Als EU-Kommissar Valdis Dombrovskis am Mittag in Brüssel kurz nach Beginn der Pressekonferenz diesen Satz sagte, da war klar, worauf es an diesem Tag hinauslaufen würde. Die Kommission habe gerade einen Bericht nach Artikel 126 Absatz drei des EU-Vertrags veröffentlicht, so der Finanzkommissar. Dieser Artikel beschreibt einen Prozess, der auf den Start eines Defizitverfahrens hinausläuft.
Die Kommission schreibt einen Bericht, und wenn dem die EU-Finanzminister zustimmen, dann kommt eben das Defizitverfahren. Und im Falle Italiens kann kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, dass es schon sehr bald so kommen wird. Auch wenn EU-Kommissar Pierre Moscovici betonte, dass die EU immer bereit sei, neue Daten zur Kenntnis zu nehmen, die die vorliegende Analyse ändern könnten. Die Analyse, die den Finanzministern der anderen Eurostaaten jetzt auf den Tisch gelegt wird, ist allerdings eindeutig: Italien verstößt gegen das Schuldenkriterium des Stabilitätspakts.
Italiens Schuldenberg bald 135 Prozent des BIP
Statt die Neuverschuldung runterzufahren und die Gesamtverschuldung abzubauen, türmt die italienische Regierung immer neue Kredite auf. Mit gravierenden Folgen für Italien, wie Kommissar Dombrovskis betonte: "Wenn wir uns die italienische Wirtschaft anschauen, dann sehen wir die Schäden, die durch die jüngsten politischen Entscheidungen angerichtet werden. Italien gibt für den Schuldendienst schon jetzt genau so viel Geld aus wie für das gesamte Bildungssystem. Es gibt praktisch kein Wachstum mehr. Und wir schätzen, dass die Gesamtverschuldung nächstes Jahr auf bis zu 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigt." Das wäre mehr als doppelt so viel, wie der EU-Stabilitätspakt mit seiner 60 Prozent-Grenze vorsieht.
Der Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU-Kommission ist so alt wie die neue italienische Regierung. Sie hatte gleich nach Amtsantritt alle Zusagen der Vorgängerregierung zum Schuldenabbau kassiert. Vor einem halben Jahr noch war Brüssel vor einem Defizitverfahren zurückgeschreckt, um den Populisten in Rom keinen Vorwand für einen Anti-EU-Wahlkampf im Vorfeld der Europawahlen zu bieten. Den Anti-EU-Wahlkampf führte vor allem die rechtsextreme Lega-Partei von Innenminister Matteo Salvini dennoch - mit Erfolg. Sie wurde stärkste Partei in Italien. Jetzt scheint Salvini auf Neuwahlen zuzusteuern, um Ministerpräsident werden zu können. Dabei positioniert er sich gegen die EU-Kommission.
Trotz scharfer Töne aus Rom bleibt die EU gesprächsbereit
Wenn Brüssel tatsächlich ein Defizitverfahren startet, werde man ja sehen, wer den größeren Dickkopf hat, tönte Salvini vor ein paar Tagen. Trotzdem sendete die EU-Kommission heute Signale der Gesprächsbereitschaft aus. Seine Tür bleibe offen, sagte Pierre Moscovici. Ob das Angebot in Rom angenommen wird, bleibt abzuwarten. Was Brüssel erwartet, steht fest: Änderungen am Haushalt, die dazu führen, dass der Gesamtschuldenstand sinkt und nicht steigt. Lenkt die italienische Regierung nicht ein, werden die Finanzminister der anderen Euroländer der Kommission zweifelsfrei grünes Licht für den förmlichen Beginn eines Defizitverfahrens geben, zumal bei ihrem nächsten Treffen ein aktueller Bericht des Internationalen Währungsfonds auf dem Tisch liegen wird. Der IWF klassifiziert darin die italienischen Staatsschulden als großes Risiko für die Wirtschaft des gesamten Euroraums.