Ratspräsident Tusk kündigte beim EU-Gipfel an, innerhalb von zwei Wochen Vorschläge über das weitere Verfahren vorzulegen. Frankreichs Präsident Macron sprach von einem Fortschritt. Europa dürfe sich nun nicht in Debatten verlieren. Macron hatte Anfang der Woche in einer Grundsatzrede für eine verstärkte Zusammenarbeit in Fragen der Wirtschaft, Sicherheit und Verteidigung geworben.
Für Streit sorgt die Forderung nach einer stärkeren Besteuerung von Internet-Unternehmen wie Google oder Facebook -ein Vorschlag von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Irland stemmt sich aber dagegen. Mehr Steuern und Vorschriften seien nicht die Lösung, sagte Regierungschef Varadkar in Tallinn. Man wundere sich in Europa, dass man keine eigenen Internetkonzerne wie Google oder Facebook habe. "Wenn man diese Dinge in Europa haben will, dann sind höhere Steuern sicher nicht der richtige Weg."
Doch das Hauptthema des Gipfels war die Digitalisierung. Zur Eröffnung hatte die estnische Präsidentin Kaljulaid erklärt, von der Ausweitung digitaler Dienstleistungen profitierten besonders Menschen in ländlichen Regionen und Menschen mit geringen Einkommen. Die Digitalisierung sei ein wichtiger Beitrag zur Schaffung gleicher Lebensbedingungen, sagte Kaljulaid. Estland habe viele digitale Innovationen schon sehr frühzeitig eingeführt. Dazu seien große Anstrengungen nötig gewesen, aber letztlich profitiere davon die gesamte Gesellschaft.
Der deutschen Wirtschaft haben Ökonomen in Bezug auf die Digitalisierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Einer Studie des European Centre of International Political Economy zufolge schöpft die deutsche Wirtschaft beim Handel mit digitalen Dienstleistungen ihr Potenzial nicht aus. Deutschland landet unter 28 Industrienationen nur auf Platz 19. Die vorderen Plätze belegten Irland, Ungarn, Kanada und die USA.
Mängel in deutscher Infrastruktur
Gründe für die schlechte Platzierung seien Mängel in der Infrastruktur, etwa bei Ausbau von Breitbandnetzen, heißt es in der Untersuchung. Für die Studie hatten die Wissenschaftler die Entwicklung und den Export von Anwendungen wie Online-Banking oder Dating-Apps untersucht.
Christoph Keese, Executive Vice President bei Axel Springer, machte im Dlf verschiedene Probleme in Deutschland aus. Dazu gehöre, dass man nicht auf schlanke Strukturen von Anwendungen setze, wie es beispielsweise Whatsapp mit Erfolg getan habe. Diese Anwendung sei peu à peu erweitert worden. In Deutschland wolle man stattdessen direkt alle Funktionen einbauen, was länger dauere, sagte Keese, der im Silicon Valley gelernt hat. Sollte das Produkt dann keinen Absatz finden, wisse man nicht, an welcher dieser Funktionen es liege.
Christoph Keese, Executive Vice President bei Axel Springer, machte im Dlf verschiedene Probleme in Deutschland aus. Dazu gehöre, dass man nicht auf schlanke Strukturen von Anwendungen setze, wie es beispielsweise Whatsapp mit Erfolg getan habe. Diese Anwendung sei peu à peu erweitert worden. In Deutschland wolle man stattdessen direkt alle Funktionen einbauen, was länger dauere, sagte Keese, der im Silicon Valley gelernt hat. Sollte das Produkt dann keinen Absatz finden, wisse man nicht, an welcher dieser Funktionen es liege.
Digitalexperte: Deutschland investiert zu wenig in riskante Projekte
Außerdem kritisierte Keese, dass es in Deutschland zu wenig Geld in riskante Projekte investiert würden. Das sogenannte Wagniskapital liege in Deutschland bei rund einer Milliarde Dollar, während es in den USA 60 Milliarden seien.
Die Netzaktivistin Domscheidt-Berg, die für die Linke in den neuen Bundestag gewählt wurde, warf der Bundesregierung eine verfehlte Breitbandstrategie vor. Die Regulierung sei bislang so gestaltet, dass am Ende die Deutsche Telekom begünstigt worden sei, sagte Domscheidt-Berg im Deutschlandfunk. Man habe versucht, das Letzte aus dem Kupferkabel herauszuholen. Für ein schnelles Internet sei allerdings der Ausbau der Glasfaserinfrastruktur dringend notwendig, betonte Domscheidt-Berg.
Der gewählte FDP-Bundestagsabgeordnete Toncar erklärte, die Entwicklung eines digitalen Binnenmarkts berge Chancen. Dies sei einer der Vorschläge Macrons, die er teile. Im Bereich der Weiterentwicklung der Eurozone seien dessen Ansätze jedoch nicht geeignet. Es dürfe keinen automatischen Umverteilungsmechanismus in Europa geben, sagte Toncar im Deutschlandfunk.
(vic/mw/jcs)