Die politischen Spitzen der Europäischen Union und Chinas treffen sich am 14. September zu einem Video-Gipfeltreffen. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wird sich dabei unter anderem mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhalten. Eines der wichtigsten Themen ist dabei das seit mehreren Jahren geplante Investitionsabkommen. Dieses soll die Rechtssicherheit für die Aktivitäten europäischer Unternehmen in China stärken.
Das Abkommen sei wichtig, um Probleme, die bereits lange bestehen, zu lösen, sagte Jens Hildebrandt, Chef-Repräsentant der Auslandshandelskammer (AHK) Peking, im Deutschlandfunk. Es gebe nach wie vor Probleme beim Marktzugang. China habe sich da über die vergangenen Jahre bereits geöffnet, aber in strategisch wichtigen Bereichen wie Kommunikationstechnologien, Transport, Finanzdiensleistungen oder auch Gesundheit gebe es weiterhin die Notwendigkeit von Joint Ventures, beziehungsweise Beschränkungen für ausländische Investitionen. Diese wolle man langfristig auflösen.
Auch beim Schutz geistigen Eigentums habe Peking bereits einiges getan. Das Engagement der Regierung sei da auch durchaus glaubwürdig. Es gebe aber zahlreiche Details, an denen es in der Umsetzung in den Provinzen noch hapere. Eine Verankerung in einem Investitionsschutzabkommen könne hier helfen.
Dass die Verhandlungen aktuell nicht vorankommen, liege an "grundlegenden Schwierigkeiten auf der chinesischen Seite." Die europäische Kommission versuche eine Vielzahl von Themen in den Verhandlungen abzudecken. Insbesondere Investitionen und öffentliche Beschaffung sei hier ein wunder Punkt für China. "China mit seiner staatskapitalistischen Struktur, mit vielen großen Staatsunternehmen wird es schwer haben, gerade in einer Wirtschaftskrise dieses Pfund aus der Hand zu geben."
Auch das Thema Hongkong und Menschenrechte bremse die Verhandlungen. Der Standort Hongkong brauche Stabilität und Rechtssicherheit. Unternehmen seien hier in einer schwierigen Position. Man müsse "abwägen zwischen einem schwer wichtigen Markt, der auch für die Zukunft Jobs in Deutschland sichert und genau diesem Thema Menschenrechte."
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Dirk-Oliver Heckmann: Herr Hildebrandt, im Zentrum der Verhandlungen steht ja das geplante Investitionsabkommen. Weshalb ist das so wichtig?
Jens Hildebrandt: Das Investitionsschutzabkommen ist etwas, was versucht, die Probleme der deutschen Wirtschaft, die wir hier schon lange haben, zu lösen. Da geht es um Asymmetrien beim Marktzugang, über das regulatorische Umfeld, über Themen wie Schutz geistigen Eigentums, also Klassiker der deutschen Wirtschaft, die wir hier immer vorgetragen bekommen und auch vortragen. Ein Investitionsschutzabkommen könnte diese Themen adressieren.
"Peking hat viel getan, den Schutz geistigen Eigentums zu verbessern"
Heckmann: Können Sie das noch ein bisschen näher erläutern, welche Probleme das eigentlich sind, mit denen die deutsche Wirtschaft und die europäische Wirtschaft da zu kämpfen hat?
Hildebrandt: Nehmen wir zum Beispiel das Thema Marktzugang. China reguliert ja mit Negativlisten seinen Marktzugang für bestimmte Branchen. Über die letzten 20 Jahre gab es natürlich schrittweise Öffnungen und immer mehr Industrien wurden freigegeben für die Investitionen ausländischer Unternehmen, aber es gibt immer noch strategisch wichtige Bereiche wie zum Beispiel die Informations- und Kommunikationstechnologien, den Bereich Transport, Gesundheits-, Finanzdienstleistungen, wo immer noch Joint Venture Requirements da sind oder wo der Zugang für ausländische Investoren beschränkt ist. Und diese aufzulösen, das wäre das langfristige Ziel.
Heckmann: Auch der Schutz geistigen Eigentums, haben Sie gerade gesagt, ist nach wie vor ein Thema, seit Jahren ja bereits. Das heißt auf Deutsch übersetzt, Peking stiehlt europäisches Knowhow?
Hildebrandt: Peking hat in den letzten Jahren viel dazu getan, den Schutz geistigen Eigentums zu verbessern. Und man sieht auch im Foreign Investment Law, das letztes Jahr veröffentlicht wurde, dass es Peking ernst meint. Aber die Umsetzung des Schutzes, da liegt der Teufel oft im Detail und vor allem auch in den Provinzen und Lokalitäten vergraben. Wir haben hier in vielen Bereichen schon oft Ankündigungen gehört und auf dem Papier, aber in der konkreten Umsetzung hapert es dann noch manchmal. Wenn das jetzt noch mal verankert wird in einem Investitionsschutzabkommen, umso besser.
Heckmann: Die Verhandlungen stocken aber schon seit Jahren. Woran hakt es Ihrer Ansicht nach? Was ist da Ihre Beobachtung?
Hildebrandt: Ich glaube, da sind tatsächlich grundlegende Schwierigkeiten auf der chinesischen Seite. Die Europäische Kommission versucht ja, das Investitionsschutzabkommen so zu verhandeln, dass es möglichst inklusive ist und eine Vielzahl von Themen beinhaltet. Einer der wunden Punkte ist auch das Thema Subventionen und öffentliche Beschaffung. China mit seiner staatskapitalistischen Struktur, mit vielen großen Staatsunternehmen wird es schwer haben, gerade in einer Wirtschaftskrise dieses Pfund aus der Hand zu geben und seine Staatsunternehmen zu öffnen und vielleicht zu privatisieren. Da ist aus meiner Sicht einer der Grundkonflikte verborgen.
"Ein Land, zwei Systeme muss weiterhin gelebt werden"
Heckmann: Ein weiterer Grundkonflikt ist natürlich auch die Lage der Menschenrechte. Wir haben es gerade im Bericht schon gehört. Das löst immer stärker auch öffentliche Kritik von Seiten der Wirtschaft aus. Berlin und Brüssel haben ja angekündigt, dass das Thema Hongkong auch angesprochen werde. Ihrer Erfahrung nach, Herr Hildebrandt, ist das eine Art Pflichtübung, die man machen muss, um sich zuhause keine Kritik zuzuziehen, und Peking weiß das auch und spielt bei dem Spiel mit, oder ist das mehr?
Hildebrandt: In Ihrem Bericht, der gerade kam, klang es auch deutlich an. Das Thema ist mittlerweile seit einigen Monaten sehr präsent in der Politik, in der Gesellschaft und auch in der Wirtschaft. Für Hongkong aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist es irgendwie ganz klar, der Standort Hongkong braucht Stabilität. Ein Land, zwei Systeme muss weiterhin gelebt werden. Die Rechtssicherheit, die in diesem System zugesichert wurde, muss auch weiterhin bestehen. Nur das kann die Stabilität und Zuversichtlichkeit von Investitionen auch sichern an so einem Standort.
Heckmann: Hongkong braucht Stabilität, sagen Sie. Braucht es nur Stabilität, oder braucht es auch aus Sicht der Wirtschaft Menschenrechte und nicht nur in Hongkong?
Hildebrandt: Das ist völlig richtig. Es braucht auch Menschenrechte. Der Schutz der Menschenrechte ist genauso wichtig wie die Stabilität am Ende des Tages. Es ist beides und die Wirtschaft verlangt das auch von sich selbst zu überprüfen, wie man mit Menschenrechten umgeht, und so wird es auch zunehmend verlangt werden, in die Zulieferer reinzuschauen, wie die damit umgehen.
Heckmann: Ist das möglich, als Vertreter der deutschen Wirtschaft auch auf solche Themen zu rekurrieren wie Menschenrechte, oder sind Sie da insgesamt eher zurückhaltend, weil das möglicherweise die Geschäfte stören könnte?
Hildebrandt: Die Unternehmensvertreter sind natürlich in einer schwierigen Situation. Das Abwägen zwischen eines wirklich schwergewichtigen Marktes, der auch für die Zukunft einfach Jobs in Deutschland sichert, und genau diesem Thema Menschenrechte. Das hier zu adressieren, ist sicherlich nicht leicht, vor allem öffentlich in China kaum möglich für die Unternehmensvertreter. Deshalb ist es wichtig, dass auch Verbände und Kammern sich dazu positionieren und die Unternehmen aber auch zu unterstützen, wie sie mit dem Thema umgehen.
Heckmann: Ist denn China überhaupt aus Ihrer Sicht ein verlässlicher Partner, wenn man sich anschaut, wie in Hongkong geschlossene Verträge gebrochen werden und man sich einfach nicht an Vereinbarungen hält? Kann man sich auf das Wort Pekings überhaupt verlassen?
Hildebrandt: Man kann sich auf das Wort Pekings schon verlassen. Aber ich glaube, man muss das Wort Pekings immer in den nationalen Interessen lesen und in den roten Linien lesen, die Peking hat. Wir haben hier schon vor Ort gesehen, dass durch konkrete Ansprache, durch Vorbringen von konkreten Problemen die chinesische Seite durchaus in der Lage ist, wirkliche Lösungen zu implementieren und Dinge zu erleichtern. Da geht es um Lizenzverfahren, um Marktzutritt. Das ist alles möglich. Wo es dann politisch wird und diese roten Linien kommen, da wird es dann schwierig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.