Dirk Müller: Erst geht der Chef und dann der Aufsichtsrat: der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp steckt in einer tiefen Krise. Und da platzte gestern die Nachricht hinein: Thyssenkrupp will sich aufspalten - aus einem mach zwei. Was geht da vor in Essen, das klären wir mit Sina Fröhndrich. Was soll mit dem Industriekonzern passieren?
Sina Fröhndrich: Er soll grundlegend umgebaut werden. Wir hatten ja erst die Abspaltung des Stahlgeschäfts, da fehlt noch die Genehmigung aus Brüssel. Und jetzt soll der nächste Schritt folgen: Es sollen am Ende zwei Unternehmen herauskommen, "zwei Thyssenkrupps", beide an der Börse notiert. In etwa gleich groß - das eine beinhaltet das Geschäft mit Aufzügen und die Zulieferteile für die Autoindustrie und das andere bekommt das Marinegeschäft – und den Anteil am geplanten Stahlkonzern mit Tata. Heißt unter dem Strich: Thyssenkrupp wäre künftig kein großer Gemischtwarenladen mehr. Das ist schon eine Zeitenwende. Und was ich wirklich bemerkenswert finde – wir sprechen ja über ein Unternehmen, bei dem die Führungsspitze hingeschmissen hat, die Nachfolgersuche verläuft seit drei Monaten ziemlich zäh – und bevor die Nachfolger überhaupt gefunden sind, zaubert Interimschef Guido Kerkhoff jetzt diesen Umbauplan aus dem Hut. Damit hat kaum jemand gerechnet.
Kein "Weiter so" und keine "Zerschlagung"
Müller: Was bedeutet dieser geplante Umbau?
Fröhndrich: Eigentlich, dass sich die Großaktionäre durchgesetzt haben, das ist etwa die Investmentgesellschaft Cevian aus Schweden. Wir sehen das auch am deutlichen Plus beim Aktienkurs gestern. Denn: Es wird seit Monaten darüber gestritten, ob und wie es mit Thyssenkrupp weitergeht. Diese Differenzen hatten wohl auch dazu geführt, dass Heinrich Hiesinger als Chef gegangen ist, Aufsichtsratschef Ulrich Lehner ist ihm gefolgt. Die beiden wollten keine Zerschlagung, anders als die großen Aktionäre. Interimschef Guido Kerkhoff vermeidet es auch, jetzt von einer Zerschlagung zu sprechen, für ihn ist das eine Alternative, ein Zwischenweg, zwischen "Weiter so" und "Zerschlagung". Dazu hat er sich Freitagmorgen auch nochmal im Morgenmagazin von ARD und ZDF geäußert:
"Es gab hier sehr sehr viele Diskussion über Aufspaltung in Gänze, in Einzelteile abzuspalten. Es war alles in allem eine doch sehr verkantete Situation. Und hier kam es jetzt wirklich darauf an eine Lösung zu finden, die auf der einen Seite die Zukunftsfähigkeit aller Geschäfte, aber auch einen verantwortungsvollen Umgang für alle Mitarbeiter darstellt."
Am Sonntag soll der Aufsichtsrat über den Umbauplan abstimmen – Arbeitnehmervertreter und die Kruppstiftung haben schon signalisiert, dass sie zustimmen werden.
Und Thyssenkrupp ist auch nicht der erste Konzern, der sich aufspaltet – wir haben das beispielsweise auch bei Metro gesehen. Investoren mögen diese Strategie.
Aufspaltung verändert Konzern grundlegend
Müller: Kann Thyssenkrupp so zur Ruhe kommen?
Fröhndrich: Was die Mitarbeiter angeht, da bin ich skeptisch. Denn ein Mischkonzern ist ja auch ein schützendes Dach – wo ein gutes Geschäft ein schlechtes Geschäft auffängt. Das wäre dann künftig so nicht mehr der Fall. Da fragen sich Mitarbeiter sicherlich: Ist mein Job langfristig gesichert. Thyssenkrupp ist mit 160.000 Mitarbeitern immerhin einer der größten Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen. Guido Kerkhoff hat gerade nochmal betont: Er rechne nicht mit größeren Effekten, ich übersetze das mal: Er rechnet nicht damit, dass weitere Arbeitsplätze wegfallen. Aber da müssen wir mal abwarten.
Was sich abzeichnet: Thyssenkrupp gilt im Ruhrgebiet auch als ein Konzern der Prinzipientreue – der Solidarität auch. Eine Aufspaltung ist ein wesentlicher Einschnitt, der das Gesicht des Konzerns nachhaltig verändern kann.