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EU-Flüchtlingspolitik
"Durch eine vernünftige Verteilung Druck herausnehmen"

Durch eine Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union könnte eine Quotenregelung erreicht werden, sagte Elmar Brok (CDU) im DLF. "Dies müssen wir in einem klaren Gesetzgebungsprozess machen." Auch wenn nicht alle Mitgliedstaaten mitmachen würden, könnte der Druck auf Deutschland dadurch gesenkt werden.

Elmar Brok im Gespräch mit Gerd Breker |
    Elmar Brok während der ARD-Sendung "Anne Will" am 8.7.15 zum Thema Griechenland
    Elmar Brok während der ARD-Sendung "Anne Will" am 8.7.15 zum Thema Griechenland (dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler)
    Gerd Breker: Kontingent, ein allgemein festgesetzter Anteil - klingt nicht so begrenzt wie eine Obergrenze, ist aber so was Ähnliches, denn ein festgesetzter Anteil hört sich begrenzt an. Eine Obergrenze der Flüchtlinge will die bayerische CSU unter Horst Seehofer haben. Bundeskanzlerin Merkel will das nicht. Stattdessen hat nun der Bundesinnenminister die Idee mit dem Kontingent in die Welt gesetzt, was auch der SPD zu gefallen scheint. Nur ein festgesetzter Anteil ist ein Anteil. Was ist denn mit dem Rest? Kontingent geht offenbar von einer europäischen Lösung aus, die in Berlin nun heftig diskutiert wird.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Elmar Brok, für die CDU im Europaparlament und dort Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Guten Tag, Herr Brok.
    Elmar Brok: Guten Tag, Herr Breker.
    Breker: Der Streit um eine Obergrenze der Flüchtlinge, ist der einer christlichen Union eigentlich würdig?
    Brok: Nun, wir Christen sind auch unvollkommene Menschen, die streiten dürfen. Ich glaube, das ist nicht der entscheidende Punkt. Hier haben wir nun eine Frage, die von Realismus ausgeht - das ist bei Frau Merkel -, und eine andere Positionierung, die sich so darstellt, als könnte sie eine eigene nationale Lösung erreichen, und darin liegt der eigentliche Unterschied.
    Breker: Seehofer gegen Merkel, Streit in der Union - das mag der Wähler nicht so sehr.
    Brok: Das ist wohl wahr. Parteien, die sich streiten, werden immer vom Wähler abgestraft und deswegen hoffe ich, dass das schnell beendet wird. Es hilft nur die Sache weiter und es geht darum, dass die EU jetzt schnell den EU-Türkei-Aktionsplan beschließt, dass die Türkei hilft, Grenzen zuzumachen, und dass der zusätzliche Zufluss, den die Türkei hat, dann so vereinbart wird, dass davon einen Teil die Europäische Union nimmt - die Türkei, die zurzeit zweieinhalb Millionen Flüchtlinge hat. Und solange der Krieg weiterläuft - und hier gibt es ja Chancen, dass die internationale Gemeinschaft sich einigt, ihn zu beenden -, aber solange er weiterläuft, wird es Flüchtlinge geben. Das kann man nicht ausschließen und deswegen müssen wir sehen, dass es auch in Zusammenarbeit mit den Ländern, dort wo die Flüchtlingslager sind, so gemacht wird, dass wir einen Teil davon übernehmen, aber dass es geordnet und überschaubar ist.
    Breker: Kontingent, Herr Brok, ist eine reizvolle Idee für die Union. Kontingent statt Obergrenze, das könnte die Partei befrieden. Nur: Kontingent setzt ja - Sie haben es angedeutet - eine europäische Lösung voraus. Sprich: Alle müssten sich beteiligen. Ist das denn überhaupt in Sicht?
    Brok: Nein. Der erste Punkt ist, dass sich die Türkei und andere Staaten wie der Libanon daran beteiligt und wir ihnen dann entsprechend helfen, damit sie auf diese Art und Weise dann in der Lage sind, doch weniger rauszulassen, und wir eigentlich nur dann das Ventil da sind, um das, was dort überläuft, aufzunehmen. Ich glaube, das ist der wichtige Ansatzpunkt. Deswegen ist diese Vereinbarung mit der Türkei von so entscheidender Bedeutung. Sonst kriegt man keine Kontrolle hinein und auch keine Kontingente hinein.
    Breker: Nur Kontingent, Herr Brok, das ist ein festgesetzter Anteil. Was ist denn mit dem Rest? Glauben Sie denn, dass alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ebenfalls Kontingente aufnehmen?
    Brok: Erstens würde, wenn mit der Türkei die Vereinbarung da ist, die Zahl drastisch reduziert. Zweitens kann man auf einer solchen Ebene, glaube ich, dann dazu kommen, dass wir die Quotenregelung erreichen, wenn eine Aufteilung innerhalb der Europäischen Union erfolgt. Dies müssen wir in einem klaren Gesetzgebungsprozess machen. Da mögen nicht alle Länder mitmachen, aber es würde uns ja schon helfen, wenn viele mitmachen würden, um auf die Art und Weise durch eine vernünftige Verteilung Druck herauszunehmen.
    "Die Kommission hat vor fünf Jahren Quoten vorgeschlagen"
    Breker: Hat denn die Europäische Kommission eigentlich die Option von Sanktionen gegen Staaten, die bei so einer Aufteilung nicht mitmachen?
    Brok: Nein. Es ist ja eine Vereinbarung, die besteht, und man kann ja nicht Nationen dazu zwingen. Deutschland hat selbst bis März/April Quoten abgelehnt. Die Kommission hat vor fünf Jahren Quoten vorgeschlagen, wegen Lampedusa und ähnlicher Fälle, und das hat Deutschland damals noch abgelehnt. Hätten wir das vor fünf Jahren gemacht, wären wir in einer besseren Situation. Jetzt, wo wir unter Druck stehen, möchte wir gerne Quoten, und da sind die anderen Länder jetzt nicht so schnell dabei, nicht die anderen Länder, einige der anderen Länder nicht so schnell dabei, und dann müssen wir sehen, dass wir das mit denen machen, die bereit sind, hier in eine europäische Lösung hineinzugehen. In den Ländern der früheren kommunistischen Regierungen in Mittel- und Osteuropa ist man offensichtlich noch nicht so weit, mit Fremden so offen umzugehen.
    Breker: Im Kern, Herr Brok, wäre ja eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik notwendig. Dass es sie nicht gibt, ist das nicht peinlich für eine Gemeinschaft, die sich immer wieder auf gemeinsame Werte beruft?
    Brok: Dieses war keine Zuständigkeit der Europäischen Union. Erst seit 2010 gibt es hier die europäische Zuständigkeit einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Dazu gibt es Mehrheitsentscheidungen jetzt. Die Innenminister der 28 Staaten haben das aber nicht angewandt. Jetzt in der Krise wenden sie es an, im September das erste Mal, und ich glaube, dass daraus eine vernünftige Asyl- und Migrationspolitik kommt. Oft ist immer erst die Krise notwendig, bis die Bereitschaft zum Springen besteht. Das ist nicht nur in Europa so; das ist in Nationalstaaten so, das ist auch im privaten Bereich oft so. Das ist bedauerlich.
    Breker: Ist denn, Herr Brok, da ein Zeitpunkt in Sicht, ab wann es diese Gemeinsamkeit geben könnte?
    Brok: Die Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, unterbreitet weitere Vorschläge und sind dabei, diese Bedingungsarbeit zu betreiben, und wir haben dafür im Europäischen Parlament, das ja jetzt gleichberechtigter Mitgesetzgeber ist, eine Mehrheit. Auch für die Quote haben wir im Europäischen Parlament bereits eine Mehrheit.
    Breker: Faktisch ist es ja so, dass derzeit, wenn wir die Balkan-Route nehmen, es schon so ist, dass einige Länder nicht mehr alle durchlassen. Es werden nur noch die durchgelassen, die tatsächlich aus aktuellen Kriegsgebieten kommen. Ist das im Sinne eines Asylrechts?
    Brok: Erstens sind ja eine Reihe der Balkan-Länder gar nicht EU-Mitgliedsstaaten bisher. Dennoch sind einige wie Serbien bereit, jetzt konstruktiv mitzuarbeiten. Aber ich glaube, dass wir uns in der Tat konzentrieren müssen auf diejenigen, die Asylanspruch haben oder die Bürgerkriegsflüchtlinge sind, und dass all diejenigen, die nicht darunter fallen, etwa die Menschen aus dem Westbalkan selbst, nicht Zuwanderungsrechte haben. Das kann man, glaube ich, deutlich sagen. Es müssen diejenigen sein, die unter die Genfer Konvention fallen, und ich glaube, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, die Menschen aufzunehmen, die wirklich in Not sind.
    "Mit aller Geschwindigkeit die Außengrenzen der Gemeinschaft schützen"
    Breker: Dürfen wir denn nicht auch vergessen, dass es derzeit gar keine wirkliche legale Möglichkeit gibt, in die Europäische Union hineinzukommen, dass die illegale Möglichkeit die einzige ist? Muss es nicht legale Möglichkeiten geben? Müssen die nicht geschaffen werden?
    Brok: Das ist ja genau gemeint mit den Kontingenten, die aus der Türkei kommen, die man jetzt zu vereinbaren hat, wo die Verhandlungen konkret geführt werden. Und dann muss es natürlich so sein, dass jetzt mit aller Geschwindigkeit die Außengrenzen der Gemeinschaft geschützt werden und hier die Registrierungspunkte erfolgen, wo dann die Registrierungen mit den notwendigen Verfahren laufen kann, um auf die Art und Weise ein geordnetes Verfahren hineinzubekommen, damit das Asylrecht und der Schutz von Kriegsflüchtlingen gewährleistet ist, aber das in einer Form, dass es bewältigbar ist.
    Breker: Weil, Herr Brok, die Außengrenzen nicht ausreichend geschützt werden, kommen immer mehr EU-Staaten dazu, ihre nationalen Grenzen zu schützen. Es werden Zäune gebaut. Ist das im Sinne der Europäischen Union?
    Brok: Nein! Aber wir sind hier in einer absoluten Ausnahmesituation. Wir haben ja eine Krise, die die größte seit 40, 50 Jahren ist. Wir haben 60 Millionen Flüchtlinge, wir haben zwölf Millionen allein aus Syrien und Irak. Darauf ist niemand vorbereitet gewesen und das müssen wir jetzt so schnell wie möglich machen. Das bedeutet auch, dass wir ehrlich unseren Bürgern sagen müssen, dass dies neue Schwerpunkte bedeutet, dass es neue Prioritätensetzung bedeutet auch im budgetären Bereich, um jetzt diese Notlage zu bewältigen.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Einschätzung von Elmar Brok. Er ist im Europaparlament und dort Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Die schlechte Telefonleitung bitten wir zu konzedieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.