Archiv

EU-Gipfel
Hoffen auf neue Solidarität

Der CDU-Politiker Armin Laschet hat sich verhalten positiv zum EU-Türkei-Gipfels geäußert. Es brauche Zeit, bis alle 28 EU-Staaten mitmachten, sagte Laschet im Deutschlandfunk. Die Vereinbarung sei aber ein Signal: Es zeige, dass die Mitgliedsstaaten erkannt hätten, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine europäische Aufgabe sei.

Armin Laschet im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin Laschet
    Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin Laschet (dpa / picture-alliance / Rolf Vennenbernd)
    Die Hoffnung, dass es zu mehr Solidarität in Europa kommt, sei seit dem gestrigen Gipfel gestiegen, ergänzte der CDU-Vize. Der gestrige Tag habe ein anderes Klima ausgestrahlt als vorherige Treffen.
    Die Europäische Union will die Flüchtlingskrise mit Hilfe eines neuen Vorstoßes aus der Türkei überwinden. Der Plan aus Ankara sieht weitreichende Zugeständnisse für die Bereitschaft vor, alle neu ankommenden Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Beschlossen wurde dazu auf dem EU-Türkei-Gipfel aber noch nichts. Das soll bei einem weiteren Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag nächster Woche geschehen.
    Der Abschlusstext des Gipfels setze auf eine europäische Lösung, sagte Laschet. "Er sagt nicht, dass jeder für sich regelt, wie er seine Grenzen schützt". Auch die Österreicher hätten zugestimmt, dass in zwei Wochen ein endgültiges Ergebnis erzielt werden solle.

    Barenberg: Herr Laschet, schon beim letzten Gipfel wollte Angela Merkel das Paket mit der Türkei ja schnüren. Jetzt ist es wieder nicht gelungen. Die Türkei treibt zudem den Preis für seine Hilfe in die Höhe. Wie groß ist der Rückschlag für die Kanzlerin?
    Laschet: Nein. Sie wollte nicht beim letzten Gipfel das Paket zu Ende schnüren. Sie wollte es auch jetzt nicht, sondern sie will eine europäische Lösung erreichen, bei der alle 28 Mitgliedsstaaten mitmachen. Eine solche Lösung braucht seine Zeit. Das ist etwas sehr umfassendes. Was die Türkei gestern als Vorschlag auf den Tisch gelegt hat, dass nämlich jeder Flüchtling, der nach Griechenland kommt, von der Türkei zurückgenommen wird, wenn er illegal eingereist ist, und dass es dann geordnete Verfahren gibt und dass so etwas Zeit braucht, dass man das mit 28 Mitgliedsstaaten erörtern muss, das halte ich für ein Ergebnis, das nun beim nächsten Gipfel endgültig in trockene Tücher kommen kann.
    Barenberg: Kann, sagen Sie, weil muss können Sie ja gar nicht sagen, denn Sie haben einräumen müssen, dass es schon die vergangenen Male nicht gelungen ist.
    Laschet: Ja was heißt einräumen? Natürlich ist es nicht gelungen. Aber es sind auch Probleme, die man nicht mal eben auf Knopfdruck erreichen kann. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, was es heißt, unterschiedliche europäische Staaten, die ganz unterschiedliche Ansätze haben. Das erleben wir doch tagtäglich mit dem Schließen der Grenze, mit dem Zurückdrängen der Menschen nach Griechenland. Dass diese Staaten plötzlich an einem Abend eine Lösung finden, das finde ich eine Erwartung, die nicht der Realität in Europa entspricht.
    "Bedingungen in den Flüchtlingslagern des UNHCR verbessern"
    Barenberg: Ich erinnere mich noch ganz gut an den letzten Gipfel. Da wurde ja beschlossen, dass dieser Aktionsplan mit der Türkei Priorität hat, dass man sich darüber einig sei, und da war eigentlich die Erwartung, dass man da schon zu einer Einigung kommt. Das war dann nicht möglich, weil es den Anschlag in Ankara gegeben hat. Also hatte man spätestens bei diesem Gipfel eigentlich mit konkreten Beschlüssen gerechnet. Sei es wie es sei, es gibt ja den beschlossenen Aktionsplan mit der Türkei, und auch der ist nicht ansatzweise umgesetzt bisher. Jetzt sattelt Ankara noch mal neue Forderungen obendrauf. Was daran ist eigentlich ein Erfolg?
    Laschet: Ich habe nicht gesagt, dass es ein Erfolg ist, sondern dass wir uns der Lösung in dieser großen Krise nähern. Als erstes finde ich es beachtlich, dass die Türkei jetzt sagt, jeder einzelne Flüchtling wird von der Türkei zurückgenommen. Das habe ich die letzten Monate nicht gehört. Das hat mich auch überrascht im Angebot. Und dass man dann sagt, die Bedingungen in den Flüchtlingslagern des UNHCR, des UN-Flüchtlingskommissars, die wollen wir verbessern, damit die Menschen gar nicht erst mehr den Weg auf die See gehen und wir zu regulären Verfahren zurückkommen, dafür hat Ankara mehr Geld bis zum Jahre 2018 gefordert, da muss die Europäische Union drauf achten, dass es genau auch in den Flüchtlingslagern eingesetzt wird, und das ist für mich nicht allzu überraschend.
    Barenberg: Zu dieser Vereinbarung würde aber auch gehören, dass Europa, dass die Europäische Union in gleicher Zahl Kriegsflüchtlinge aus Syrien als eine Art Kontingent dann in die Europäische Union umsiedelt. Welche Chancen geben Sie dieser Lösung?
    Laschet: Das wird sich jetzt die nächsten Tage erweisen. Mein Eindruck war, dass gestern viele EU-Staaten bereit waren, über diese Frage jedenfalls zu sprechen, dass auch konkrete Angebote denkbar werden, aber das wird auf dem nächsten Gipfel erst gelöst sein. Nur die Abschlusserklärung gibt mir das Signal, die Mitgliedsstaaten haben jetzt erkannt, es ist eine europäische Aufgabe, es ist nicht allein eine Aufgabe Deutschlands, Österreichs oder Schwedens. Ungarn, das zunächst gesagt hat, es will daran sich nicht beteiligen, hat ebenfalls zugestanden, dass man diesen gemeinsamen Text am Ende verabredet hat, und die Hoffnung, die viele Menschen in Deutschland haben, ist doch, dass es tatsächlich zu mehr Solidarität in Europa kommt, und da ist die Chance seit gestern größer als kleiner.
    "Der innere Zustand der Türkei ist nicht so, dass wir knapp vor einem EU-Beitritt stehen"
    Barenberg: Sind Sie denn bereit, wie es die Türkei verlangt, im Gegenzug einzuwilligen, dass es Visaerleichterungen, möglicherweise sogar Visafreiheit sehr viel schneller gibt als geplant und dass auch die Beitrittsverhandlungen wieder auf einen Weg gebracht werden, die eine realistische Beitrittsperspektive dann auch bedeuten?
    Laschet: Die realistische Beitrittsperspektive entscheidet erst mal die Türkei selbst. Der innere Zustand der Türkei ist im Moment nicht so, dass wir knapp vor einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union stehen würden. Aber dass man verhandelt, dass man insbesondere auch über die Pressefreiheit und Menschenrechte verhandelt, das halte ich für realistisch. Das ist ja auch der Türkei schon lange in Aussicht gestellt worden. Und die Visafreiheit war prinzipiell für bestimmte Gruppen, für Geschäftsleute und andere, für den Oktober in Aussicht gestellt worden. Dass man das nun beschleunigt, ist, glaube ich, etwas, was man vertreten kann.
    Barenberg: Dafür muss die Türkei ja rund 70 Bedingungen erfüllen. Zu diesen Bedingungen gehört unter anderem, dass die Menschenrechte in der Türkei gewährleistet sind. Sehen Sie das garantiert?
    Laschet: Das sehe ich noch nicht garantiert und da wird man auch sicher hart verhandeln müssen. Was in den letzten Wochen und insbesondere Tagen in der Türkei geschehen ist, hat jedenfalls nichts mit dem Menschenrechtsstandard in der Europäischen Union zu tun. Ich glaube, über den Teil wird noch zu sprechen sein.
    "Der Abschlusstext setzt auf die europäische Lösung"
    Barenberg: Aber Visaerleichterungen würden Sie dann trotzdem zustimmen?
    Laschet: Wir haben Visafreiheit auch mit Ländern, die nicht optimal immer Menschenrechte akzeptieren. Ich glaube, dass die Frage der Menschenrechte etwas ist, was man anmahnen muss, was auch natürlich in diesen Beitrittsverhandlungen eine Rolle spielt. Die Visafreiheit ist etwas, das zunächst davon unabhängig zu sehen ist. Aber es geht doch insgesamt darum - und das ist das Schwierige bei der Diplomatie -, mit einem Land, das ein Schlüsselland ist in dieser Flüchtlingskrise, in Gesprächen Lösungen zu finden, und da gibt es Zugeständnisse auf beiden Seiten. Das braucht eben auch die Zeit und diese Zeit hat man sich jetzt genommen bis zum nächsten Gipfel am 17. Und 18. März, und jeder kann doch nur hoffen, dass es da zu guten Ergebnissen dann endgültig kommt. Der gestrige Tag war da ein weiterer Zwischenschritt, der schon ein anderes Klima ausgestrahlt hat als das, was wir noch im November und Dezember erlebt haben.
    Barenberg: Ich möchte da noch mal nachfragen. Wo sehen Sie dieses neue Klima denn? Österreich beharrt ja weiter darauf, zusammen mit den anderen EU-Staaten entlang der Balkan-Route, dass die beste Methode im Moment nationale Maßnahmen sind. Von einer europäischen Lösung sind wir doch genauso weit, wenn nicht weiter entfernt als vorher.
    Laschet: Der Abschlusstext setzt auf die europäische Lösung. Der Abschlusstext sagt nicht, 28 Länder, jeder regelt für sich, wie er seine Grenzen sichert. Und nebenbei ist das Schließen der mazedonischen Grenze, was wir im Moment erleben, eine nationale Maßnahme eines Nicht-Mitgliedslandes der Europäischen Union. Und die Aussage, die Balkan-Route ist geschlossen, ist natürlich auch nicht wahr, weil täglich noch Flüchtlinge an der deutschen Grenze eintreffen. Die Formulierung, die man jetzt gefunden hat, dass der illegale Weg weiter verringert werden soll, ist die treffendere, ist die richtigere, und auch die Österreicher haben ja zugestimmt, dass in zwei Wochen auf dem nächsten Gipfel mit der Türkei dann endgültig ein Ergebnis erzielt werden soll.
    Barenberg: Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Laschet.
    Laschet: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.