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EU-Außenbeauftragter
Brok: Erfahrung und Standing gesucht

In der Debatte um die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Ashton plädiert der Europaabgeordnete Elmar Brok für einen Politiker mit Erfahrung. Kandidaten gebe es viele, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament im DLF.

Elmar Brok im Gespräch mit Mario Dobovisek | 17.07.2014
    Elmar Brok sitzt an einem Tisch und spricht in ein Mikrofon
    Elmar Brok (CDU) (picture alliance / dpa / Julien Warnand)
    Es gebe verschiedene Kandidaten, die dieses Profil erfüllten - im Gegensatz zu einer "Person, die seit vier Monaten Außenpolitik macht". Damit bezog sich Brok auf den Vorstoß des italienischen Premiers Matteo Renzi. Der Sozialdemokrat hatte Außenministerin Federica Mogherini als Nachfolgerin von EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton vorgeschlagen. Diese sei eine "großartige Frau mit Potenzial", so Brok. Doch bedürfe es "mehr Erfahrung und Standing", sich gegen 28 Außenminister durchzusetzen durchzusetzen.
    Der christdemokratische Politiker sagte außerdem, er wünsche sich, dass mit dem nächsten Amtsinhaber "die nächste Stufe kommt mit einem europäischen Außenminister ". So seien unter Ashton noch nicht genügend "Synergieeffekte mit dem Europarat" erreicht worden, dies zeige sich beispielsweise in der noch immer nicht erreichten uneinheitlichen Russland- und Energiepolitik.
    Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich gestern bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel nicht auf die Besetzung von EU-Spitzenposten einigen können. EU-Ratspräsident Van Rompuy sagte nach Gipfel-Ende in der Nacht, bei einem neuen Treffen am 30. August solle aber eine Einigung auf ein "gesamtes Paket" beim EU-Führungspersonal gefunden werden. Bei dem EU-Sondergipfel ging es auch um die Nachfolge Van Rompuys.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Da mussten sie Überstunden machen, die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, gestern in Brüssel auf ihrem Sondergipfel. Hauptthema dort: Die Postenvergabe in der Europäischen Union nach der Wahl des Kommissionspräsidenten, zum Beispiel die Nachfolge der Außenbeauftragten Catherine Ashton, und die ist wahnsinnig kompliziert. Da gibt es Südländer und Nordländer, reiche und arme Länder, Euro- und Nicht-Euro-Länder, neue und alte Mitgliedsstaaten, kleine und große, Osten, Westen, Mann, Frau, rechts, links, und alle wollen befriedigt werden. Nicht einfach und derart verfahren, dass der Gipfel gestern erst mit gut zwei Stunden Verspätung beginnen konnte und am Ende vertagt werden musste.
    Derlei Treffen hat unser folgender Gesprächspartner schon viele kommen und gehen sehen. Seit 1980 ist er für die CDU Abgeordneter im Europaparlament, dort Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Elmar Brok!
    Elmar Brok: Guten Morgen!
    Dobovisek: Die EU hat die Sanktionsschraube gegen Russland ein weiteres Mal angezogen. Ist das ein richtiger Schritt, Herr Brok?
    Brok: Ja. Ich glaube, das ist ein richtiger Schritt, dass wir zeigen, dass wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sind, dass Russland nach wie vor nicht die notwendigen Beiträge leistet, um diese separatistischen Bewegungen, die Gewalt ausüben, zu beenden, dass nach wie vor Waffen und Personal aus Russland dort hineinkommt, um diese Separatisten zu unterstützen, und dies ist keine akzeptable Haltung, dies ist völkerrechtswidrig und darauf muss die Europäische Union wie auch andere reagieren.
    "Das ist die Konsequenz insgesamt der russischen Politik"
    Dobovisek: Erstmals werden nicht nur Personen mit Sanktionen belegt, sondern auch Unternehmen. Wird das am Ende auch der Wirtschaft in Europa schaden?
    Brok: Ich glaube, das wird nur in begrenztem Umfange Auswirkungen haben. Wir sehen ja, dass Russland hier besondere Probleme hat. Aber was sollen wir machen? Wenn hier Völkerrechtsbrüche da sind, dann müssen wir sorgen, dass es keine Weiterungen hat. Das würde sehr viel größeren politischen und wirtschaftlichen Schaden mit sich bringen, so dass man das bisher unter Kontrolle hat. Ein Hauptproblem ist ja nun für Russland, dass es einen gewaltigen Kapitalabfluss hat, auch keine Investitionen stattfinden und dass es zurzeit jetzt in eine Depression hineingeht, minus drei Prozent Wirtschaftswachstum wahrscheinlich in diesem Jahr, und das hat natürlich zur Konsequenz, dass das Folgerungen für den Handel hat. Das ist die Konsequenz insgesamt der russischen Politik.
    Dobovisek: Die Meldungen gestern gingen ein wenig hin und her, was mögliche Friedensgespräche angeht. Jetzt heißt es, die Separatisten seien bereit heute Abend zu einer Videokonferenz, zu einem ersten Gespräch über das Ende des Blutvergießens. Wie schätzen Sie das ein?
    Brok: Ich finde es gut, wenn die beiden Seiten miteinander reden würden. Das ist ja zwischen Präsident Putin und Bundeskanzlerin Merkel am Rande des WM-Endspiels besprochen worden. Und wenn dadurch die direkten Kontakte da sind, wäre das sicherlich eine Möglichkeit, hier vielleicht die Probleme einzuengen und dadurch Gewalt zu beenden und die volle Zuständigkeit der ukrainischen Regierung über ihr Territorium wiederherzustellen. Ich glaube, wenn die Separatisten gutwillig sind, sind sie ja bereit, über die Angebote zu reden, die mit Dezentralisierung des Landes zu tun haben.
    Dobovisek: Miteinander reden, vermitteln, Sikorski vermittelte im Konflikt, Steinmeier reiste nach Kiew und Moskau, ein Schaulaufen europäischer Außenminister war das geradezu. Wäre das nicht die Aufgabe der gemeinsamen Außenbeauftragten gewesen, die Aufgabe von Catherine Ashton?
    Brok: Ja. Das ist ja zum Teil auch in Absprache mit Catherine Ashton gewesen. Aber ihre Konzentration auf die Verhandlungen mit dem Iran sind ein bisschen zu ausschließlich gewesen. Wir hätten uns gewünscht, wenn sie auch dort präsenter gewesen wäre.
    Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton trifft Irans Präsident Hassan Ruhani.
    Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton trifft Irans Präsident Hassan Ruhani. (dpa/Iranian Presidential Office/Ha)
    Dobovisek: War Lady Ashton am Ende so schwach und stimmlos, wie es ihr ihre Kritiker vor fünf Jahren vorgeworfen haben?
    Brok: Nein, das würde ich nicht sagen, denn sie hat ja einen unglaublich schweren Job gehabt, denn diese Position ist ja jetzt erst neu eingerichtet gewesen. Sie musste erst eine Art Auswärtiges Amt aufbauen, da gab es nichts bisher, auch die Strukturen mit Botschaften weltweit, so dass dieses weitestgehend erreicht worden ist. Aber die Synergieeffekte, die mit diesem Amt verbunden werden sollten zwischen Kommission und Rat, sind nicht vollständig erreicht worden, und es sind auch nicht konkrete Vorschläge zur Entwicklung von wirklichen Strategien da. Wir haben nach wie vor keine einheitliche Russland-Politik, keine einheitliche Energie-, Außenpolitik, und das zeigt sich gerade in dieser Krise mit der Ukraine, dass das doch notwendig ist, dieses endlich zu entwickeln.
    Dobovisek: Wer steht da auf der Bremse seit fünf Jahren?
    Brok: Nein, ich glaube, das ist auch ein Entwicklungsprozess. Es kann nicht alles sofort geschehen. Deswegen ist das immer eine Frage, ist das Glas halb leer, oder halb voll. Denn was die Europäische Union in Sachen Iran mit vielen Missionen gemacht hat, Frieden stiften vom Balkan bis Afrika, auch am Horn von Afrika, das sind ja große Leistungen, die vor zehn Jahren nicht vorstellbar gewesen wären. Aber jetzt zeigt sich bei den Krisen um uns herum, bei dem Blutvergießen um uns herum, dass dies bei weitem nicht ausreicht, und ich hoffe, dass jetzt die nächste Stufe kommt durch die Auswahl eines europäischen Außenministers, der das entsprechend fortsetzen kann und vertiefen kann.
    "Federica Mogherini fehlt außenpolitische Erfahrung"
    Dobovisek: Eigentlich hatten wir uns ja heute Morgen dazu verabredet, über einen neuen Namen zu sprechen, nämlich die Nachfolge Catherine Ashtons. Das bleibt jetzt aus. Sind Sie überrascht?
    Brok: Nach der Entwicklung der letzten zwei, drei Tage bin ich nicht mehr überrascht und es muss auch klar sein, dass diese Position wirklich von einer erfahrenen Person besetzt werden muss. Ich finde es bedauerlich, dass wie vor fünf Jahren die Sozialisten, die diese Position beanspruchen, nachdem der Christdemokrat Juncker Kommissionspräsident geworden ist, wiederum nicht in der Lage sind, einen Vorschlag zu machen, der wirklich Erfahrung mit sich bringt, und ich hoffe, dass jetzt die Zeit genutzt wird, dass dafür eine Persönlichkeit gewonnen wird, denn jemand, der Außenpolitik seit vier Monaten macht, ist sicherlich nicht in der Lage, ...
    Dobovisek: Sie sprechen von Federica Mogherini, der italienischen Außenministerin, die die Sozialisten präferieren. Sie halten Sie für ungeeignet?
    Brok: Sie ist sicherlich eine großartige Frau, die großes Potenzial hat, aber in dieser Zeit sich gegen 28 Außenminister durchzusetzen und einen solchen Laden zu führen und voranzubringen, braucht, glaube ich, ein höheres Maß an außenpolitischer Erfahrung und Standing, und das vermissen viele dort. Auch, wie richtig gesagt wurde, ihre Position etwa im italienischen Arbeitsprogramm für die Ratspräsidentschaft bezüglich Russland und der östlichen Partnerschaft, die bei ihr gar nicht stattfindet, ist ein Hinweis darauf, dass alle 28 Länder dieses akzeptieren können, so dass man jetzt überlegen muss und Zeit hat, hier eine vernünftige Lösung zu finden.
    Dobovisek: Wer wäre denn besser geeignet aus Ihrer Sicht?
    Brok: Da gibt es Zahlreiche. Aus meiner politischen Familie sind eine ganze Reihe Leute wie der polnische Außenminister Sikorski, der schwedische Außenminister Carl Bildt, oder die Kommissarin Kristalina Georgiewa, aus Bulgarien, die viel Erfahrung hat und die Vizepräsidentin der Weltbank war, aber auch auf der sozialistischen Seite der Italiener D'Alema, die Französin Élisabeth Guigou, die dort Europa, Justiz- und Sozialministerin war und heute den Auswärtigen Ausschuss der französischen Nationalversammlung leitet. Ich könnte Ihnen noch einige Namen mehr nennen, die hier in Frage kämen.
    Dobovisek: Mir reicht einer, Herr Brok. Wen würden Sie denn präferieren als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses?
    Brok: Das ist jetzt erst eine Frage an die Sozialisten, denn die Sozialisten haben hier den ersten Zugriff, und ich könnte mit all diese Namen, die ich hier genannt habe, leben.
    Dobovisek: Wie viel Spielraum müssten denn die Staats- und Regierungschefs, müsste der Europäische Rat dem Neuen an der Spitze des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union einräumen, um wirklich handlungsfähig zu sein?
    Brok: Den Rahmen muss man sich nehmen. Die Hohe Beauftragte, die Außenministerin muss ja auch noch durchs Europäische Parlament. Wir müssen dieser Person zustimmen, so dass auch wir bestimmte Erwartungen im Europäischen Parlament daran haben. Die Person muss im Auswärtigen Ausschuss sich einem Hearing unterziehen und ich glaube, dass sie selbstständig sein muss. Sie führt den Vorsitz im Außenministerrat und diese Rolle muss aktiv wahrgenommen werden, um gestalterisch tätig zu sein, nicht zu folgen, was die Nationalstaaten wollen, sondern mit dem großen Apparat, der ihr zur Verfügung steht, Vorschläge zu machen, die die europäische Politik vorantreibt und Begründungszwänge für die Außenminister bringt, wenn sie dem nicht folgen wollen.
    Dobovisek: Elmar Brok, für die CDU Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, zur Außenpolitik der Europäischen Union nach dem EU-Sondergipfel vergangene Nacht. Ich danke Ihnen.