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EU-Bericht veröffentlicht
Türkei trotz Menschenrechtslage hoch im Kurs

Mit Verspätung hat die EU-Kommission ihren Bericht über die politische Entwicklung in der Türkei vorgelegt. Darin attestiert sie Ankara unter anderem Mängel bei der Wahrung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert dennoch, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei voranzutreiben - wegen der Flüchtlingskrise.

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor einer türkischen und einer europäischen Flagge.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während seines Besuchs in Brüssel. (AFP / Pool / Francois Lenoir)
    Asselborn forderte am Dienstag, trotz aller Kritik in Menschenrechtsfragen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei voranzutreiben. Die Verhandlungskapitel, in denen es um Justiz und Rechtsstaatlichkeit gehe, sollten eröffnet werden, sagte Asselborn auf einer Konferenz in Berlin. Die Türkei spiele in der Flüchtlingskrise eine zentrale Rolle. Durch die Eröffnung der Beitrittsgespräche könnten unterschiedliche Auffassungen mit der Türkei geklärt werden, sagte er weiter.
    Auch der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier sprach sich auf der Konferenz für eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage aus. Die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, warnte hingegen, es gebe eine "unglückliche Mischung zwischen Migrationsfragen und dem Erweiterungsprozess". Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber forderte eine Neubewertung des gesamten Beitrittsprozesses. "Der Bericht zeigt deutlich: Wir verhandeln seit zehn Jahren, aber es gibt mehr Rückschritte als Fortschritte."
    Menschenrechte, Rechtssystem und Kurdenfrage
    Tatsächlich betont die Kommission in ihrem Bericht, in der Türkei habe es in den vergangenen Jahren einige Rückschritte gegeben - vor allem was die Einhaltung von Grundrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit betrifft. Zudem sorgt man sich um die Unabhängigkeit des Rechtssystems und die Gewaltenteilung in der Türkei. Sie sei in den vergangenen Jahren stetig untergraben worden. "Richter und Staatsanwälte sind zunehmend unter politischen Druck geraten", heißt es in dem Bericht.
    Sehr deutlich wird der Bericht auch in der Kurden-Frage. Der Friedensprozess sei ins Stocken geraten. Die Fortsetzung der Friedensgespräche zwischen türkischer Regierung und den Kurden-Vertretern sei aber zwingend notwendig. Zudem fordert die Kommission, die Bombenattentate auf die Friedensdemonstration in Ankara im Oktober schnell und transparent zu untersuchen.
    Lob für Wirtschaft und Flüchtlingshilfe
    Gleichzeitig hält der Report der EU-Kommission auch positive Entwicklungen fest: Die türkische Wirtschaft sei "gut vorbereitet, um dem Wettbewerbsdruck auf dem europäischen Markt standhalten zu können". Ausdrücklich wird der Regierung in Ankara eine engere wirtschaftliche Kooperation in Aussicht gestellt, unter anderem im Energie- und Finanzbereich. Lob erhält das Land auch für seinen Einsatz in der Flüchtlingshilfe. Die Türkei hat laut Schätzungen über 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen.
    Kritik am Zurückhalten des Reports
    Die Veröffentlichung des EU-Fortschrittsberichts zur Türkei war eigentlich schon für Oktober erwartet worden - und damit vor der Parlamentswahl in der Türkei am 1. November. Kritiker mutmaßten, die Kommission habe die Publikation absichtlich verzögert, um die Chancen der regierenden AK-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht zu schmälern. Die EU benötigt die Hilfe der Türkei, um die Zahl der Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa kommen, zu senken.
    (cc/am)