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Essstörungen lassen sich nicht wegoperieren

Oft versagen klassische Methoden bei Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2. Deshalb werden Magenverkleinerung, Magenbypass- oder Magenbandoperationen immer mehr zur Option. Aber damit sie langfristig wirken, muss der Betroffene auch seinen Lebensstil ändern.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    Ilona Stoll: "Der Hauptgrund für meine OP war mein Diabetes, den ich unbedingt loswerden wollte. Also meine Blutzuckerwerte waren immens hoch und ich musste drei- bis viermal am Tag spritzen – und ich habe sehr viel Insulin gebraucht. Und wurde dabei auch immer dicker."

    Auch, weil Insulin den Appetit steigert. Ilona Stoll wurde vor gut sieben Wochen operiert – sie bekam einen Magen-Bypass. Das heißt, ihr Magen wurde drastisch verkleinert und so mit dem Dünndarm verbunden, dass die Verdauungssäfte erst später mit der Nahrung zusammenkommen. Dadurch nimmt der Körper weniger Nährstoffe auf. Und das verändert auch die Hormonfreisetzung im Darm, so Professor Michael Roden, Direktor der Uniklinik für Endokrinologie und Diabetologie in Düsseldorf:

    "Die Veränderung dieser Hormone bewirkt eine Abnahme des Appetits. Und langfristige Wirkung ist, dass durch die verminderte Aufnahme letztlich auch das Fettgewebe vermindert wird und dadurch die Insulinwirkung verbessert wird."

    Denn Fett führt zur Insulinresistenz. Doch wie genau dieses Zusammenspiel funktioniert, ist unklar. Aktuelle Studien haben zwar gezeigt, dass ungefähr 40 Prozent der Patienten ein Jahr nach einer Operation keinen Diabetes mehr haben. Allerdings kehrt der Diabetes oft nach mehreren Jahren zurück.

    Bisher kommt eine Operation für krankhaft adipöse Patienten mit einem Body-Mass-Index, kurz BMI, von über 35 infrage. Oder der Patient muss neben einem BMI von über 30 noch weitere Risikofaktoren – wie zum Beispiel Diabetes – haben.

    Roden: "Es gibt allerdings zunehmend auch Bewegungen, schon bei einem Body-Mass-Index von weniger als 30, also nur bei Übergewicht, die Operation einzusetzen - als eine Art metabolische oder Stoffwechselchirurgie. Allerdings: Es fehlen uns Langzeitstudien, die nachhaltig beweisen würden, dass ein solches Vorgehen gerechtfertigt wäre."

    Schließlich ist ein Eingriff nicht mehr rückgängig zu machen. Außerdem muss auch die Psyche der Patienten berücksichtigt werden: Wie kam es zu dem Übergewicht? Warum haben andere Therapien versagt? Und schafft es der Betroffene nach der Operation, seinen Lebensstil zu verändern? Ilona Stoll hat sich diese Fragen selber gestellt – und deswegen auch 20 Jahre gebraucht, bis sie sich für eine Operation entschieden hat:

    "Ich hatte das schon Mal in Angriff genommen. Aber dann habe ich aber einen Rückzieher gemacht, weil ich mir irgendwie gesagt habe: Du hast eine Essstörung und die wird nicht wegoperiert. Ich bin dann durch Therapie und auch Klinikaufenthalte, bin ich dann so stabil geworden, dass ich mir jetzt die OP zugetraut habe."

    Ihre größte Angst war es, nach der Operation in ein Loch zu fallen. Der Wunsch abzunehmen war da. Aber was, wenn das Einzige, was sie noch hatte – das Essen – plötzlich fehlt?

    "Also das Essen war eine Art Schutz für mich, ich habe damit Gefühle kompensiert, auch Dinge, die mir passiert sind aus der Vergangenheit, aus der Kindheit. Und mit dem Essen habe ich diese Gefühle zugestopft, weggegessen quasi."

    Das kann die 58-Jährige jetzt nicht mehr. Und auch wenn sie es selber nicht so ganz begreift – sie braucht es im Moment auch nicht:

    "Mir geht es sehr gut. Ich will jetzt nicht damit sagen, durch die OP ist die Essstörung verschwunden. Das wäre Blödsinn. Aber ich glaube dadurch, dass ich halt mich viel mehr bewegen kann mittlerweile und vieles auch mache und unternehme, dass ich dadurch das Essen nicht mehr so brauche. Ja, das ist nicht mehr so lebensnotwendig jetzt, also die Sucht auszuleben."

    Ilona Stoll sieht die Operation quasi als Starthilfe. Alleine war sie nicht in der Lage, abzunehmen – doch jetzt ist sie hoch motiviert. Bisher hat sie 16 Kilo abgenommen, ihre Zuckerwerte verbessern sich und ihre Blutdrucktabletten braucht sie nicht mehr. Jetzt muss sie es schaffen, Stück für Stück ihre Gewohnheiten zu ändern. Nur dann wird der Erfolg langfristig halten.