Manfred Götzke: Ginge es allein ums Geld dann wäre die Europäische Union größtenteils eine Verteilmaschine von Agrarsubventionen. Mehr als ein Drittel des EU-Haushaltes geht für die Landwirtschaft drauf - und das soll auch erstmal so bleiben. Nach welchen Kriterien die knapp 390 Milliarden Euro künftig an die Bauern ausgeschüttet werden – das könnte sich allerdings ändern. Umwelt- vor allem aber Klimaschutz sollen im nächsten EU-Haushalt eine größere Rolle spielen.
In welchem Umfang - sprich, wie viele Vorgaben die EU den Bauern bei Umwelt und Klima machen will – das dürfte sich in dieser Woche entscheiden: Denn heute verhandeln nicht nur die EU-Agrarminister über die gemeinsame Agrarpolitik sondern auch das Europaparlament.
Harald Grethe ist Professor für Agrarpolitik an der Humboldt Universität Berlin und Vorsitzender des Agrar-Beirats beim Bundeslandwirtschaftsministerium. Herr Grethe, rechnen Sie diese Woche mit einem Durchbruch für eine klima- und umweltfreundlichere Landwirtschaft?
Harald Grethe: Ich gehe davon aus, dass man sich im Ministerrat voraussichtlich einigen wird und eine gemeinsame Linie abstimmt. Ich würde das allerdings nicht als Durchbruch für eine klima- und umweltfreundliche gemeinsame Agrarpolitik betrachten. Weil alles, was an möglichen Kompromissen im Raum steht bei weitem nicht ausreicht, um dem aktuellen Handlungsbedarf zu begegnen.
"Ein wichtiger Schritt"
Götzke: Dann lassen sie uns über eine Kompromisslinie sprechen: Im EU Parlament zeichnet sich ein Kompromiss ab: Eine Mehrheit der Abgeordneten will, dass ein Drittel der Direktsubventionen an Umwelt- und Klimaprogramme geknüpft werden. So genannte Eco-Schemes. Ist das ein wichtiger Schritt?
Grethe: Das ist in der Tat ein wichtiger Schritt. Bisher ist es ja nur so, dass der Kommissionsvorschlag Eco-Schemes freiwillig vorsieht und in welchem Umfang EU-Staaten sie dann umsetzen ist völlig offen. Es gibt auch nicht wenig Mitgliedstaaten, die dafür plädieren, das gar nicht verpflichtend zu machen. So ein Budget herauszugreifen und zu sagen, das soll für Umwelt- und Klimaschutz eingesetzt werden, wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Allerdings müssen wir auch berücksichtigen, dass wir immerhin 50 Milliarden Euro jedes Jahr in der gemeinsamen Agrarpolitik verteilen und da ist 30 Prozent des Gesamtbudgets dann gar nicht so viel. Denn der Rest wird überwiegend eingesetzt für relativ wenig an konkreten Zielen orientierte pauschale Flächensubvention.
"Subventionen nur für gesellschaftliche Ziele"
Götzke: Und auch hier sagen sie: wäre…
Grethe: Ja, das wäre, denn wir haben Mitgliedstaaten, die deutlich weniger fordern, bis hin zu gar nicht. Der deutsche Kompromissvorschlag, den wir der Presse entnehmen konnten, der liegt bei 20 Prozent, das ist schon deutlich weniger. Es ist unsicher, ob im Ministerrat diese 20 Prozent durchgehen. Und das ist einfach zu wenig aus wissenschaftlicher Sicht.
Es gibt ja viele Räte und Beiräte in Deutschland und auf europäischer Ebene, die Empfehlungen machen zu dieser Agrarpolitik und da muss man einfach sagen, es gibt keinen Grund für pauschale Flächensubventionen außer die Erbringung von Gemeinwohlleistungen. Das heißt: Was wir da zurzeit haben, diese 100 Prozent, die müssen langfristig zu 100 Prozent eingesetzt werden für gesellschaftliche Ziele und da 70 Prozent zu belassen für Direktzahlungen – das wird ja festgeschrieben für die nächsten sieben Jahre – das ist bedauerlich.
Götzke: Es steht ja bei den Direktzahlungen, die wie Sie sagen immer noch der Maßstab sind, eine Kappungsgrenze im Raum. Sehen Sie da Möglichkeiten für einen Kompromiss?
Grethe: Die Kappungsgrenze halte ich grundsätzlich für Unsinn. Da werden kosmetisch die Auswüchse der Direktzahlungen kaschiert. Natürlich ist es so, dass, wenn man pauschale Flächensubventionen macht, dass diejenigen besonders viel bekommen, die viele Flächen bewirtschaften. Und da will man bei den Betrieben, die besonders groß sind, abschneiden. Das hilft aber auch nicht wirklich, weil es aufgrund vieler Ausnahmeregelungen am Ende ohnehin nur wenige Betriebe sein werden, wo man abschneidet.
Und außerdem die Frage der Betriebsgröße für die Umwelt- und Klimawirkung relativ irrelevant ist. Statt dort zu kappen und diese Direktzahlungen hier und dort ein wenig zu reparieren, sollte man sagen, wir nehmen das Geld und honorieren damit Leistungen wie das in den Eco Schemes und in anderen Teilen der Agrarpolitik in der so genannten Zweiten Säule das Modell ist und wer dann diese Leistungen erbringt, der soll das Geld bekommen – ob das nun große Betriebe sind oder kleine Betriebe.
Nicht nur Osteuropäer blockieren
Götzke: Wer ist denn aus Ihrer Sicht der größte Blockierer?
Grethe: Das ist schwer, dass eindeutig zu gruppieren. Insgesamt kann man feststellen, dass die Ost- und Südosteuropäer ein deutlich geringeres Interesse daran haben, Budgets für die Agrar- Umweltpolitik festzuschreiben aber auch im westlichen Teil der Europäischen Union gibt es viele, die gerne viel über Agrarklima- und Umweltschutz reden, aber auch froh sind, wenn ein Großteil der Subventionen in den pauschalen Flächensubventionen bleibt.
Insofern wäre ich vorsichtig damit, aus den geäußerten Statements der Ministerinnen und Minister so eindeutig abzulesen, wie die wirklichen Positionen sind. Insgesamt sind es diejenigen in den jeweiligen Mitgliedstaaten, die das gegenwärtige System erhalten wollen, also ein Interesse daran haben, dass hohe Subventionen für landwirtschaftliche Flächen gezahlt werden. Das sind Bodeneigentümer und ein großer Teil der Landwirtschaft, wo das bisher so eingeschätzt wird, dass das für sie eine langfristig sinnvolle Politik ist.
Götzke: Also Sie sehen da wirklich schwarz?
Grethe: Ja.
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