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EU-Flüchtlingspolitik
Die einen nehmen auf, die anderen zahlen?

Nach der Aufnahme von 49 Flüchtlingen in Malta geht der Streit um die Flüchtlingspolitik in Europa weiter. Bislang beharrt Deutschland darauf, dass sich an einer Flüchtlingsverteilung alle EU-Staaten beteiligen. Doch vielleicht wird sich die Bundesregierung auch mit einer sogenannten "flexiblen Solidarität" anfreunden müssen.

Von Peter Kapern |
    Flüchtlinge auf der "Sea Watch 3" auf dem Weg nach Malta
    Flüchtlinge auf der "Sea Watch 3" auf dem Weg nach Malta (AFP)
    Heute trug EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos eine dunkelblaue Krawatte und ein hellblaues Hemd. Das ist deshalb wichtig, weil sich die Auftritte des Kommissars eigentlich nur noch durch seine Kleidung unterscheiden lassen.
    Die Botschaft hingegen ist immer identisch. Es ist der verzweifelte Appell an die Mitgliedstaaten, sich endlich auf einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU zu verständigen.
    Kein Ruhmesblatt für Europa
    Avramopoulos mit Blick auf das Gezerre um die auf den deutschen Rettungsschiffen Seewatch und See Eye eingepferchten 49 Flüchtlinge: Die letzten Wochen seien kein Ruhmesblatt für Europa gewesen. 49 Flüchtlinge für fast drei Wochen auf Schiffen festzusetzen sei nicht das, wofür Europa steht.
    Die Rettungsschiffe privater Hilfsorganisationen dümpelten seit Tagen in teilweise schwerer See vor der Küste Maltas, die maltesische Regierung hatte die Häfen des Landes für die beiden Schiffe gesperrt und wollte die geretteten Migranten nur unter zwei Bedingungen an Land lassen. Erstens, dass die 49 Menschen auf andere europäische Länder verteilt werden, und zweitens, dass weitere 249 Flüchtlinge, die bereits auf Malta angelandet waren, ebenfalls in anderen Mitgliedstaaten untergebracht würden. Nachdem sich die Zustände an Bord der beiden Schiffe dramatisch verschlechtert hatten, kam heute der Durchbruch bei den Verhandlungen.
    Insgesamt neun EU-Staaten erklärten sich bereit, einige der Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland und Frankreich nehmen je 60 der Migranten auf, Irland, Italien, Luxemburg, Malta die Niederlande und Portugal öffnen ihre Türen für kleinere Flüchtlingsgruppen. Und Rumänien nimmt als einziges der osteuropäischen Mitgliedsländer einen Teil der Geretteten auf.
    Suche nach dauerhaftem Mechanismus
    Und dennoch war Kommissar Avramopoulos alles andere als zufrieden: Die EU dürfe sich nicht länger von ad-hoc-Lösungen abhängig machen, wenn es um die Anlandung von Flüchtlingen geht. Allein.
    Die Alternative zu solchen Ad-hoc-Lösungen ist derzeit nicht umsetzbar. Seit Jahren kommt die Reform der sogenannten Dublin II-Verordnung nicht voran. Nach dieser Regelung ist jenes EU-Land für Flüchtlinge zuständig, in dem die Migranten zuerst EU-Boden betreten. Das überfordert aber Italien, Malta, Griechenland und Spanien. Die Lösung wäre ein dauerhafter Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen auf die gesamte EU. Doch die Osteuropäer verweigern sich dieser eingeforderten Solidarität. Bislang beharrt Deutschland darauf, dass sich an einer Flüchtlingsverteilung alle EU-Staaten beteiligen.
    So jedenfalls heute Sören Schmidt, der Sprecher des Bundesinnenministers: "Aus unserer Perspektive muss ein Mechanismus, der dauerhaft und tragfähig gilt, sich nicht nur auf einzelne Mitgliedstaaten beschränken, sondern auf alle Mitgliedstaaten."
    Wobei sich fragt, ob diese Position immer und von allen Mitgliedern der Regierung vertreten wird. Im Dezember jedenfalls hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel durchblicken lassen, dass sie sich auch mit Konzepten einer sogenannten "flexiblen Solidarität" anfreunden könnte. Soll heißen: Die einen nehmen auf, die anderen zahlen. Ein Konzept, das auch die EU-Kommission vertritt. Zumindest, um eine Übergangslösung zu schaffen.
    Kommissar Avramopoulos: "Die Kommission steht bereit, mit den Mitgliedstaaten vorübergehende Lösungen zu schaffen, die als Brücke dienen können, bis die neue Dublin-Verordnung dann in Kraft treten kann."
    Ob es eine neue Dublin-Verordnung aber jemals geben wird, das steht angesichts der harten Fronten in der EU völlig in den Sternen.