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EU-Austritt Großbritanniens
May entscheidet sich für Konfrontation

Die britische Premierministerin Theresa May will heute eine Grundsatzrede zum Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union halten. Das Vereinigte Königreich wird wohl einen sogenannten "harten Brexit" anstreben - was einen Konfrontationskurs mit der EU bedeutet.

    Die britische Premierministerin Theresa May spricht am 8. Januar 2017 während eines Fernsehinterviews in London.
    Die britische Premierministerin Theresa May (dpa / picture-alliance / John Stillwell)
    Großbritannien ist demnach prinzipiell zu einem Ausstieg aus dem europäischen Binnenmarkt bereit. May werde in ihrer Rede an diesem Dienstagmittag in London einen Zwölf-Punkte-Plan für die Trennung von der EU vorlegen, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. "Wir streben nicht danach, an Häppchen der Mitgliedschaft festzuhalten, wenn wir gehen", zitierte der Nachrichtensender Sky News aus Mays Redemanuskript, das ihm nach eigenen Angaben vorliegt. Nach Angaben von DLF-Korrespondent Friedbert Meurer appellierte May auch an die Briten, nun zusammenzuhalten.
    Ein Regierungssprecher bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zum Dienstag die Berichte über den Zwölf-Punkte-Plan, ohne aber ins Detail zu gehen. Zur Europäischen Union gehören derzeit neben Großbritannien noch 27 weitere Länder. Diese Staaten sind sich einig, dass Großbritannien nicht im europäischen Binnenmarkt bleiben darf, falls es den Zuzug von EU-Arbeitnehmern einschränken sollte. Kritiker werfen May vor, schon zu lange geheim zu halten, was Großbritannien in den anstehenden Austrittsverhandlungen mit der EU genau erreichen will.
    Wirtschaftsexperte: "Keine andere Wahl als harter Brexit"
    Der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, geht fest davon aus, dass die britische Premierministerin Theresa May am Mittag Pläne für einen "harten Brexit" präsentieren wird. Die Europäer hätten ihr keine andere Wahl gelassen, sagte Fuest im Deutschlandfunk. Dies sei aber der Beginn der Verhandlungen, nicht das Ende.
    Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sagte ebenfalls im Deutschlandfunk, dass der weiche Ausstieg nie eine Option gewesen sei.
    Hart oder weich?

    Unter "hartem Brexit" versteht man einen klaren Bruch mit Brüssel. Das Verhältnis zwischen Großbritannien und den verbliebenen 27 EU-Staaten wäre vergleichbar mit der Beziehung der EU zu Kanada. EU-Bürger müssten eine Arbeitserlaubnis beantragen, um in dem Land leben und arbeiten zu dürfen. Nötig wäre ein Freihandelsabkommen, damit auf Waren und Dienstleistungen keine Zölle erhoben werden.

    Mit "weichem Brexit" ist gemeint, dass Großbritannien eine ähnlich enge Anbindung an die EU suchen könnte wie Norwegen. Das Land ist kein EU-Mitglied, hat aber vollen Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Im Gegenzug muss es zum EU-Haushalt beitragen, EU-Bürgern erlauben, in Norwegen zu leben und zu arbeiten, und einen großen Teil der EU-Gesetzgebung übernehmen.
    Merkel fordert Schulterschluss mit deutscher Wirtschaft
    Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte bereits einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft bei den Verhandlungen mit Großbritannien. Sicher sei man aus vielen Gründen weiter an einem guten Verhältnis interessiert, sagte sie am Montagabend beim Neujahresempfang der IHK Köln. Aber wenn Großbritannien die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes nicht akzeptieren wolle, dass könne es keinen vollen Zugang mehr erhalten, sagte Merkel. Die britische Regierung will die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus EU-Staaten einschränken. "Ich bitte Sie als Vertreter der Wirtschaft, dass wir da gemeinsam handeln", appellierte Merkel an die Unternehmen.
    Großbritannien als wichtiger Handelspartner Deutschlands: Diagramme zum Ranking und wichtigen Export- und Importgütern
    Großbritannien als Handelspartner (dpa / picture-alliance / dpa-Grafik)
    Merkel dämpfte Erwartungen, es könne rasche Festlegungen geben. Letztlich zähle nur das, was als Austrittsantrag eingereicht werde, sagte Merkel am Montag in Berlin.
    Der designierte US-Präsident Donald Trump kündigte einen möglichen amerikanisch-britischen Handelspakt an. Dazu sagte der britische Außenminister Boris Johnson, ein solches Freihandelsabkommen müsse aber die Interessen beider Seiten berücksichtigen.
    Zeitplan unklar wegen Gerichtsentscheidung in London
    Für einen Austritt aus der EU hatten sich die Briten in einem Referendum im Juni 2016 mit knapper Mehrheit von 52 Prozent ausgesprochen. Das Thema Einwanderung spielte eine dominierende Rolle. EU-Ausländer im Land wurden unter anderem für Druck auf dem Arbeitsmarkt, Probleme im Gesundheitswesen und Wohnungsnot verantwortlich gemacht.
    Spätestens Ende März will May die Austrittserklärung ihres Landes nach Brüssel schicken. Erst dann können die Verhandlungen beginnen. Ob sich dieser Zeitplan einhalten lässt, hängt auch von einem Urteil des höchsten britischen Gerichts ab, mit dem noch im Januar gerechnet wird. Die Richter sollen entscheiden, ob May die Zustimmung des Parlaments einholen muss, bevor sie die EU förmlich über den geplanten Austritt Großbritanniens in Kenntnis setzt.
    (nch/mg)