Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs warfen der russischen Regierung vor, Druck auf frühere Sowjetrepubliken wie die Ukraine auszuüben. Das lehne die Europäische Gemeinschaft entschieden ab, sagte Herman Van Rompuy. "Wir werden dem Problem nicht aus dem Weg gehen", sagte der EU-Ratspräsident mit Blick auf das geplante EU-Spitzentreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Ende Januar. Die Liste der Meinungsverschiedenheiten mit Moskau werde immer länger.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die EU-Staats- und Regierungschefs hätten deutlich gemacht, "dass wir der Meinung sind, dass jedes Land seine außenpolitischen Entscheidungen in Souveränität fällen" müsse. Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite betonte: "Europa ist offen für das ukrainische Volk. Aber nicht unbedingt für diese Regierung. Das ist die Botschaft."
Die Ukraine könne das fertig verhandelte, aber auf Eis liegende Assoziierungsabkommen mit der EU nach wie vor unterschreiben, betonten die Staats- und Regierungschefs. Die finanziell angeschlagene Ukraine hat ein Angebot Russlands über Kredithilfen sowie über einen 30-prozentigen Rabatt auf Gaslieferungen angenommen. Damit hatte sich die Regierung in Kiew von der EU abgewandt.
Offenbar um ähnliche Fälle künftig zu vermeiden, stellte die EU Georgien und Moldau in Aussicht, die Assoziierungsabkommen mit den beiden Ländern bereits im August 2014 zu unterzeichnen.
Kein Geld für französischen Militäreinsatz in Zentralafrika
Bei dem Gipfeltreffen ging es auch um den französischen Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik. Die EU will im Januar darüber beraten, ob sie den französischen Militäreinsatz in Zentralafrika mit einer EU-Mission unterstützen werde. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton solle dann "Optionen" vorlegen, "um zur Stabilität des Landes mit einer EU-Mission beizutragen", sagte Van Rompuy nach Abschluss des Gipfels in Brüssel. Kanzlerin Merkel schloss die Entsendung von Bundeswehrsoldaten erneut aus.
Frankreich ist seit Anfang Dezember auf Basis eines UNO-Mandats mit 1.600 Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz, um die Gewalt in dem Krisenstaat zu beenden. Der französische Präsident François Hollande hatte in Brüssel um eine finanzielle Beteiligung der EU an dem Einsatz gebeten. Das wurde aber abgelehnt - mit dem Argument, dass Frankreich sich ohne EU-Zustimmung zu dem Einsatz entschlossen habe. In ihrer Abschlusserklärung begrüßten die EU-Staats- und Regierungschefs aber ausdrücklich das "entscheidende militärische Eingreifen Frankreichs".
EU will weitere Flüchtlingstragödien im Mittelmeer verhindern
Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen zudem "mit Entschlossenheit" dazu beitragen, dass künftig weniger Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ums Leben kommen. Das Risiko, dass es zu weiteren Tragödien wie jenen vor der italienischen Insel Lampedusa komme, müsse verringert werden, hieß es in der Abschlusserklärung. Bei den zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa Anfang Oktober waren weit über 400 Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten gestorben.
Die EU-Regierungschefs stimmten insgesamt 38 Maßnahmen zu, die die EU-Kommission nach Beratungen einer Mittelmeer-Expertengruppe vorgeschlagen hatte. Vorgesehen ist etwa eine Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und ein härteres Vorgehen gegen Schleuserbanden. Einen grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik plant die EU derzeit allerdings nicht. Erst für Juni nächsten Jahres ist eine strategische Überprüfung der Flüchtlingspolitik vorgesehen. Der Termin liegt so, dass die Debatten nicht in die heikle Wahlkampfphase vor den Europawahlen im kommenden Mai fallen.
Entscheidungen bei Verteidigung und weiteren Reformen vertagt
Gesprochen wurde bei dem Gipfel auch über eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU sowie eine Wirtschafts- und Währungsunion. Konkrete Entscheidungen fielen aber auch hier nicht. Die EU-Staaten einigten sich im Bereich Verteidigung lediglich darauf, enger zusammenarbeiten zu wollen, ließen aber offen, was genau dies bedeutet. In Sachen Wirtschafts- und Währungsunion soll erst im Oktober nächsten Jahres über die Möglichkeit bilateraler Reformverträge einzelner Mitgliedsländer mit der EU-Kommission entschieden werden. Merkel erklärte beim Gipfel, hier werde "noch viel Arbeit notwendig sein".
Während des Gipfels wurde bekannt, dass die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) der EU bei der Beurteilung ihrer Kreditwürdigkeit die Bestnote entzogen hat. Die Note sei wegen der schwächeren Verfassung ihrer 28 Mitgliedsländer um eine Stufe von "AAA" auf "AA+" gesenkt worden, teilte S&P in London mit. Den Ausblick hielt die Agentur allerdings auf "stabil".