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Etappenziel 2050

Plus zehn Prozent alle zehn Jahre, das ist die Losung: Langsam, aber sicher sollen regenerative Energieträger ihre fossilen - klimastrapazierenden – Vorgänger ersetzen. Sonne, Wind und Erdwärme statt Erdöl, Erdgas und Kohle. Das Etappenziel ist 2050. Gemäß der "Nachhaltigkeitsstrategie" der Bundesregierung werden Erneuerbare dann schon das Rückgrat unseres Energiesystems sein, ihr Anteil an den Primärenergieträgern soll Mitte des Jahrhunderts bei 50 Prozent liegen. Doch wie realistisch ist eine solche Erwartung? Wie kann oder muss der Fahrplan des Wandels aussehen? Fragen nicht nur an die Politik, sondern auch an die Wissenschaft. Deren Zukunftsszenarien zeigen: Die so genannte Energiewende ist möglich – sofern sie nur zielstrebig in Angriff genommen wird ...

Von Volker Mrasek | 31.05.2004
    Wir haben gerade den Hafen von Gedser verlassen. Backbord liegt die offene Ostsee. Und wir nehmen jetzt direkten Kurs auf einen unserer neuen großen Windkraft-Parks.

    So, wir werden jetzt erstmal die Sicherheitsgurte hier umstecken.

    Is’ wohl doch etwas erhebend. Wir stehen jetzt außen auf der Gondel. Also sind wir so ungefähr bei 130 Metern Höhe jetzt angekommen. Wir schauen gerade auf die Rotorblätter, die jetzt - man kann wohl sagen - majestätisch in den Himmel ragen, mit einer Länge von 52 Meter pro Blatt, einem Gewicht von ungefähr 20 Tonnen und einer größten Breite von ungefähr sechs Metern.

    SIE: Ich nehm ’n Bier.

    ER: O.k., ich auch. Pause

    SIE: Könnte man das eigentlich auch energetisch nutzen?

    ER: Was?

    SIE: Na, das Bier!

    ER: Wieso?

    SIE: Na, weil doch alle nach alternativen Energien rufen. Riesige Windparks, Kraftstoff vom Acker, Strom aus Sonne und so, du weißt schon. Mit Öl und Kohle is’ doch nix mehr. Sonst können wir unsere Klimaschutz-Ziele vergessen.Sagt doch auch ständig unser Umweltminister.

    ER: Trittin?

    SIE: Ja, gerad’ neulich wieder …

    Wir haben uns vorgenommen, im Jahre 2020 20 Prozent unseres Stroms - das wär’ so über’n Daumen 10 Prozent des Primärenergiebedarfs - aus erneuerbaren Quellen zu decken. Das ist auch tatsächlich erreichbar.

    ER: Und da hat er von Bier gesprochen?

    SIE: Nein! Das war nur so ’ne Idee. Man kann ja selbst aus Klärschlamm und Küchenabfällen noch Energie rausholen.

    ER: Na, dann Prost!

    SIE: Ja, Prost! Aber sag’ doch mal: Meinst Du, das klappt wirklich mit den 20 Prozent Öko-Strom bis 2020?

    ER: Also, so weit ich weiß, ist das doch sowieso nur ein Wegpunkt. Der Anteil soll ja noch viel stärker wachsen. Hat das Trittin nicht auch gesagt?

    SIE: Doch, doch …

    Sie wissen, wir wollen diesen Weg weitergehen. Is’ richtig.

    ER: Na, siehst du! Wenn ich mich nicht täusche, ist das Fernziel sogar 50 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien.

    SIE: Und bis wann?

    ER: Bis Mitte des Jahrhunderts.

    SIE: Ja, und geht das? Sag doch mal!

    ER: Also, ich bin kein Hellseher. Das ist noch ’n bisschen hin. Ich glaub’, da bräuchten wir eine Zeitmaschine.

    SIE: Eine Zeitmaschine?

    ER: Ja, wär doch nicht schlecht. Aber vielleicht geht’s auch einfacher. Es gibt ja inzwischen Studien zum Entwicklungspotential der Erneuerbaren. Ziemlich aufwendige sogar. So was wie Zukunfts-Szenarien der Energiewende. Also, bevor Du mich weiter löcherst …

    SIE: … sollte ich lieber die Wissenschaft zur Rate ziehen und irgendwelche Energie-Experten fragen, wolltest Du wohl sagen? Tolle Idee! Und wo soll ich die auftreiben?

    ER: Och, das laß mal ruhig meine Sorge sein …

    Trittin: Ich glaube, Herr Nitsch, jetzt muss ich Sie ankündigen.


    Nitsch: Ich zögere immer etwas bei dem Begriff Energiewende. Wende klingt mir zu sehr nach Kurswechsel. Was wir erreichen müssen, ist eine stetige Richtungsänderung, das heißt wir müssen uns relativ langfristige Ziele vorgeben. Langfristig heißt, dass wir vor allen Dingen auf zwei Dinge reagieren müssen: den schleichenden Klimawandel und die Verknappung fossiler Ressourcen.

    Luther: Die Forderung, stärker Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen zu realisieren, ist eine Konsequenz der Notwendigkeit, die CO2-Emissionen weltweit zu reduzieren.

    Nitsch: Also es gibt sicher ein Oberziel. Das ist die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen.

    Luther: Wenn ich die CO2-Emissionen reduzieren will, bedeutet dies weniger Energie, Wärme, Treibstoffe, Strom aus fossilen Energieträgern. Und die muss ich simpel ersetzen. Und wenn man ein wirklich nachhaltiges Energieversorgungssystem machen möchte, muss die Substitution nach heutigem Wissen und nach heutigem Stand der Technik aus Erneuerbaren Energien kommen.

    Nitsch : Es ist also kurz gesagt klar, wohin die Reise zu gehen hat.

    Pehnt: Wenn wir uns anschauen, welchen Beitrag welcher erneuerbare Energieträger in Zukunft leisten wird …

    Luther: Also, es kommt in jedem Falle immer darauf an, einen richtigen Mix von Technologien zu machen. Man wird nie mit zwei, drei Energietechnologien das Problem lösen.

    Pehnt : Es macht keinen Sinn, nur Windkraft einzusetzen. Wenn wir dann eine Windflaute haben, ist es klar, dass wir keinen Windstrom haben. Aber in der Kombination der unterschiedlichen Energieträger ist es möglich, zu einem verläßlichen Beitrag erneuerbarer Energien zu kommen.

    Nitsch : Die Fülle der Technologien ist enorm groß. Viele der Technologien sind einsatzbereit. In der Regel sind sie gemessen an heutigen, immer noch sehr billigen, fossilen Energiequellen noch teurer. Und da beginnt dann sozusagen der politisch-gesellschaftliche Prozeß: Wie gehen wir mit diesen noch teuren Energiequellen um? Wie führen wir sie in die Energieversorgung ein?

    Lackmann : Irgendwer muss Vorreiter sein. Das war irgendwann mal die Wasserkraft, die den stärksten Ausbau hatte. Dann ist die Windenergie dazugekommen, ...

    Nitsch : … die jetzt dabei ist, sich auf das Meer hinaus zu bewegen. Wir haben ja sehr viele Anlagen, Deutschland die meisten weltweit, etwa 15.000, auf Land bereits stehen. Man hat den ganzen Bereich der Biomasse-Nutzung, sprich: …

    Fritsche : … im Prinzip alles, was aufgrund von pflanzlichem oder tierischem Material aufwächst. Wenn Sie sich vorstellen: Im Wald wachsen Bäume. Auf den Äckern wächst Getreide oder auch Gemüse, wo wir Reststoffe nutzen können. Wir haben in unseren Abfällen auch jede Menge Nahrungsmittelreste. Bei industriellen Prozessen, in der Lebensmittelindustrie, Weinherstellung, Tabakindustrie - überall gibt es organisches Material, mit dem man Energie-Gewinnungsprozesse betreiben kann.

    Nitsch : Dann haben wir als ganz große Energiequelle die Strahlungsenergie, die quasi unerschöpflich ist. Wir nutzen sie in Form heute der Warmwasser-Kollektoren zur Warmwasserbereitung. Oder modern, ganz modern, mit Hilfe der Photovoltaik zur direkten Stromerzeugung.

    Pehnt : Wir können beispielsweise im Sonnengürtel unserer Erde über solarthermische Kraftwerke Strom erzeugen und diesen vergleichsweise kostengünstig nach Europa transportieren.

    Nitsch : Wir haben die Erdwärme. Ich meine jetzt speziell die Stromerzeugung, wo man doch in einige tausend Meter Tiefe bohrt. Und dann durch einen Wasserkreislauf Energie gewinnt. Wir haben in bestimmten Regionen der Welt interessante Möglichkeiten, etwa die Wellenenergie zu nutzen - auch eine erneuerbare Energie. Die Gezeiten-Energie kann man auch nutzen, das heißt im großen und ganzen wird uns die Technik im Laufe der Jahrzehnte, über die wir ja reden, genügend Möglichkeiten an die Hand geben, erneuerbare Energien sehr, sehr weitgehend einzubinden.

    Bauer, Jäger : Oh mei, wir brauchen unsere ersten Hackschnitzel zum Spätsommer, Herbst. Ja, momentan ist ja dann da heraußen sowieso nichts mehr, weil ’s ja sowieso durchgeforstet. Da kommt sowieso vorerst nichts mehr.

    Bauer : He, was ist los? Träumst Du?

    ER: Was? Nee, nee. Ich hab’ mit nur gerad’ vorgestellt: überall Hackschnitzel-Kraftwerke und Holz-Heizungen.

    SIE: Geht doch gar nicht! Soviel Restholz ist ja gar nicht da.

    ER: Ja, ja, schon klar! Es gibt ja auch noch die ganzen anderen Optionen. Haben wir ja gehört. Aber irgendwie … Pause

    SIE: Irgendwie was?

    ER: … irgendwie, glaub’ ich, müssen wir mal langsam in die Gänge kommen …

    Kaltschmitt : Gut, also ich würde sagen, bis 2010 wird sich eigentlich im Energiesystem von Deutschland nicht sehr viel getan haben ... 8’37

    Pehnt : … und keiner der erneuerbaren Energieträger wird bereits im Jahr 2010, 2015 sein technisches Potential erreicht haben. Wir reden in der Zeit bis 2010 vor allen Dingen über einen Einstieg in einen Beitrag erneuerbarer Energien zu unserem Energiesystem.

    Luther : Man wird versuchen, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen so stark wie möglich hochzufahren. Windenergie. Biomasse. Und auch Stromerzeugung aus Sonnenenergie über Photovoltaik, Solarzellen, wie wir das heute schon kennen. Und solarthermische Kraftwerke - all das wird man verstärkt im Jahr 2010 haben.

    Pehnt : Solarthermische Kraftwerke basieren darauf, dass man über die Bündelung von Sonnenstrahlen beispielsweise Dampf erzeugt, und den wie in einem ganz normalen Großkraftwerk in Strom umwandelt.

    Trieb : Wenn wir 2006 das erste Kraftwerk bauen, und es sieht so aus, dass das in Spanien in Betrieb gehen kann, dann machen wir ’ne Markteinführungsphase bis 2010 vielleicht so 500 Megawatt installierte Leistung. Bis 2015 könnten es dann schon 5000 Megawatt sein: zehn mittlere Kohlekraftwerke, fünf Atomkraftwerke von der installierten Leistung her. Das ist so das Ziel, das die solarthermische Kraftwerksindustrie sich vorgenommen hat.

    Pehnt : Das Thema Wasserkraft: Wir gehen davon aus, dass wir einen leichten Zuwachs an Wasserkraft haben können, der aber ökologisch sehr vorsichtig gestaltet werden muss …

    Nitsch : Wir haben in Deutschland speziell am Rhein einige Kraftwerke, die durch eine Modernisierung der Turbinenanlagen, durch bessere Wehranlagen, das Zwei-, Dreifache ihrer jetzigen Stromerzeugung produzieren könnten.

    Fritsche : Die anderen Optionen, insbesondere Erdwärme, geothermische Energie, wo wir in Deutschland auch ’ne ganze Menge haben - die müssen wir parallel entwickeln.

    Kaltschmitt : Also bezüglich der Geothermie ist zu erwarten, dass hier bis 2010 einige Anlagen installiert werden werden. Die sind aber im energiewirtschaftlichen Gesamtzusammenhang relativ gering.

    Pehnt : Und dennoch müssen wir heute die Möglichkeiten der Erdwärme sehr sorgfältig prüfen, weil sie eine sehr wichtige Säule in unserem Energiekonzert sein kann. Erdwärme steht auch rund um die Uhr zur Verfügung. Erdwärme kann zur Stromerzeugung genutzt werden, auch zur Wärmeerzeugung genutzt werden. [Und …]

    Kaltschmitt : Im Bereich der Kraftstoffe ist zu erwarten, dass Bio-Ethanol einen größeren Beitrag leisten wird, weil die Anlagen jetzt im Bau sind - als Beimischung zu konventionellem Otto-Kraftstoff.

    Nitsch : Wir haben im Verkehr noch ’ne Menge Hausaufgaben zu erfüllen in Bezug auf effizientere Nutzung. Aber es wird dann auch Zeit werden, den Verkehrssektor auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Biomasse-Kraftstoffe werden ihren Beitrag leisten, jetzt in der Phase von heute bis etwa 2020. Bio-Ethanol, aber auch echte synthetische Kraftstoffe wie synthetisches Benzin, aber aus Biomasse gewonnen. Darüber denkt man auch nach.

    Lackmann : Wo wir noch nicht sehr erfolgreich sind, das ist die Frage regenerativer Wärmeversorgung.

    Fritsche : Das ist so ein blinder Fleck, wo wir unbedingt politische Initiativen brauchen. Das ist ganz, ganz wichtig, kleine Anlagen in Kraft-Wärme-Kopplung besonders zu fördern.

    Pehnt : Kraft-Wärme-Kopplung ist letztendlich eine Form der doppelten Energienutzung, das heißt wir erzeugen Strom, und gleichzeitig fällt immer Verlustwärme ab. Und diese Verlustwärme wird normalerweise in großen Kühltürmen oder über Flußkühlung weggekühlt, weggeschmissen letztendlich.

    Luther : Aber man wird natürlich sehen, dass man möglichst weit die Stromerzeugung dezentralisiert, um die Abwärme dort nutzen zu können. Insbesondere zum Heizen von Gebäuden, aber auch zur Warmwasserbereitung.

    Pehnt : Es gibt allerdings Voraussetzungen dafür, dass Wärme aus erneuerbaren Energien wirklich mit ins Spiel kommt. Wir brauchen eine Möglichkeit, Wärme zu verteilen in Siedlungen, das heißt, dass wir Nahwärmenetze brauchen. Und damit viel mehr Flexibilität und auch kostensparende Installationen ermöglichen können, wenn wir nicht mehr auf jedem Haus einzeln unsere Solaranlage oder unseren Biomasse-Kessel haben.

    Lackmann : Es ist einfach in keiner Hinsicht zu rechtfertigen, dass man ausgerechnet den Wärmebereich so stark ausklammert. Denn hier werden wertvollste Ressourcen wie Gas und Öl für den minderwertigsten Anwendungszweck genutzt, nämlich für Niedertemperaturwärme, wo es am einfachsten ist, auf erneuerbare Energien umzusteuern. Und deshalb muss dieser Sektor in Angriff genommen werden.

    Nitsch : Entscheidend wird meiner Ansicht nach die Phase bis zum Jahr 2020 sein. Das ist der Zeitraum, wo erneuerbare Energien noch einer gezielten energiepolitischen Unterstützung bedürfen. Wenn es bis dahin gelingt, die Kosten dann dieser Techniken deutlich zu senken, dann ist die schwierigste Aufgabe schon erfüllt.

    Pehnt : Und um die erneuerbaren Energien auf diesen dynamischen Pfad zu bringen, müssen wir jetzt die Weichen stellen ....

    Luther : … und Geschwindigkeit ist gefragt. Je länger man wartet, in desto schwierigere Situationen kommt man hinterher. Weil wir ja vermutlich davon ausgehen müssen, dass der Hunger auf Energie weltweit - man denke nur an China - extrem zunehmen wird.

    Nitsch : Also, bis 2010 könnte geschehen sein, dass erneuerbare Energien ganz selbstverständlicher Bestandteil unserer Energieversorgung sind. Erneuerbare Energien werden durch vielfache Anwendungen gezeigt haben, dass sie wie jeder andere Energieträger auch jederzeit eine sichere und zuverlässige Energieversorgung werden bieten können.

    Pernecker : Jetzt haben wir rund 420, 420 KW bei einer Thermalwasser-Fließrate von etwa 29 Litern pro Sekunde. Das Wasser kommt mit circa 104 Grad in die Anlage. Und geht mit circa 37 Grad wieder hinaus.

    Pernecker : Wir sind jetzt im Kontrollraum des Krafthauses, von dem aus also die Stromerzeugungsanlage überwacht wird.

    Pernecker : In Altheim steht das erste geothermische Kraftwerk nördlich der Toskana und südlich von Island.

    SIE: Stimmt das eigentlich?

    ER: Was?

    SIE: Irgendjemand hat mal gesagt, mit geothermischem Strom könne man im Prinzip unseren gesamten Bedarf decken.

    ER: Kann schon sein. Klingt vielleicht erstmal utopisch. Aber is’ ja bei der Sonnenenergie genauso …

    SIE: Komisch!

    ER: Was ist komisch?

    SIE: Dass wir die Chancen nicht viel früher erkannt haben.

    ER: Kommt ja jetzt alles.

    SIE: Ja, schon. Die Frage ist nur: wann? Und noch rechtzeitig?

    Luther : Ich möchte Ihnen eigentlich die Frage nicht so beantworten, dass ich sage, was im Jahr 2020 oder 2030 realisiert worden ist. Ich möchte Ihnen eher die Möglichkeiten schildern, die wir haben. Die ganzen Szenarien werden ja eigentlich immer nur Möglichkeiten des Weges der Menschheit in die Zukunft darstellen.

    Nitsch : Wir haben uns im Laufe unserer Rechnungen eine Art Zeitmaschine selbst zurechtgelegt. Und die Phase 2020 bis 2030 haben wir getauft: ,Vollwertige Etablierung’. 16’10

    Pehnt : Dann reden wir schon davon, den Beitrag erneuerbarer Energien zu stabilisieren.

    Nitsch : Bis dahin wird der größte Teil des deutschen Kraftwerkparks, so wie wir ihn heute kennen, erneuert sein müssen. Und es müssen auch die bis dahin abgeschalteten Kernkraftwerke ersetzt werden.

    Fritsche : In dem Maße, wie unser Kraftwerkspark erneuert wird, wird man hoffentlich dazu kommen, nicht mehr so viele Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke zu bauen, sondern eben - dann allerdings kleinere - Kraft- und Heizkraftwerke.

    Nitsch : Wenn wir die Strategie so nicht verfolgen, werden möglicherweise in den nächsten Jahren große Kohlekraftwerke gebaut, die dann wieder wiederum 40 Jahre betrieben werden. Und dann ist dieses Fenster erstmal geschlossen. Das heißt, die Versorgungslandschaft, wie sie sein sollte aus Klimaschutzgründen und aus Ressourcenschutzgründen, sollte sehr viel vielfältiger sein im Bezug auf Kraftwerke, wie wir sie heute haben.

    Pehnt : Das kann aber nur funktionieren, wenn erneuerbare Energien gekoppelt sind mit einer Effizienz-Strategie. Wir brauchen deutliche Einsparungen in allen Bereichen. Das erfordert Anstrengungen vom Deckel auf dem Kochtopf bis hin zum gut isolierten Haus ...

    Luther : Ein wesentlicher Punkt wäre zum Beispiel der Energieverbrauch, insbesondere der Wärmeverbrauch, in den Gebäuden. Durch Einsatz solarer Techniken, aber auch intelligenter Gebäudetechniken, lässt sich dieser Bedarf, wenn Sie das weltweit sehen, um mehr als einen Faktor 10, ich würde sogar sagen: einen Faktor 20, reduzieren. Nicht innerhalb von zehn Jahren, aber sukzessive.

    Pehnt : Und wenn diese Effizienz-Strategie greift, dann können wir bis 2020 ein Viertel unseres Energiebedarfs einsparen, ohne dass das wirklich Anstrengungen erfordert, die wir nicht leisten können.

    Nitsch : Also, höchstens noch ein Viertel der Kraftwerke sollten den üblichen großen Kondensationskraftwerken angehören. Heute sind es über 80 Prozent. Ein Viertel sollte vielleicht aus erneuerbaren Energien kommen. Ein Viertel aus einer sehr modernen Form der Kraft-Wärme-Kopplung, wie wir sie ansatzweise heute schon haben mit den Blockheizkraftwerken. Und ein Viertel sollte eigentlich durch effizienteren Stromverbrauch erst gar nicht benötigt werden.

    Luther : Ja, wenn man im Jahr 2030 ist, und wenn man engagiert die Einführung der erneuerbaren Energien, sagen wir jetzt einmal, zur Stromerzeugung vorangetrieben hat, dann wird man das Potential der Biomasse, der Windenergie und vor allem auch der Wasserkraft ausgeschöpft haben.

    Pehnt : Wir bemerken nun auch beispielsweise Sonnenkollektoren in unserer Wärmeversorgung. Und wir bemerken Erdwärme, die jetzt in zunehmendem Maße realisiert wird.

    Kaltschmitt : Die Geothermie könnte dann insbesondere im Rheintalgraben einen merklichen Anteil leisten, weil dort die geologischen Bedingungen sehr, sehr vielversprechend sind.

    Luther : Aber der weitere Ausbau wird über solare Technologien erfolgen. Also solarthermische Kraftwerke, und die Flachpaneel-Photovoltaik, die wir heute auf den Dächern und auf Fassaden zunehmend haben.

    Trieb : Also, wir werden bis 2020 von dem Energieertrag, wenn man den mit dem Bedarf im Mittelmeerraum und in Nordafrika und in Europa vergleicht, erst kleine Anteile erreichen. Also wenn wir bis dahin so zwei, drei, vier, fünf Prozent des Kraftwerksmarkts wirklich mit solarthermischen Kraftwerken abdecken können, dann wir schon gut.

    Luther : Dann aber auch Photovoltaik, die mit optischer Konzentration funktioniert. Also wo wir Linsen, Spiegel einsetzen, um das Licht auf ganz kleine Flächen zu konzentrieren. Heutzutage haben die flachen Solarzellen 16 Prozent Wirkungsgrad, wenn ich sie auf die Dächer tue. Und diese Zellen werden Wirkungsgrade um 50 Prozent in der Energiekonversion haben.

    Kaltschmitt : Wenn uns das gelingt, dann könnte die Photovoltaik durchaus auch bis 2020 einen größeren Beitrag leisten.

    Luther : Was man dann unbedingt braucht, sind großflächige Stromnetze.

    Nitsch : Wir werden dann europäische Versorgungsnetze haben, die uns erneuerbare Energie von den Orten holen, wo sie in reichlichem Maße verfügbar ist. Denken Sie an Wind an der Atlantikküste, an Erdwärme vielleicht aus Island. Aber vor allen Dingen an solaren Strom aus dem mediterranen Raum.

    Luther : Wenn man noch etwas weiter denkt, und vielleicht hat man das auch schon im Jahr 2030, dann, denke ich, wird man zu einem sogenannten Global Link kommen. Man wird globale Stromnetze haben ...

    Nitsch : … das heißt es wird sich dann erst so recht das riesige Potential dieser Techniken für alle Menschen erschließen.

    Vogel: Ja, wir sind nun im Heizungskeller, eigentlich ’n ganz normaler Heizungskeller. Die Brennstoffzelle, das ist ja noch ein Prototyp, im Moment so wie ein etwas größerer Kühlschrank. Das sind zwei solcher Pakete. Denen wird der Wasserstoff zugeführt auf der einen Seite und Luft auf der anderen Seite. Und durch die kontrollierte Zusammenführung entsteht nun eben in diesen beiden Brennstoffzellen eine Spannung und ein Strom, also Gleichstrom und Gleichspannung. Und die müssen dann in einem Wechselrichter eben in Wechselstrom- und Wechselspannung umgewandelt werden, damit wir sie hier im Hausstrom-Versorgungsnetz auch verwenden können.

    Kesseler: Das ist der Druck, der jetzt in den Tank gepumpt wird, oder gedrückt wird. Damit sich der Tank in dem Fahrzeug füllt. Der wird auch immer wieder unterbrochen, weil die Tankstelle diesen Druck auch überprüft, wieviel im Fahrzeug drin ist.

    Kesseler: Weil der Gastank nicht ganz leer war, werd’ ich jetzt den Stutzen abmachen. ] Ne Zapfpistole, wir nennen das auch so.

    ER: Findste nicht auch?

    SIE: Was?

    ER: Dass es mal an der Zeit wäre, über Wasserstoff zu reden? Es heißt doch immer: Unsere Zukunft liegt in der Wasserstoff-Wirtschaft. Und es gibt doch auch schon die ersten Autos und Busse mit Brennstoffzellen …

    SIE: Ja, ja, aber das geht gerad’ erst los. Außerdem frag’ ich mich immer: Wo soll der ominöse Wasserstoff überhaupt herkommen?

    Kaltschmitt : Die Frage stellt sich: Welche Vorteile bringt uns der Wasserstoff? Wasserstoff an sich ist ja ein Sekundär-Energieträger, der zunächst mal bereitgestellt werden muss.

    Nitsch : Es ist ein zusätzlicher Wandlungsschritt. Sie haben zusätzliche Verluste. Und das müssen Sie abwägen gegen den zusätzlichen Nutzen. Und in dieser Abwägung zeigt sich, dass erst der Wasserstoff dann ins Spiel kommt, wenn die direkten Nutzungsmöglichkeiten von Strom und Wärme erschöpft sind. 23’06

    Wurster : Natürlich ist es kein Zweck für sich selbst, Wasserstoff zu erzeugen.

    Nitsch : Wir werden eines Tages, wenn wir - sagen wir mal - mit den Erneuerbaren Energien uns anschicken, die fossilen Energien ganz ersetzen zu wollen, in der Tat einen chemisch speicherbaren Energieträger brauchen.

    Kaltschmitt : Der Charme von Wasserstoff wär’ natürlich der, dass ich offshore Nordsee sehr große Mengen an Windstrom erzeuge, die in Wasserstoff umwandele, und Wasserstoff dann zum Beispiel in ehemaligen Erdgas-Speichern zwischenspeichern kann und damit letztlich einen gespeicherten Energieträger habe.

    Nitsch : Ich kann den Wasserstoff nachher wieder sehr effizient nutzen. Sei es im Kraftfahrzeug, ich kann ihn aber auch etwa in modernen Brennstoffzellen wieder einsetzen und mache dann zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Nutzwärme daraus. Und so hab’ ich ein geschlossenes System, in dem der Wasserstoff eine bestimmte Rolle spielt, nämlich die eines ausgleichenden Elements.

    Wurster : Wir werden sehr stark sicher in einer Strom-Wasserstoff-Wirtschaft leben. Wir werden den Strom, wenn wir ihn mal erzeugt haben, aus Primärenergie Wind oder sonstwas, immer versuchen zuerst zu nutzen. Weil’s einfach effizienter ist, ja? Ist klar. Aber immer dann, wenn es nicht geht - es ist schwierig, Autos mit ’nem Stromkabel fahren zu lassen; es ist noch schwieriger, Flugzeuge fliegen zu lassen mit ’nem Stromkabel: Da brauche ich dann einen universellen Energieträger. Und da sehen wir halt gegenwärtig nur Wasserstoff.

    Nitsch : Der Wasserstoff wird sich bei dieser Entwicklung so etwa ab dem Jahr 2030 bemerkbar machen. Er ist dann der Energieträger, der speicherbar ist, der mobil genutzt werden kann …

    Wurster : Und dann erneuerbare Energien. Und dann überall dort, wo die erneuerbaren Energien nicht direkt genutzt werden können, eben Wasserstoff. Wir sehen überhaupt nicht ’ne andere Chance, neun Milliarden Menschen auf einem einigermaßen akzeptablen Energieniveau versorgen zu können. Und das wird nie - egal, in welcher Form von Wirtschaft - unser durchschnittlicher Pro-Kopf-Energieverbrauch sein können. Das würde zum ökologischen Super-GAU führen. Und auch wir müssen unseren Umsatz pro Kopf natürlich drastisch reduzieren, damit andere noch ’n bisschen zulegen können.

    Luther : Im Jahr 2050 werden alle Länder Industrieländer sein. Dann wird man sicherlich mehr als die Hälfte der Energie aus erneuerbaren Energien bereitstellen müssen. Es gibt keine andere, heute realisierbare, absehbare Lösung, die dies mit Sicherheit garantieren kann.

    Nitsch : Das heißt, wenn wir heute nicht diesen Einstieg gezielt machen, wird diese Prognose des Jahres 2050 nicht erreichbar sein.

    Pehnt : Wir müssen uns klar machen, dass diese Vorleistungen eine Investition in die Zukunft sind.

    Wurster : Zukunft existiert nicht. Zukunft muss geschaffen werden. [Das ist klar.]

    Luther : Wenn wir vor allem global vorgehen. Wenn die internationalen Organisationen die Führerschaft übernehmen, und es nicht nur einigen Ländern, die heute die Avantgarde darstellen, überlassen, dann bin ich sicher, dass wir das schaffen können.

    Nitsch : Im Jahr 2050 werden erneuerbare Energien das Rückgrat unserer Energieversorgung bilden.

    Luther : Letztlich wird die fossile Arä zu Ende sein müssen.

    Duscha : Das ist jetzt mal so ’ne Idealvorstellung.

    SIE: Du hast ja Dein Bier gar nicht ausgetrunken.

    ER: Ah ja, stimmt! Jetzt isses sowieso schal. Pause Aber sag’ doch dem Kellner, dass er’s nicht wegschütten soll.

    SIE: Wieso’n das?

    ER: Na, da kann man doch sicher noch Biogas draus machen.

    SIE: Nngh, doofer Spruch!

    ER: Du hast doch damit angefangen …

    Als Experten zu Wort kamen:

    - Joachim Nitsch und Franz Trieb, Institut für Technische Thermodynamik im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Stuttgart;

    - Martin Kaltschmitt, Institut für Energetik und Umwelt, Leipzig, und Professor für Erneuerbare Energien an der TU Bergakademie Freiberg;

    - Martin Pehnt und Markus Duscha, IFEU, Institut für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg;

    - Joachim Luther, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Freiburg, und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung;

    - Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien;

    - Uwe Fritsche, Öko-Institut, Darmstadt

    - Reinhold Wurster, L-B-Systemtechnik Ottobrunn und Vorstand des Deutschen Wasserstoffverbands.