Die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Trump deuten zwar darauf hin, dass kurzfristig eine militärische Eskalation mit dem Iran abgewendet ist, doch bleibt die Situation im Nahen Osten weiterhin angespannt. Der Gesprächsstoff geht den EU-Außenministern am Freitagnachmittag (10.01.20) in Brüssel sicher nicht aus.
"Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit miteinander zu sprechen. Wir werden das am Freitag mit den Außenministern der Europäischen Union tun, aber wir machen das aber auch mit allen Beteiligten, mit allen Seiten und jeder sollte seinen Beitrag dazu leisten, dass jetzt Zurückhaltung geübt wird, dass sich die Lage beruhigt", sagte Bundesaußenminister Maas Mitte dieser Woche in Brüssel.
Der Beitrag, den die EU-Kommission dazu leisten kann, hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen bereits beschrieben. Es gehe darum, Räume der Diplomatie zu nutzen und auszuschöpfen.
"Wir haben bewährte Kontakte mit vielen Akteuren in der Region und darüber hinaus aufgebaut, um die Situation zu deeskalieren. Wir haben diskutiert, welche Folgen sie hat für mehrere Bereiche, zum Beispiel Energie, Verkehr, Stabilisierung, wirtschaftliche Entwicklung und Wiederaufbau. Die EU ist in diesem Bereich sehr engagiert und ihre Stimme wird gehört."
EU will Atomabkommen am Leben erhalten
Die Stimme der EU ist dabei unter anderem der Außenbeauftragte Josep Borrell. Er hatte am vergangenen Wochenende vor einer Spirale der Gewalt gewarnt, den iranischen Außenminister Sarif nach Brüssel eingeladen, mit diesem telefoniert. Eines der Kernanliegen der EU im Umgang mit dem Iran ist es, das stark gefährdete internationale Atomabkommen, auch JCPOA genannt, am Leben zu erhalten beziehungsweise wiederzubeleben.
"Das Atomabkommen ist heute wichtiger denn je, denn es ermöglicht uns, auf multilateraler Ebene mit Russland und China über viele Risiken zu sprechen, denen wir begegnen."
Der Iran hat allerdings die fünfte und letzte Phase des Rückzugs aus dem Vertrag angekündigt, auch wenn er weiterhin mit der Internationalen Atomenergiebehörde kooperieren will. Zur Debatte steht, dass die Europäer das im Abkommen vorgesehene, mehrstufige Streitschlichtungsverfahren aktivieren, mit dem am Ende wieder die UN-Sanktionen gegen den Iran in Kraft gesetzt könnten. Cornelius Adebahr, Iranexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, hält das Instrument für wenig hilfreich:
"Ob das etwas nützt, wage ich zu bezweifeln, weil ja durch diesen Mechanismus nur etwas formalisiert wird, was im Moment der Fall ist, dass eine Seite diesen Atomdeal nicht mehr erfüllt. Am Ende müsste aber ja eine Lösung stehen, wie der Iran wieder zurückgebracht werden kann und diese Lösung ist eigentlich offensichtlich, es müsste eine Art von Handel geben mit den Europäern geben."
Das ist eigentlich Aufgabe der Handelsgesellschaft Instex, die europäischen Firmen das Irangeschäft ermöglichen soll, an US-Sanktionen vorbei. Ein Konstrukt, mit dem Teheran davon überzeugt werden soll, dass es vom Abkommen profitiere. Hier sieht der Iranexperte Cornelius Adebahr Spielräume:
"Gerade was die Geschäfte betrifft, da könnte es eben auch eine Schnittmenge mit den USA geben. Die USA sagen, dass sie ihrerseits den sogenannten humanitären Handel aufrechterhalten wollen, also den Handel mit Lebensmitteln, Medikamenten und Ähnlichem. Das ist genau der Kanal, den Instex anbieten könnte."
Zweites Thema: Bürgerkrieg in Libyen
Ebenso vor einer schwierigen Lage sieht sich die EU mit Blick auf den Bürgerkrieg in Libyen: Der Außenbeauftragte Borrell und EU-Ratspräsident Michel hatten diese Woche mit dem international anerkannten libyschen Premier Sarradsch in Brüssel gesprochen, mit dabei waren auch mehrere EU-Außenminister. Ziel der europäischen Diplomatie-Bemühungen ist es, die im Bürgerkrieg verfeindeten Parteien zum Waffenstillstand und einer Verständigung zu führen, gleichzeitig dafür zu sorgen, dass äußere Mächte den Konflikt nicht weiter befeuern. Dazu sind mehrere Gespräche im Gange. Morgen reist EU-Ratspräsident Michel nach Kairo und Istanbul. Auch stellte der Außenbeauftragte Borrell ein Gespräch mit dem libyschen General Haftar in Aussicht, dem Gegenspieler zur Regierung in Tripolis.
Sollte die EU den Prozess zu einem Frieden in Libyen erfolgreich moderiert haben, könnte das als erster großer außenpolitischer Erfolg Europas gefeiert werden; seit dem Wechsel der EU-Kommission und dem Wechsel an der Spitze des Rates.