Die Gipfelagenda ist lang wie umfassend. Alle großen Themen tauchen darin auf: Migration, Verteidigungsunion, Handelspolitik, Brexit. Doch alles getragen von einem positiven Grundton. Die EU steht neuerdings wieder für Lösungen, nicht für Probleme, schreibt EU-Ratspräsident Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben. Und auch Kommissionschef Jean Claude Juncker hat in den letzten Wochen eine neue Lust auf Europa ausgemacht:
"Ich glaube, die Europäer sind nach Brexit, nach Trump und nach einem positiven Wahlausgang in Österreich und Frankreich eigentlich von Zukunftslust erfasst."
Die dann auch der zweitägige Gipfel widerspiegeln soll, auch wenn wichtige Entscheidungen nicht zu erwarten sind. Die EU müsse weiter liefern, schreibt Tusk – und das gilt gerade für die Bereiche innere und äußere Sicherheit. Frankreich und Deutschland haben sich in der Verteidigungspolitik zu Beginn der Woche noch einmal eng abgestimmt.
Der Ansatz der Kommission, hier mehr eigenes Profil zu entwickeln – auch gegenüber den USA - wird sowohl von Berlin wie auch Paris unterstützt. Europa, so Juncker kürzlich, könne die eigene Sicherheit nicht einfach auslagern.
Der Aufbau eines europäischen Verteidigungsfonds wird also – laut Entwurf der Abschlusserklärung - unterstützt. Außerdem soll die seit dem Vertrag von Lissabon mögliche ständige Zusammenarbeit in den nächsten Monaten vorangetrieben werden. Nicht alle müssen, aber jeder kann daran mitarbeiten.
Migration bleibt wichtiges Thema
Zudem will sich der Rat ausdrücklich zum Pariser Klimaprotokoll und einem offenen globalen Handelssystem bekennen. Auch dies eine deutliche Botschaft in Richtung Washington. Doch trotz der demonstrativen Geschlossenheit: Beim Thema Migration kommt die EU trotz vieler Vorschläge nicht voran.
Italien ächzt unter hohen Flüchtlingszahlen - der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr 26 Prozent, rechnet Tusk vor. Doch von Solidarität und gemeinsamer Verantwortung kann keine Rede sein. Polen, Ungarn und Tschechien weigern sich weiterhin, Flüchtlinge aufzunehmen. Und dabei werde es auch trotz Vertragsverletzungsverfahren bleiben, hatte erst kürzlich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban noch einmal bekräftigt:
"Stellen Sie keine einheitliche europäische Politik her, die dazu führt, dass wir unsere Identität verlieren. Das wichtigste Gebot unserer Region ist, zu bleiben, wer wir sind und wie wir sind"
Einigkeit demonstrieren die 27 bislang beim Brexit. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier wird über den Auftakt der ersten Gesprächsrunde informieren und auch die britische Premierministerin Theresa May will ihre Sicht der Dinge beim Abendessen darlegen.
Doch wenn es konkret wird, droht dann doch der Streit. Zwei bislang in London ansässige EU-Agenturen, die für die Zulassung von Medikamenten und die für die Bankenaufsicht, sollen zurück aufs Festland verlagert werden.
Quasi alle 27 Staaten haben Interesse angemeldet, locken doch Prestige und Einnahmen. Die Kommission hat dazu ein Punktesystem entwickelt, das ein wenig an den European Song Contest erinnert und vielen nicht behagt, lässt der deutsche Außenstaatsminister Michael Roth anklingen:
"Wir haben die Vorschläge der Kommission zur Kenntnis genommen. Es handelt sich hierbei nicht um ein naturwissenschaftliches-mathematisches Verfahren. Am Ende brauchen wir auch eine politische Bewertung."
Was eher auf einen klassischen Kuhhandel hindeuten würde. Doch entscheiden wird auf diesem Gipfel noch nichts, auch wenn die Zeit drängt. Schließlich wollen die zusammen knapp 1.100 Mitarbeiter der beiden Agenturen möglichst bald wissen, in welchem Land und in welcher Stadt sie demnächst arbeiten werden.