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EU-Beitritt: "Da muss Kroatien noch einiges leisten"

Der neue Chef der EU-Sozialdemokraten, Hannes Swoboda, begrüßt das "Ja" der Kroaten zu einem EU-Beitritt 2013. Das Land müsse sich jetzt um Investoren bemühen und die Korruption bekämpfen, sei aber auf einem guten Weg.

Das Gespräch führte Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die Kroaten haben also "Ja" zum EU-Beitritt ihres Landes im Sommer 2013 gesagt. Mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen lauteten ja für diesen Schritt, gestern bei einem Referendum.
    Am Telefon begrüße ich den österreichischen Politiker Hannes Swoboda, seit einigen Tagen Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, wo er Martin Schulz in dieser Funktion abgelöst hat. Guten Morgen, Herr Swoboda.

    Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen.

    Klein: Schauen wir auf das Referendum in Kroatien gestern. Ungetrübte Freude bei Ihnen, auch wenn nicht einmal die Hälfte der Bürger ihre Stimme abgegeben hat?

    Swoboda: Nun, ich war für viele Jahre ja Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Kroatien, und in diesen Gesprächen habe ich gemerkt, dass da ein wirklicher Wille da ist, der Europäischen Union beizutreten. Allerdings die Situation heute der Europäischen Union ist ja nicht so attraktiv, dass man mit großer Begeisterung eintritt, und das ist vielleicht auch gar nicht so schlecht, weil man mehr realistisch an die Sache herangeht und dadurch ein bisschen die Erwartungen nicht zu hoch schraubt.

    Klein: Nicht ganz so große Begeisterung sagen Sie, möglicherweise auch angesichts der aktuellen Schwierigkeiten, mit denen sich die Europäische Union auseinanderzusetzen hat. Sind die Hoffnungen, die offenbar aber trotzdem bei vielen Kroaten bestehen, da möglicherweise auch etwas überzogen, was eine schnelle Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage angeht?

    Swoboda: Ich glaube, sie sind realistisch genug. Sie haben ja auch eigene Probleme, unabhängig von der Europäischen Union. Sie wissen, dass sie besser aufgehoben sind in der EU, aber sie wissen, dass viele eigene Anstrengungen notwendig sind. Das weiß insbesondere die neue Regierung, die mit neuem Elan an die Sache herangegangen ist. Es zeigt sich auch bei den anderen Beispielen in der EU: Wenn man die Vorteile nur so auf sich zukommen lässt, zum Beispiel das billige Geld des Euros, und nicht eigene Anstrengungen unternimmt, um das auch produktiv und effektiv zu verwenden, dann kann es trotzdem zur Krise kommen. Und das, glaube ich, ist an und für sich den Kroaten sehr bewusst.

    Klein: Welche Hausaufgaben muss Kroatien jetzt noch erledigen in den kommenden eineinhalb Jahren?

    Swoboda: Im Wesentlichen sind es zwei. Das sind natürlich die wirtschaftlichen. Man muss schauen, dass man neue Investoren bekommt, nicht nur im Tourismus, sondern auch in anderen Bereichen. Und natürlich der Kampf gegen die Korruption und die Reform des Justizwesens. Da ist viel geschehen, aber man ist noch nicht am Ende, und das hängt ja auch zusammen, denn Investoren wollen ja ein Land haben und Investitionsmöglichkeiten ohne Korruption, ohne zu viel Bürokratie. Da muss Kroatien noch einiges leisten, aber es ist auf einem guten Weg.

    Klein: Wo genau sehen Sie denn Handlungsbedarf?

    Swoboda: Ja vor allem darin, dass nicht nur Gesetze gemacht werden – die sind gemacht -, sondern dass es umgesetzt wird, dass die Korruptionsbehörde (es gibt dort eine sehr gute unabhängige Korruptionsbehörde) auch wirklich freie Hand bekommt bei der Verfolgung von verschiedenen Vorfällen. Die Tatsache, dass sogar ein ehemaliger Ministerpräsident dort angeklagt ist, zeigt, dass man wirklich den Willen hat, unabhängig vom Ansehen und der Rolle der Personen auch wirklich gegen die Korruption vorzugehen.

    Klein: Sie haben die Schwierigkeiten der Europäischen Union im Augenblick angedeutet. Ist es gerade in dieser Zeit eigentlich ein ausschließlich gutes Signal, neue Mitglieder aufzunehmen, während doch die Art der Zusammenarbeit selbst für die bisherigen 27 überhaupt noch nicht im Detail klar und wirklich ausgearbeitet ist?

    Swoboda: Es geht jetzt einmal um ein Mitglied und über Jahre, über fünf, sechs Jahre, wird es keinen weiteren Beitritt geben. Dieses Signal ist wichtig, um der Region auch zu signalisieren, ja, wenn ihr die Reformen macht, die notwendig sind, dann könnt ihr kommen, wir wollen dort kein schwarzes Loch im Balkan-Bereich haben. Aber ich bin absolut der Meinung, dass wir vor dem nächsten Beitritt die Reformen durchführen müssen, institutionell, aber vor allem auch inhaltlich, die notwendig sind, um Europa wieder in Schwung zu bringen.

    Klein: Wenn wir uns die Schwierigkeiten im Augenblick anschauen, diesen geplanten Fiskalpakt der europäischen Staaten zu zimmern und im Detail auszuarbeiten – wir stellen uns vor, dass mit Kroatien dann ab nächstem Sommer ein weiteres Mitglied mit am Tisch sitzt -, wo sehen Sie das Land im Bezug darauf?

    Swoboda: Ich glaube, dass der Fiskalpakt ja ein Nebengleis ist, auf dem wir uns begegnen, denn die Schulden waren nur in einem einzigen Land wirklich das Problem, die öffentlichen Schulden, nämlich in Griechenland. In Spanien und in anderen Ländern war das ja nicht das Ursprungsproblem. Daher ist das nicht das Zentrale. Das Zentrale ist, dass alle Länder an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Das gilt natürlich auch für Kroatien. Wir müssen schauen, ob es sich um Spanien, Italien, Portugal etc. handelt, und eben auch Kroatien, dass sie versuchen, durch ein System des sozialen Friedens, aber eben auch durch mehr Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung, durch Investitionen im öffentlichen Sektor die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die Chinesen schlafen nicht und die Inder nicht und auch Amerika nicht, und wenn wir glauben, wir können nur uns mit den internen Problemen beschäftigen und nicht schauen, dass wir auch global wettbewerbsfähig sind, dann haben wir uns getäuscht.

    Klein: Stellen wir die Frage so: Wie groß sind die Haushalts- und Schuldenprobleme, die Kroatien mitbringen wird in die Europäische Union?

    Swoboda: Das ist momentan nicht das gravierende Problem, vor allem, weil es ja nicht um den Euroraum geht. Kroatien tritt ja nicht der Eurozone bei, daher sind die Probleme, die wir in der Eurozone hier haben, nicht relevant für Kroatien. Kroatien hat Zeit genug, sich an die Regeln, die für die Eurozone notwendig sind, anzupassen, aber das wird noch etliche Jahre dauern. Daher sehe ich da kein Problem für die Europäische Union.

    Klein: Das Stichwort Griechenland haben Sie bereits genannt, Herr Swoboda. Die Gespräche dort zur Abwendung des Staatsbankrotts wurden am Wochenende unterbrochen, planmäßig oder nicht. Es geht um einen Forderungsverzicht der Gläubigerbanken von wahrscheinlich etwa 100 Milliarden Euro. Wie pessimistisch oder optimistisch sind Sie mit Blick auf diese Verhandlungen?

    Swoboda: Ich glaube, dass es zu einer Lösung kommen wird. Natürlich muss man berücksichtigen: Eine allzu starke Belastung der Banken, vor allem der griechischen, aber auch der anderen Banken, hat ja wieder Rückwirkungen in die Eurozone hinein. Daher muss man hier moderat vorgehen. Man muss vor allem – das wäre viel wichtiger – die Zinsen senken, die Griechenland zahlen muss. Das heißt, es geht um billigere und günstigere Kredite, damit Griechenland aus der schwierigen Situation herauskommt. Aber hinsichtlich der privaten Beteiligung, glaube ich, wird es bald, hoffentlich schon diese Woche, eine Lösung geben.

    Klein: Sie haben gesagt, die Verhandlungen um den Fiskalpakt seien so ein wenig ein Nebengleis. Nun ist es aber gerade das Gleis, wo aktuell Verhandlungen stattfinden, wo man versucht, sich auf Details zu einigen, und wo so ein bisschen der Eindruck entstanden ist, ich sage mal, die strengeren Maßnahmen, die ursprünglich mal angedacht waren, nämlich Verankerung der Schuldenbremse in den Verfassungen der einzelnen Staaten, die Möglichkeiten für die EU-Kommission, auch mit Klagen da gegen Haushaltssünder vorzugehen, dass das ein wenig verwässert wird. Wie beurteilen Sie denn im Augenblick den Stand der Verhandlungen?

    Swoboda: Ja, das ist genau das Problem der Europäischen Union, dass wir uns um Dinge kümmern und diskutieren, die erstens einmal vielleicht gar nicht nötig sind, weil nicht jedes Land das in die Verfassung hineinbringen kann, und zweitens, wie schon gesagt, Nebengleise sind. Wenn wir nicht mehr Investitionen bekommen, mehr Beschäftigung und damit mehr Steuereinnahmen für die Staaten, wird es zu höheren Defiziten und nicht zu niedrigeren Defiziten kommen. Ein Gesetz, auch ein europäisches Gesetz, kann nicht Defizite vorschreiben, sondern nur eine aktive Wirtschaftspolitik kann das vorschreiben. Daher sind das wirklich Diskussionen, die eigentlich am wirklichen Problem, nämlich dass wir zu wenig Wachstum, zu wenig Beschäftigung haben und daher zu wenig Steuereinnahmen bekommen, vorbeiführen.

    Klein: Und Sie halten das nicht für notwendig, dass die Schuldenpolitik strenger überwacht und kontrolliert wird?

    Swoboda: Natürlich halte ich das für notwendig, aber es ist nur ein Teil des Problems, und zwar der geringere Teil des Problems. Schauen Sie, in den Vereinigten Staaten von Amerika: Die haben Riesenschulden, aber weil sie eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, eine gemeinsame Währung haben, eine starke Zentralbank, haben sie in den letzten Jahren an Beschäftigung wieder zugelegt. Europa nicht! Das ist der Unterschied. Daher muss man sich auf das konzentrieren, was uns eben mehr Beschäftigung und mehr Einkommen auch für den Staat schafft, und das sind eben Investitionen, die wir heutzutage völlig auslassen, und natürlich auch die Wettbewerbspolitik, oder die Wettbewerbsfähigkeit, dass Länder wie Portugal und Spanien wieder mehr Industrie, mehr Investitionen bekommen. Das ist das Entscheidende. Das andere ist eine Selbstverständlichkeit, die geschehen muss. Aber wenn man sich nur darauf konzentriert, verliert man das aus dem Auge, was uns wirklich aus der Defizitsituation herausführt, was uns wirklich die Budgets ausgleichen kann, nämlich nochmals: mehr Investitionen, mehr Beschäftigung und damit mehr Steuereinnahmen.

    Klein: Die Meinung von Hannes Swoboda, der neue Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Swoboda.

    Swoboda: Bitte schön! Gern geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.