In der vergangenen Woche hat EU-Ratspräsident Donald Tusk einen veritablen Marathon der Reisediplomatie absolviert – mit Gesprächen in sieben Hauptstädten entlang der Westbalkan-Flüchtlingsroute.
"Ich war in Wien, Ljubljana, Zagreb, Skopje, Ankara, Istanbul und Belgrad."
Und zum zweiten Mal in 16 Tagen war Tusk auch in Athen. Tusk ist in der Flüchtlingskrise spät – manche in Brüssel sagen zu spät - zum Reisediplomaten geworden. Nicht gerade der geborene Diplomat, wie Tusk immer wieder mit markigen, manchen der Regierenden verärgernden Bemerkungen gezeigt hat, versuchte er in diesen Tagen, die auseinanderstrebenden Interessen zusammen zu bringen. So will er den zum Schicksals-Gipfel für die EU hochstilisierten heutigen Sondergipfel mit der Türkei zu einem bitter notwendigen Erfolg verhelfen.
Vor allem die Sicherheit im Fokus
Konsens herzustellen zwischen 28 unterschiedlichen Interessen, Befindlichkeiten und politischen Ausrichtungen, Moderator und Mediator zu sein – das ist die Rolle des EU-Ratspräsidenten. Das ist also die Rolle von Donald Tusk. Kritiker werfen ihm vor, dass Tusk seit Beginn der Flüchtlingskrise - anders als etwa der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker – vor allem den Sicherheitsaspekt einerseits und die Gefahren für das grenzenlose Reisen innerhalb der EU nach dem Schengen-System andererseits im Fokus hat.
"Wir müssen unsere Politik der offenen Türen und Fenster korrigieren. Wir sollten den Fokus auf die ordentliche Kontrolle unserer Außengrenzen legen. Und auf die Unterstützung von Flüchtlingen außerhalb unserer Grenzen, in unserer Nachbarschaft."
Die Kritik an "offenen Türen und Fenstern" lässt sich als Kritik an Griechenland genauso wie an Bundeskanzlerin Merkel verstehen. Tusk hat sie wiederholt auch direkt dafür getadelt, dass Deutschland Flüchtlinge, die aus anderen EU-Ländern ins Land kamen, nicht zurückgeschickt hat, wie es den Regeln entsprochen hätte.
Allerdings ist er mit Angela Merkel einig, dass nur ein koordiniertes europäisches Vorgehen in der Krise erfolgsversprechend ist. So lässt sich das, was er vor einigen Tagen in Athen sagte, ohne große Mühe als Kritik vor allem an Österreich interpretieren.
"Einseitige Entscheidungen, ohne vorherige Absprache, so verständlich auch immer sie im nationalen Zusammenhang sein mögen, schaden dem europäischen Geist der Solidarität."
Und:
"Griechenland aus Schengen auszuschließen ist weder Mittel noch Zweck in dieser Krise."
Aber, so Tusk als er auf seiner Reise in Slowenien Station machte, Außengrenzen lassen sich nun mal nicht immer mit Seidenhandschuhen sichern.
"Manchmal bedarf es harter Maßnahmen, wenn wie die Schengen-Regeln anwenden – tut mir Leid, aber das ist die Realität."
Große Ziele
Donald Tusk möchte erkennbar nicht als der Ratspräsident in die Geschichtsbücher eingehen, in dessen Ägide sich die EU zerlegt hat. Möglicherweise ist sein Plus, dass der ehemalige polnische Regierungschef als Osteuropäer vielleicht mehr Verständnis für die Befindlichkeiten der jungen Demokratien aufbringen kann als andere, auch dafür, wie die Jahrzehnte jenseits des Eisernen Vorhangs sie geprägt haben. Das mag ihm manchmal das Stiften von Konsens erleichtern.
Am Ergebnis gemessen bewährt hat sich der EU- Ratspräsident beim jüngsten EU-Gipfel, als es darum ging in den Verhandlungen mit Großbritannien einen Konsens zwischen allen Beteiligten herzustellen, ohne dass der eine oder andere der 28 mit allzu großem Gesichtsverlust in seine jeweilige Hauptstadt zurückkehren musste.
"Das sind schwierige, sensible Verhandlungen. Ohne Zweifel geht es bei diesem Gipfel um alles oder nichts."
Am Ende, 20 Verhandlungs-Stunden und 26 wiederholten Einzelgesprächen mit neun der 28 Staats- und Regierungschefs später, stand ein Ergebnis. Mit dem soll der britische Regierungschef den Ausstieg seines Landes aus der EU verhindern und mit dem die übrigen 27 mehr oder weniger gut leben können.
Ein verzweifelter Appell
Ob Donald Tusk beim heutigen EU-Sondergipfel Ähnliches wird gelingen können? In diesem Fall eine Rückkehr zu gemeinsamen oder zumindest abgestimmten europäischen Handeln in der Flüchtlingsfrage? Er scheint selbst nicht wirklich daran glauben zu können. Oder lässt sich sein Aufruf vom Donnerstag in Athen, an die Adresse derjenigen, die geneigt sein könnten, in Europa eine Perspektive zu suchen, anders verstehen als ein ziemlich verzweifelter Appell?
"Ich appelliere an alle potenziellen illegalen Wirtschaftsflüchtlinge – wo immer Sie herkommen: Kommen Sie nicht nach Europa. Glauben Sie nicht den Schleusern. Riskieren Sie nicht ihr Leben und Ihr Geld. Es ist sinnlos."