EU-Entwaldungsverordnung
Kein Waldsterben für Kaffee und Sojabohnen

Ob Kaffee, Kakao oder Soja – für den Anbau vieler Rohstoffe werden Wälder gerodet. Die EU will die weitere Zerstörung verhindern und hat deshalb die Entwaldungsverordnung erlassen. Kritiker finden sie zu bürokratisch.

12.07.2024
    Baumstümpfe stehen auf einer für die Viehzucht gerodeten Waldfläche im brasilianischen Bundesstaat Rodônia.
    Die Europäische Union ist für rund ein Zehntel der weltweit abgeholzten Waldflächen verantwortlich. (imago images / Ardea )
    Der Mensch zerstört den Lebensraum von Tieren und Pflanzen. Insbesondere für die Produktion von Lebensmitteln werden Bäume gerodet: 90 Prozent der weltweiten Entwaldung gehen auf die Landwirtschaft zurück. So sind allein zwischen 1990 und 2020 weltweit mehr als 400 Millionen Hektar Wald abgeholzt worden. Das entspricht einer Fläche, die größer ist als die gesamte Europäische Union. Die EU ist wiederum weltweit für rund zehn Prozent der abgeholzten Waldflächen verantwortlich und Deutschland ist dabei einer der Hauptakteure.
    So importiert die Bundesrepublik laut der Umweltschutzorganisation WWF innerhalb der EU die meisten Produkte, die auf gerodeten Waldflächen angebaut werden, wie Soja, Kakao oder Kaffee. Mit der verabschiedeten Entwaldungsverordnung soll dem künftig entgegengewirkt werden.  

    Inhalt

    Warum ist Entwaldung so problematisch?

    Der westliche Lebensstil und die Ernährungsgewohnheiten hierzulande gehen zu einem großen Teil auf Kosten der Natur in anderen Teilen der Welt. Soja zum Beispiel, das bei hiesigen Schweine- und Hühnerzüchtern landet, wird in Brasilien oder Argentinien angebaut.
    Für diese Sojafelder wird in Südamerika wiederum Wald gerodet. Mit gravierenden Folgen: Wildtiere verlieren ihre Nahrungs- und Wasserquellen und drohen auszusterben, Kohlendioxid und andere Treibhausgase werden nicht mehr von Bäumen gespeichert, es kommt zu Bodenerosion und damit zu Naturkatastrophen wie Erdrutschen. All das befördert immer weiter den Klimawandel.

    Was regelt die EU-Entwaldungsverordnung?

    Die Europäische Union will die globalen Wälder schützen und hat dafür eine Entwaldungsverordnung beschlossen. Bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen nur dann auf dem EU-Markt bereitgestellt, wenn sie auf Flächen produziert wurden, auf denen seit Ende 2020 keine Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden hat. Dasselbe gilt für die Ein- und Ausfuhr von Produkten, die aus den Rohstoffen hergestellt wurden.
    Die EU will mit der Verordnung auch die Menschenrechte und insbesondere indigene Völker schützen. Produkte sollen nur eingeführt werden, wenn deren Rechte geachtet wurden. Die Verordnung gilt vor allem für den Handel mit Soja, Ölpalmen, Rindererzeugnissen, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz.

    Ab wann gilt die Verordnung?

    Sie ist bereits am 30. Juni 2023 in Kraft getreten. Ab dem 30. Dezember 2024 soll die neue Verordnung dann angewendet werden. Zunächst gilt sie nur für größere Unternehmen. Für kleine und mittlere Unternehmen von bis zu 250 Mitarbeitenden gilt eine Übergangsfrist von zwei Jahren.
    Die EU-Entwaldungsverordnung wird die EU-Holzhandelsverordnung ersetzen, die 2010 in Kraft getreten ist. Damit wurde der Import von illegal erzeugtem Holz in die EU verboten.

    Wie soll sie umgesetzt werden?

    Die Unternehmen werden verpflichtet, nachzuweisen, ob die verkaufte Ware der Verordnung entspricht. Sie müssen genaue geografische Informationen über die Nutzflächen erheben und dokumentieren. Das Produkt muss dann bis auf das Grundstück genau rückverfolgbar sein. Die Unternehmen sollen auch klären, ob die Produkte legal produziert und demnach auch die Menschenrechte geachtet wurden.
    In einem zweiten Schritt sollen Unternehmen eine Risikobewertung vornehmen. Die EU-Kommission in Brüssel soll Ursprungsländer nach ihrer Wahrscheinlichkeit für Abholzung einstufen. Für Länder mit "hohem Risiko" sollen strengere Auflagen gelten. Das Portal "elan!" der Tropenwaldstiftung Oroverde und der Umweltorganisation Global Nature Fund soll Unternehmen dabei unterstützen, Entwaldung in ihren Lieferketten zu erkennen und zu beseitigen.
    Abschließend sollen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Risiken zu reduzieren. So sollen sie zum Beispiel zusätzliche Informationen anfordern oder unabhängige Daten erheben, die belegen, dass die bezogenen Rohstoffe nicht von entwaldeten Flächen stammen.

    Welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

    Wenn sich Unternehmen nicht an die Entwaldungsverordnung halten, droht ein umfangreicher Strafenkatalog. Waren können beschlagnahmt werden. Die Behörden können außerdem bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes innerhalb der EU einfordern. Auch von der Vergabe von öffentlichen Aufträgen können Firmen bei Verstößen ausgeschlossen werden.

    Warum steht die EU-Entwaldungsverordnung in der Kritik?

    Mehrere Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedsstaaten stellen sich gegen die Entwaldungsverordnung. Insbesondere an der geplanten Risikobewertung der Herkunftsländer gibt es Kritik. Da eine solche Klassifizierung bisher nicht vorliegt, müsste die EU nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) alle Anbauländer gleichwertig behandeln – auch die 27 EU-Staaten. Die Auflagen für Länder mit "hohem Risiko" müssten demnach auch Rohstoffproduzenten in Deutschland erfüllen.
    Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warnt deshalb vor einem großen bürokratischen Aufwand für Waldbesitzer in Deutschland. Es sei inakzeptabel, dass Deutschland als Risikoland für Entwaldung eingestuft werde. Das halte keinerlei wissenschaftlicher Überprüfung stand.
    Die "sehr gute Idee" werde "durch eine überbordende und praxisfremde Anwendung torpediert", kritisierte der österreichische Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Die finnische Agrarministerin Sari Miriam Essayah forderte, die Anwendung zu verschieben.
    Zahlreiche Umweltschutzorganisationen kritisieren dagegen in einem offenen Brief das Vorgehen der EU-Agrarminister. Sie blockierten mit ihrem Verhalten die "Wiederherstellung der Natur", einem Ziel des Europäischen Grünen Paktes (Green Deal). Auch unternähmen viele Politiker nichts gegen "missbräuchliche Praktiken" in Lieferketten.
    Kritik gibt es auch an der Pflicht, die genauen Anbauorte der Rohstoffe in Nicht-EU-Ländern nachzuweisen. Dafür müssen riesige Datenmengen erhoben werden, die kaum lückenlos kontrolliert werden können. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Einhaltung der Verordnung nur durch Stichproben überprüft werden kann. Verstöße nachzuweisen und zu sanktionieren, könnte deshalb sehr schwierig werden.
    Hinzu kommt, dass die Umsetzung teuer ist: Die Entwaldungsverordnung wird die Produzenten rund 2,4 Milliarden Euro kosten. Deswegen könnten in der Folge auch viele Produkte teurer werden.
    aln/kau