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EU-Finanzminister-Treffen
Nichts gelernt aus dem Cum-Ex-Skandal?

Beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel fehlt ein wichtiges Thema: der Cum-Ex-Files-Skandal. Finanzmarkt-Betrüger hatten jahrelang Milliarden aus europäischen Steuerkassen gestohlen. Experten und Parlamentarier fordern europaweite Reformen - doch die kommen nur langsam in Fahrt.

Von Samuel Jackisch |
    Blick auf den zentralen Raum der Frankfurter Börse.
    Cum-Ex sind spezielle Aktiengeschäfte, die es ermöglichen, europäische Steuerkassen systematisch auszuplündern (imago / Westend61)
    Wie groß der Schaden ist, weiß niemand genau. 55 Milliarden Euro lautet die jüngste, wahrscheinlich noch immer unzureichende Schätzung. Milliarden, die europäische Finanzämter zu Unrecht an Betrüger erstattet haben, und das nun in den Staatskassen fehlt. Finanzministerien und ihre Behörden seien mit dem Betrug überfordert gewesen, kritisiert Steuerspezialist Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim.
    "Das Bundesfinanzministerium ist selbst heute nicht in der Lage, irgendeine Zahl zu nennen, die einen Hinweis darauf gibt, wie hoch der Steuerschaden ist. Das zeigt, dass keine Kontroll- und Compliance-Mechanismen existieren."
    Behörden überfordert mit Finanzbetrug
    Dass kriminelle Banker, Anwälte und Berater über spezielle Aktiengeschäfte die Steuerkassen plündern, bemerken deutsche Steuerbehörden spät. Auch deshalb, weil Bund und Länder in Deutschland ihre Zahlen unzureichend miteinander abgleichen. Jahrelang fließt das Geld automatisch an die Betrüger. Nach Ansicht von Prof. Spengel hätte auffallen müssen, wenn das eine Amt eine Steuer erstattet, die das andere nie eingenommen hat.
    "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man seit mehreren Jahren keinerlei Aktivität unternommen hat, um dieses Problem der mangelnden Datenabstimmung effizient zu koordinieren. Das ist eine schwierige Aufgabe. Aber auch schwierige Aufgaben muss man angehen."
    EU-Parlament fordert Verbesserungen
    Um ihre Bürger gegen konzertierten Steuerdiebstahl zu schützen, soll die gesamte EU strukturell nachbessern, fordert das Europaparlament. In einer Resolution fordern die Abgeordneten die europäische Banken- und Börsenaufsicht auf, Fehler im eigenen System zu ermitteln.
    Auch die ineffiziente Strafverfolgung macht es den Betrügern bisher leicht: Zwar arbeitet Europol EU-weit zusammen gegen Geldwäsche, Drogenschmuggel und Terrorismus; eine Europäische Finanzpolizei aber gibt es nicht. Wie eine solche gemeinsame "Abteilung Steuerangelegenheiten" arbeiten könnte, das soll nun die Europäische Kommission prüfen.
    Schaden für den Steuerzahler in Milliardenhöhe
    Finanzkommissar Günther Oettinger wirbt um Geduld und Vertrauen in den Rechtsstaat.
    "Man wird Betrug nie ausschließen können, aber er wird aufgedeckt werden. Und ich bin mir sicher: Bei Cum-Ex wird es am Ende keinen Schaden geben für den Steuerstaat. Sondern wenn betrogen wurde, muss dies zurückgezahlt werden."
    Mehr europäische Zusammenarbeit bedeutet jedoch auch: weniger Kompetenz für nationale Institutionen, mehr Macht für Brüssel. Viele Mitgliedsstaaten beharren dagegen weiterhin auf nationale Zuständigkeiten und Grenzen, die betrügerische Akteure am weltweiten Finanzmarkt längst nicht mehr kennen.