) |
Frauen haben es im eSport schwer. (AP)
Marlies Brunnhofer hat es geschafft. Vor ein paar Tagen verkündet sie auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter: Sie spiele ab jetzt bei einem neuen Team, in der zweithöchsten deutschen Liga, gemeinsam mit Männern. Darunter schreibt sie: "Lets go boys." und fügt hinzu: "Es ist natürlich schon toll, wenn man sozusagen die erste Frau in dieser Liga ist."
Die Österreicherin ist 23 Jahre alt, studiert und verdient schon Geld mit dem Spielen – allerdings noch nicht, um ganz davon zu leben. Brunnhofer spielt das Strategiespiel League of Legends. Wie für andere Spiele gilt auch hier: Je höher die Liga, je härter der Wettkampf, desto weniger Frauen spielen mit. "Wir werden irgendwie von Geburt an mit bestimmten Rollenbildern konfrontiert. Viele Leute haben eben Computerspielen als männlich im Kopf oder trauen den Mädchen gar nicht zu, sich für Computerspiele zu interessieren. Also so fängt es mal an."
Das erklärt Natalie Denk, die Leiterin des Zentrums für Angewandte Spieleforschung an der Donau-Universität in Krems.
Mädchen bekämen viel seltener ein Computerspiel geschenkt als Jungen und fingen so erst gar nicht an mit Gaming. Und wenn doch, fühlten sie sich häufig nicht so richtig als Teil der Community.
Liga nur für Frauen - der richtige Weg?
Marlies Brunnhofer hat mit 15 angefangen. Vor dem Sprung in ein gemischtes Team, spielte sie vier Jahre in einem sogenannten Female Only Team, also nur mit Frauen. Solche Teams und Ligen gibt es, damit sich Frauen in geschütztem Umfeld entwickeln können und mehr von ihnen den Schritt in den eSport wagen.
Für Brunnhofer war das gut, die Forscherin Denk sieht das auch kritisch: "Es sollte doch keine Frauenligen brauchen, damit sich Frauen im eSport wohlfühlen. Also eigentlich sollten sie sich im ganz normalen herkömmlichen eSport wohlfühlen."
Sexismus in der Branche
Bei Frauenturnieren wird deutlich weniger Geld bezahlt. Das macht es für sie schwer, vom eSport zu leben und professionell zu trainieren. Den jungen Spielerinnen, die gerade erst anfangen, fehlen dann wiederum die Vorbilder.
Die wenigen, die es schaffen, berichten oft von Anfeindungen und Sexismus, vor allem bei Online-Turnieren und gerade wenn aus ihren Spielernamen oder durch die Kommunikation über das Headset klar wird, dass es sich um Frauen handelt. "Dass man ein fettes Girl irgendwie ist und so weiter, aber gut, damit muss man umgehen lernen", berichtet Brunnhofer.
Brunnhofer bekommt nach eigenen Angaben wöchentlich blöde Kommentare ab. Aber die Anfeindungen gegen sie seien noch nicht die heftigsten gewesen: "Zum Beispiel hab ich schon gehört von Mädels, die Morddrohungen, Vergewaltigungsdrohungen, was auch immer bekommen haben", sagt Brunnhofer.
Für viele Mädchen und Frauen ist das eine große Hürde: die Angst, Zielscheibe für sexistische Kommentare, Beleidigungen oder gar Drohungen zu sein. Das kann dem eSport-Bund nicht egal sein. Auch deshalb wurde dort im April 2019 die Arbeitsgruppe "Gender Diversity in eSports" gegründet. Allerdings führt sie inzwischen nur noch eine Ehrenamtliche, der allein die Zeit fehlt für ein breiteres Engagement.
Stiftung will helfen
Zu tun gäbe es viel, denn bei einigen in der Branche gibt es noch immer Grenzen in den Köpfen. Teammanager René Spanier beschreibt sie: "Heute hat man immer das Gefühl oder haben viele Teams glaube ich das Gefühl, wenn man sich eine Frau ins Team holen würde, dann wäre man sehr schnell an einem Punkt, wo dann Spieler mit Eifersüchteleien aufeinander zugehen würden."
Spanier arbeitet bei SK Gaming, der wohl bekanntesten deutschen eSport-Organisation. Er habe kein Problem damit, Frauen zu verpflichten. Nur gebe es nicht viele, die gut genug sind. Von 800 bis 1000 Spielern, die bei League of Legends in den hohen Ranglistenbereichen spielen, weiß Spanier nur von drei bis fünf Frauen.
Auch deshalb gibt es seit einigen Tagen auch die "eSports Player Foundation". Die Stiftung, die unter anderem vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützt wird, soll junge Talente fördern, die eine Chance haben, in den Spitzen-eSport aufzusteigen. Eine Art Sporthilfe für eSportler. Geschäftsführer Jörg Adami will die Mädchen nicht außen vor lassen und sagt: "Wir werden auch zu Beginn ganz explizit nach Frauen, Mädels, Ausschau halten, die das Potential haben. Unsere Vision, Traum, ist es, so schnell wie möglich auch zu einer paritätischen Förderung zu kommen."
Forscherin: Kooperationen mit Bildungseinrichtungen nötig
Um die jungen Talente zu finden, soll die Gaming-Gemeinschaft zusammenarbeiten und zum Beispiel auf Amateurplattformen Spielerinnen suchen. Wer ein Talent kennt, kann es empfehlen. Und wer gefördert wird, bekommt Hilfe und wird bei Anfeindungen psychisch betreut.
Damit es aber erstmal Talente gibt, die für eine Förderung in Frage kommen, braucht es Kooperationen mit Bildungseinrichtungen, erklärt die Forscherin Natalie Denk.
Sie war zum Beispiel gemeinsam mit Marlies Brunnhofer an einer Schule in Österreich, um den Kindern den eSport näher zu bringen. Im vergangenen Jahr organisierte sie in Österreich eine Schulliga. Die Teams bestanden aus drei Jungen und drei Mädchen. Natalie Denk warnt davor, sich zu schnell zufrieden zu geben: "Ich glaube, man darf sich einfach nie ausruhen. Also man braucht nicht glauben, dass man mit einem Projekt gleich unglaublich viel bewirkt, sondern da braucht es einfach viele Projekte. Und es braucht eben auch einen guten Zusammenhalt, dass man da eben die Community vergrößert und auch die Leute mehr sensibilisiert."