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EU-Fischereireform
Zu viele Jungfische im Netz

Viele Fischbestände in Nord- und Ostsee haben sich in den vergangenen Jahren erholt. Der Trend scheint jedoch nicht von Dauer zu sein. Die EU-Fischereireform könnte scheitern, weil immer noch zu viele Jungfische beim Fang auf Hoher See wieder über Bord gehen. Videoüberwachung könnte Abhilfe schaffen.

Von Lutz Reidt |
    Fischer auf dem Greifswalder Bodden
    Fischer auf dem Greifswalder Bodden mit Heringen an Bord. (picture alliance / dpa / Foto: Jens Büttner)
    Spiegelglatt wie ein Ententeich ist die graublaue Ostsee an diesem Morgen. Die Luft ist kühl und klar, die Kreidefelsen von Kap Arkona wirken zum Greifen nah. Gemächlich gleitet die "Walther Herwig" mit ihrem tiefblauen Rumpf an der Nordspitze von Rügen vorbei.
    Die "Walther Herwig" gilt als Paradeschiff der deutschen Fischereiforscher. An Deck des gut 60 Meter langen Kolosses blickt der Rostocker Fischereibiologe Daniel Stepputtis gebannt auf den Fang des Tages, der jetzt vier Meter über dem Arbeitsdeck baumelt: Ein orangefarbenes Netz, mit prall gefülltem Endbeutel, dem so genannten Steert.
    "Unten wölbt er sich auf vom Fang, der im Steert ist; und da sehe ich einen Dorsch herausgucken, dort sehe ich auch Plattfische, vielleicht ist da auch ein Steinbutt dabei, das kann ich von hier aus nicht sehen; aber das werden wir gleich sehen, wenn wir 'runter ins Schiff gehen; dort, wo der Fang entleert wird, dort sehen wir dann alle Fische vor uns."
    Auch Angler durfen weniger fangen
    Die Dorsche vor Rügen haben schlechte Zeiten hinter sich. Ein Jahrzehnt mit wenig Nachwuchs hatte den Bestand westlich der dänischen Insel Bornholm deutlich schrumpfen lassen. Deswegen zog die Politik vor einem Jahr die Notbremse. Zum einem wurden die Fangquoten für die kommerzielle Fischerei in der westlichen Ostsee um mehr als die Hälfte gekürzt. Zum anderen durften auch Angelfreunde im vergangenen Sommer nicht mehr so viel fangen von diesem sehr markanten Fisch.
    "Der Dorsch ist wie so viele andere Fische auch auf der Unterseite heller als auf der Oberseite. Die Oberseite ist bei Dorschen so bräunlich-grünlich, getigert fast ein bisschen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass er damit sich natürlich besser tarnen kann; und eigentlich ein sehr, sehr schöner Fisch, wenn man ihn so anschaut."
    Jungfische schützen - und somit auch den Fang von morgen
    Schön anzuschauen, und womöglich bald auch wieder in rauen Mengen in der Ostsee unterwegs. Theoretisch zumindest. Denn der außergewöhnlich gute Nachwuchsjahrgang von 2016 könnte dafür sorgen, dass sich der Dorsch-Bestand in der westlichen Ostsee bis zum nächsten Jahr wieder vollständig erholt haben dürfte. Vorausgesetzt, Fischerei und Politik treffen die richtigen Entscheidungen und schützen konsequent die Jungfische - und somit auch den Fang von morgen.
    Der Trend beim Dorsch in der Ostsee taugt als Sinnbild für die Entwicklung vieler Fischbestände, vor allem in der Nordsee: Der Heringsbestand ist so groß, dass der EU-Fischereirat im Dezember einen Quotenaufschlag von 25 Prozent für das Fangjahr 2018 gewährte. Und dem Seelachs geht es sogar derart gut, dass die Forscher bereits für 2017 eine Verdoppelung der Fangquoten für vertretbar hielten - der Fischereirat in Brüssel begnügte sich jedoch mit einem Aufschlag von gut 50 Prozent für 2017 und jetzt noch einmal sechs Prozent für 2018 - mehr Seelachs, so die Befürchtung der Fischer, hätte der Markt nicht aufnehmen können und die Preise purzeln lassen.
    Die Rückkehrdes Nordsee-Kabeljaus
    Bemerkenswert ist auch die positive Entwicklung beim Nordsee-Kabeljau.
    Die Fischereibiologin Stella Nemecky von der Naturschutzorganisation WWF in Hamburg: "Das ist tatsächlich eine ziemliche Erfolgsgeschichte. Man muss aber dazu auch sagen: Dieser Bestand hat 20 Jahre gebraucht, um sich zu erholen. Und man hat das unter anderem damit hinbekommen, dass man vor deutlich über zehn Jahren wiederum auch sehr stark die Fangmengen gekürzt hat; also, der hat sich auch nicht erholt aus dem Nichts, sondern der hat sich erholt, weil er geschont wurde; und jetzt nach fast 20 Jahren ist dieser Bestand wieder in ganz gutem Zustand."
    Kabeljau aus der Nordsee, aufgenommen auf einem Markt in Kopenhagen
    Kabeljau aus der Nordsee (picture alliance / dpa / Francis Dean)
    Die Talsohle hatte der Nordsee-Kabeljau 2006 erreicht. Seitdem hat sich die Bestandsgröße nahezu verfünffacht, bilanziert Gerd Kraus, Leiter des Thünen-Institut für Seefischerei in Hamburg. In diesem Jahr dürfte der Bestand auf mehr als 200.000 Tonnen anwachsen.
    "Das ist das, wo wir drauf zusteuern, vielleicht wird es sogar noch ein Ticken mehr. Also, das ist schon eine gute Menge, das ist immer noch deutlich weniger als das, was wir in den 70er, 80er Jahren mal gesehen hatten, zu Hochzeiten des Kabeljaus; aber wir sind damit in einem Bereich, wo der Kabeljau insgesamt als Bestand wieder in den grünen Bereich gewandert ist."
    Der Fischereibiologe ergänzt, dass der EU-Fischereirat beim Nordsee-Kabeljau den Empfehlungen der Wissenschaftler weitestgehend gefolgt ist. Die Gesamtfangmenge für 2018 steigt somit um zehn Prozent auf rund 53.000 Tonnen.
    Fische und andere Meerestiere in einem bunten Potpourri
    Dennoch räumt Gerd Kraus ein, dass sich der Kabeljau einzig in der nördlichen Nordsee erholt habe, vor allem in den Meeresgebieten zwischen Schottland und Norwegen. In der südlichen Nordsee dagegen bleibt der Kabeljau ein seltener Gast - wohl eine Folge des Klimawandels, vermutet der Forscher. Satte Kabeljaufänge vor Helgoland sind also nicht in Sicht.
    Und noch etwas trübt die Freude über die Rückkehr des Nordsee-Kabeljaus: Es sei zu befürchten, dass immer noch zu viele Jungfische wieder über Bord geworfen werden, und zwar als Beifang - auch Discard genannt. Meist sind die Fische dann bereits tot oder nicht überlebensfähig - und gehen somit dem Bestand verloren.
    Der Hintergrund: In der Nordsee schwimmen verschiedene Fischarten und andere Meerestiere in einem bunten Potpourri umher: Kabeljau mit Schellfisch und Wittling zum Beispiel. Oder auch Kabeljau mit Kaisergranat, das ist ein Edelkrebs, der auch Norway-Lobster genannt wird, also Norwegischer Hummer - eine äußerst begehrte Delikatesse.
    Fischer fordern Quotenaufschläge für beigefangene Fische
    Der Fischereihafen von Cuxhaven: Verwaltungsgebäude, Kühlhäuser und Lagerhallen, überwiegend in schmuckloser Nachkriegs-Architektur. Direkt am Pier hat die Kutterfisch-"Erzeugergemeinschaft der Nord- und Ostseefischer" ihren Sitz. Hier empfängt Geschäftsführer Kai-Arne Schmidt seine Fischer nach ihren Fangfahrten. Meist kehren sie mit Seelachs zurück. Diese Fischerei gilt als relativ rein - also nur wenig Beifang in den Netzen. Anders sieht das beim Kaisergranat aus.
    Das 51,37 Meter lange Feuerschiff "Elbe 1" in ihrem Winterquartier Neuer Fischereihafen in Cuxhaven. 
    Feuerschiff "Elbe 1" im Fischereihafen von Cuxhaven (dpa / Klaus Nowottnick)
    "Also, die Schotten haben vor Jahren gesagt, dass sie in der Kaisergrant-Fischerei knapp 80 Prozent Discard hatten. 80 Prozent an anderen Arten, sicherlich ein Großteil an Kabeljauen, die über Bord gegangen sind, in einem Mix von x Arten. Wie hoch da der Kabeljau-Anteil ist, kann ich Ihnen nicht sagen, weil da wird offiziell nicht drüber gesprochen."
    Um dieses Discard-Problem zu lösen, hatte die EU im Zuge ihrer Fischereireform ein Anlandegebot erlassen: Was der Fischer fängt, soll er nicht mehr über Bord werfen, sondern in den Hafen mitbringen. Dieses Anlandegebot betraf ab 2015 zunächst den Dorschfang in der Ostsee sowie die Fischerei auf Schwarmfische wie Hering und Makrele. Bis zum Jahr 2019 soll dieses Verbot für alle Bestände gelten, deren Fangmengen quotiert werden:
    "Grundsätzlich finde ich das als deutscher Fischer sehr, sehr vernünftig. Weil es nicht sein kann, dass wir zur See fahren und gefangene, tote Tiere, die marktfähig sind, über Bord schmeißen. Und somit letztendlich den Bestand schwächen."
    Quotenaufschläge für beigefangene Fische gefordert
    Dennoch steht der schottische Kaisergranat-Fischer vor einem Dilemma. Zum einen dürfte er kein Interesse haben, den knappen Platz im Laderaum seines Kutters mit Kabeljau-Beifang zu füllen, solange ihm der hochpreisige Kaisergranat weitaus mehr Geld verspricht. Und zum anderen versperrt ihm bislang das allzu starre Quotensystem in der EU-Fischereipolitik den Weg zur Vernunft. Was soll er denn machen, wenn er zwar eine auskömmliche Quote für Kaisergranat zugeteilt bekam, aber keine für Kabeljau?
    "Also, er war verpflichtet, Fische, für die er keine Quote hat, über Bord schmeißen zu müssen. Da ist jetzt eine Komplettwendung eingetreten in der Politik. Jetzt heißt es: Alles, was du fängst, musst du mitbringen. Das ist gut, das ist sinnig. Nur man muss sich natürlich die Frage stellen: Wenn ich vorher so viele Fische weggeschmissen habe, weil ich keine Quote habe, und ich muss sie jetzt mitbringen, aber ich habe bis heute immer noch keine Quote - wie soll das aufgehen? Die Frage stelle ich mir, und da bin ich nicht alleine; und da sind wir gespannt, wie die Politik darauf reagiert."
    Die Fischer fordern Quotenaufschläge für beigefangene Fische. So solle ein Anreiz geschaffen werden, den Beifang anzulanden. Gerd Kraus vom Thünen-Institut betrachtet diese Forderung mit gemischten Gefühlen.
    "Das hat zwei Seiten: Im Moment beziehen wir natürlich die Rückwürfe und die Beifänge in anderen Fischereien durchaus in unsere Fangempfehlungen mit ein; insofern berücksichtigt das, was an Quote nachher 'rausgegeben wird, das Problem. Was natürlich passieren könnte: Wenn wir in der Lage wären, das Beifang-Problem zu lösen, dann würden wir durchaus in der Lage sein, auch Quotenaufschläge für diese Fischereien zu erteilen. Was im Moment allerdings passiert ist noch viel, viel dramatischer: Die Fischereien fordern Quotenaufschläge, ohne dass sie tatsächlich das Discarden eingestellt hätten. Und das ist natürlich eine Situation, die - wenn sie sich so fortsetzt, wie es im Moment beobachtet wird - deutlich diesen Trend wieder umkehren könnte. Und das auch noch relativ schnell."
    Hinweise auf illegale Rückwürfe
    Hinweise auf Discards, also auf illegale Rückwürfe, haben die Wissenschaftler aus unterschiedlichen Quellen. Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, beruft sich zum einen auf vertrauliche Hinweise aus der Fischerei selbst. Zum anderen beobachten auch Forscher solche Rückwürfe, wenn sie im Rahmen so genannter Observer-Programme auf Fischkuttern mitfahren.
    "Wir wissen, dass die Rückwurfraten in einzelnen Fischereien eher zugenommen haben; zum Beispiel bei Dorsch in der östlichen Ostsee; das sind vor allem untermaßige Dorsche, also Dorsche, die nicht für den menschlichen Verzehr angelandet werden, sondern dann in die Fischmehlproduktion oder ins Katzenfutter gehen; die wurden bisher über Bord geschmissen; und es gab über viele, viele Jahre bei ungefähr zehn Prozent unerwünschter Beifänge, die dann discarded wurden; inzwischen haben wir einzelne Reisen, bei denen die Discards eher bei 50 Prozent oder manchmal auch noch höher liegen. Und das ist natürlich sehr unerfreulich, denn auf diese Weise kann man auch hoffnungsvolle Nachwuchsjahrgänge vernichten."
    "Die Kontrolleure können nicht überall sein"
    Das Anlandegebot für den Dorsch in der Ostsee gilt nun schon seit drei Jahren. Dennoch komme es nicht zu weniger, sondern zu deutlich mehr Rückwürfen, kritisiert auch Stella Nemecky vom WWF in Hamburg. Die Meeresbiologin bemängelt zum einen die unzureichenden Kontrollen innerhalb der EU-Gewässer. Und zum anderen sei es für die Kontrolleure auch äußerst schwierig, einen Verstoß gerichtsfest nachzuweisen.
    "Die Kontrolleure können nicht überall sein. Real haben wir in der Ostsee in 2016 1,6 Prozent kontrollierte Fangreisen gehabt; daraus lässt sich noch längst nicht schließen, wieviel insgesamt zurückgeworfen wurde; schon gar nicht wissenschaftlich wirklich gut belastbar. Real ist es halt so, dass in der EU es ausreicht, wenn Sie einen Behälter hinstellen, in dem Sie Menge x an unerwünschtem Beifang stehen haben; und dann können Sie drauf zeigen und sagen: Das ist der Beifang, den ich hatte; hier sehen Sie es, ich habe ihn schön, fein säuberlich separiert, so wie es sich gehört; und in mein Logbuch geschrieben habe ich das auch; und der Kontrolleur kann dagegen nicht vorgehen; der hat keine Handhabe. Wie soll man da ein Anlandegebot umsetzen?"
    Droht die Fischereireform zu Scheitern?
    Bislang wurde in der Dorschfischerei kein einziger Verstoß geahndet, obwohl Wissenschaftler wie Christopher Zimmermann zahlreiche Discard-Fälle in Erfahrung bringen konnten. Seine Befürchtung: Die Fischereireform drohe zu scheitern, weil ihr zentraler Baustein, das Anlandegebot nur unzureichend umgesetzt werde - und damit verbunden der Schutz der Jungfische nicht mehr gewährleistet sei.
    "Der politische Druck steigt natürlich stark, um zu sagen: Wenn wir eine solche Maßnahme beschlossen haben, dann muss man auch kontrollieren können, ob sie eingehalten wird."
    Die Europäische Kommission teilt die Einschätzung, dass die traditionelle Form der Fischereiüberwachung - zum Beispiel durch Kontrollen einzelner Fangschiffe auf Hoher See - bislang nicht dazu geführt habe, das Anlandegebot effektiv zu überwachen.
    Eine Sprecherin teilte dem Deutschlandfunk auf Anfrage mit, dass nunmehr die Option zu prüfen wäre, Elektronisches Monitoring verpflichtend einzuführen: Kameras und Sensoren an Bord der Kutter zeichnen dabei lückenlos auf, was bei Fang und Sortierung der Fische passiert.
    Eine glitschige Masse zuckt und zappelt in einer schmalen Rinne aus Edelstahl: Kabeljau und Seelachs. Olivgrün getigert die einen, blauschwarz glänzend die anderen. Frisch gefangen in der Nordsee, irgendwo zwischen Dänemark und Norwegen. An Bord der Kutters werden die Fische jetzt sortiert.
    Fischer Martin Heiden fährt mit vollen Stellnetzen mit Hering über den Greifswalder-Bodden.
    Heringe an Bord eines Kutters (Christian Charisius / dpa picture-alliance)
    Videoüberwachung auf dem Kutter
    "Man sieht genau, was die Mannschaft macht; und man würde eben auch sehen, wenn sie einen untermaßigen Fisch unter den Tisch fallen lassen würden - was sie nicht dürfen, denn sie müssen die sammeln und auf die Quote anrechnen. Das sind die Bedingungen für diesen Versuch."
    Christopher Zimmermann beobachtet die Prozedur in einem Video am Thünen-Institut in Rostock. Der Rostocker Fischereibiologe hat mit einer Arbeitsgruppe ein hochseetaugliches Überwachungssystem weiter entwickelt, das ursprünglich aus Kanada stammt. Der Forscher deutet auf den Monitor: Die Bildqualität ist gut genug, um Seelachs von Kabeljau und anderen Fischen in der Rinne zu unterscheiden.
    "Man kann die auch in Echtzeit angucken; da die Datenmenge sehr, sehr groß ist und wir das alles digital speichern, bemühen wir uns, diese Datenmenge zu reduzieren; und deswegen nehmen wir keine 20 Bilder oder 25 Bilder pro Sekunde auf, sondern eben nur vier oder fünf Bilder."
    Und das reicht aus, um das Geschehen an Bord zu verfolgen. Datum und Uhrzeit sind digital im Video eingeklinkt. Der Informationswert gleicht einer Tachoscheibe aus dem Fahrtenschreiber eines LKW, nur ist alles sehr viel detailreicher, so etwa mit genauer Position des Schiffes, die über GPS ermittelt wird.
    Festplatten in versiegelten Schränken
    Gespeichert wird das Ganze auf stoßfesten Datenträgern - ideal für die Arbeit auf Hoher See. Und auch ideal für den späteren Austausch. Denn die Festplatten stecken in einem versiegelten Schrank. Nur die Fischereiaufsicht hätte darauf Zugriff, betont Projektleiter Daniel Oesterwind.
    "Der Fischereiinspektor geht auf das Schiff, persönlich, muss dann dieses System öffnen, kann sich dann eine Festplatte herausnehmen, muss dann eine neue Festplatte einbauen; und kann dann mit dieser Festplatte direkt zur Kontrollbehörde fahren und diese Daten dann dort über das Softwaresystem, das Analysesystem auswerten."
    So also könnte die Fischereiaufsicht künftig die Fangfahrten kontrollieren. Da in den Videos beim Sortieren der Fische nie das Gesicht eines Fischers zu erkennen ist, sondern nur Rumpf und Hände, seien auch Belange des Datenschutzes gewahrt, argumentiert Zimmermann.
    Wunsch nach gleichen Bedingungen für alle
    Dennoch gibt es Vorbehalte - sowohl bei Fischern, also auch in den Ministerien diverser Mitgliedsländer. So zuletzt vor allem in Dänemark. Und dies, obwohl die Dänen anfangs noch zu den Initiatoren des Projektes zählten, gemeinsam mit Schweden, Deutschen und Schotten.
    "Inzwischen gibt es da wieder Änderungen, die gesamte Fischerei ist aus dem Landwirtschaftsministerium in Dänemark herausgelöst worden, gehört jetzt zum Außenministerium; und wir sind sehr gespannt, ob das nun einen Einfluss auf die europaweite Einführung elektronischer Monitoringsysteme hat."
    Christopher Zimmermann betont, dass der Widerstand bei dänischen Politikern und Beamten zum Teil größer sei als bei dänischen Fischern, von denen viele das Elektronischen Monitoring mittlerweile begrüßen würden - vorausgesetzt, es gälten gleiche Regeln für alle. Nur durch eine effiziente Überwachung - so das Argument - ließen sich die Jungfische besser schützen. Und damit auch der Fang von morgen.
    "Und es gibt inzwischen auch eine zunehmende Anzahl von Fischern, die unglücklich darüber sind, dass die Discard-Raten steigen. Da kommt dann immer das Argument: Wenn die anderen das machen, die Schweden und Dänen das machen, müssen wir unter Umständen das auch machen; auch die wünschen sich, dass diese gleichen Bedingungen wieder hergestellt werden; und das kann man durch elektronisches Monitoring machen."
    Mittlerweile häufen sich Meldungen, wonach Jungdorsche vermehrt auch in den Heringsnetzen der Ostseefischer landen. Zwar nur einige Hundert Kilo auf Dutzende Tonnen Hering - aber auch das würde sich läppern, argumentiert Zimmermann.
    "Die Fischerei hat es jetzt in der Hand"
    Der Forscher appelliert, in diesem Jahr mit dem Heringsfang etwas zu warten, bis die Jungdorsche fortgezogen sind. Oder einfach die Heringe dort zu fangen, wo ohnehin nur wenig Dorsche unterwegs sind. Und auch die Dorschfischer selbst könnten durch Wahl von Fangplatz und Fangzeit weitgehend vermeiden, dass übermäßig viele Jungfische in ihren Netzen zappeln:
    "Die Stärke des 2016er Jahrgangs ist ausreichend, um den Bestand bis Anfang 2019 zu erholen; aber eben konditional: Unter der Bedingung, dass er nicht vorzeitig gefischt wird und nicht illegal über Bord geschmissen wird. Und da arbeiten wir jetzt sowohl mit den Kontrollbehörden als auch mit der Fischerei, die das natürlich auch sieht, intensiv zusammen, um einfach erst einmal das Bewusstsein zu schaffen: Die Fischerei hat es jetzt in der Hand, ob sie ab 2019 für möglicherweise viele Jahre wieder aus dem Vollen schöpfen kann; oder ob sie die Fische jetzt fangen, bevor sie sie vernünftig anlanden können."
    Die "Walter Herwig" ist inzwischen an der Nordspitze von Rügen vorbei gezogen, schemenhaft ist jetzt im Süden die Halbinsel Hiddensee zu erkennen, mit dem markanten rot-weißen Leuchtturm auf dem Dornbusch.
    Daniel Stepputtis ist zufrieden mit der Ausbeute seines Probefanges. Er will die Altersstruktur der Dorsche hier vor Rügen auswerten.
    "Also, für den Bestand ist es enorm wichtig, dass man nicht nur junge Tiere hat; denn die jungen Tieren können noch nicht zur Nachwuchsproduktion so gut beitragen wie die größeren Tiere; also ein großes, erwachsenes Tier hat mehrere Millionen Eier, mehrere Kilo Eier, die es produzieren kann in einer Saison; und diese Eier sind auch besonders energiereich, haben also größere Überlebenschancen für die Larven; das kann man schön sehen, dass wir halt verschiedene Größenklassen haben, die sich da durchziehen."