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Ethnische Säuberung in Myanmar
Rohingyas fliehen vor Hass und Gewalt

Keine Arbeit, keine Bildung, keine Gesundheitsversorgung: Seit vielen Jahren leben die Rohingyas vollkommen rechtlos in Myanmar. Viele sind vor der Unterdrückung bereits geflohen. Doch nun macht das Militär regelrecht Jagd auf die muslimische Minderheit - und die Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu schaut zu.

Von Udo Schmidt |
    Das Bild zeigt eine Frau mit zwei Kindern und einen alten Mann, die sich weinend in den Armen halten. Dahinter sieht man weitere Menschen.
    Die Verfolgung der Rohingyas in Myanmar entwickelt sich nach Einschätzung von Human Rights Watch und Amnesty International zu einer humanitären Katastrophe. (Mushfiq Alam / AP / dpa)
    Die Welt hat viele furchtbare, von Menschen gemachte Katastrophen gesehen in den vergangenen Jahren. Das, was sich gerade im Westen Myanmars an der Grenze zu Bangladesch und in Bangladesch selber abspielt, entwickelt sich nun nach Einschätzung von Human Rights Watch und Amnesty International zu einer der größten Katastrophen überhaupt.
    Einfach erschossen oder erstochen
    Hundertausende Rohingyas, Angehörige einer muslimischen Minderheit in Myanmar, flüchten dort vor offenbar grenzenloser Gewalt, wie Tirana Hassan von Amnesty International per skype direkt aus Bangladesch berichtet:
    "Manche waren tagelang zu Fuß unterwegs, um vor einer umfassenden Verfolgung, vor systematischem Missbrauch zu flüchten."
    Es ist eine Katastrophe, bei der die Welt bisher zuschaut - erschüttert über die Politik von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, der de facto Regierungschefin Myanmars - erschüttert, aber weitgehend tatenlos. Tirana Hassan:
    "Die Flüchtlinge haben gesehen, wie die Sicherheitskräfte Männer einfach erschossen oder erstochen haben, sie wurden exekutiert und dann das Dorf niedergebrannt."
    Rohingyas seit vielen Jahren vollkommen rechtlos
    370.000 Rohingyas, Muslime, die in Myanmar nicht anerkannt und vollkommen rechtlos sind, sind bisher von Myanmar nach Bangladesch geflohen. Geflohen vor der jahrelangen Unterdrückung im buddhistischen Myanmar, geflohen ganz konkret vor dem Militär Myanmars, das Jagd auf die Muslime macht, seitdem eine Rohingya-Miliz ihrerseits zu Gewalt gegriffen hat.
    Seit vielen Jahren sind die über eine Million Rohingyas rechtlos in Myanmar, leben ohne Arbeit, ohne Bildung, ohne Gesundheitsversorgung, viele in staubigen Lagern. Vor zwei Jahren flohen Tausende über die Andamanensee nach Thailand und Malaysia. Hunderte starben, es waren die Boatpeople Asiens.
    Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin tatenlos
    Dann kam nach den Wahlen Ende 2015 Aung San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin an die Macht und es keimte Hoffnung auf. Hoffnung auf eine Besserung der Lage. Doch Daw Suu, Mutter Suu, wie sie im Land ehrfürchtig genannt wird - tat nichts. Bis heute nicht, sagt Louis Charbonneau, der UN-Experte von Human Rights Watch:
    "Wir sind sehr enttäuscht von Aung San Suu Kyi. Sie muss eine wichtige Rolle spielen, sie muss das Vorgehen des Militärs stoppen, sie bestimmt de facto die Regierungsgeschäfte. Sie darf nicht weiter schweigen."
    Endlich befasst sich der Weltsicherheitsrat nun wieder mit den Rohingya-Greueln. Antonio Guterres, der UN-Generalsekretär, hat dazu aufgefordert, Schweden und Großbritannien haben die Sitzung beantragt. Aber getagt wird hinter verschlossenen Türen, kritisiert Louis Charbonneau:
    "Es ist schwer zu verstehen, warum der Sicherheitsrat nur hinter verschlossenen Türen über Myanmar spricht. Die Rede ist schließlich von ethischer Säuberung. Ich finde das schockierend."
    Der Sicherheitsrat kann Druck auf Aung San Suu Kyi ausüben, die Friedensikone, für die Menschenrechte offenbar teilbar sind und deren Stern international gerade sinkt. Fraglich ist, ob es im Sicherheitsrat zum Thema Myanmar eine einheitliche Meinung gibt.