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EU-Gipfel
Streit um Spitzenposten

Die Frage, wer Kommissionspräsident in Brüssel werden soll, wird zum Machtkampf. Denn eine Einigung im Parlament auf die Unterstützung eines Kandidaten ist nicht in Sicht. Gleichzeitig versucht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Manfred Weber (EVP) zu verhindern - Angela Merkel hält dagegen.

Von Peter Kapern |
    Es ist eine der Spezialitäten Angela Merkels, einen Satz so vielschichtig zu drechseln, dass man Wochen später noch philosophieren kann, was er bedeuten soll. Zum Beispiel diesen hier, formuliert am Rande des EU-Gipfels vor gut drei Wochen, kurz nach der Europawahl, als die Staats- und Regierungschefs erstmals über das Personaltableau der EU-Spitzenämter beraten haben:
    "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Wunden reißen, bei jenen, die nicht zustimmen können, sodass uns dann die Mittelfristige Finanzielle Vorausschau, die wir einstimmig verabschieden müssen, nicht gelingen kann."
    Was sollte dieser Hinweis auf den siebenjährigen Haushaltsrahmen mit einem Volumen von mehr als einer Billion Euro in genau diesem Moment bedeuten? Erste Lesart vieler Beobachter: Das war Merkels Signal an die EU-Partner, dass sie sich für den Spitzenkandidaten ihrer christdemokratischen Parteienfamilie für den Posten des Kommissionschefs, Manfred Weber, nicht verkämpfen wird.
    Vier Posten sind zu vergeben
    Jetzt, drei Wochen später, bieten sich ganz andere Lesarten an. Mittlerweile ist deutlich geworden, mit welcher brachialen Vorgehensweise Emmanuelle Macron versucht, den CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber von der Spitze der EU-Kommission fernzuhalten. Fast ein halbes Dutzend andere Politiker hat Macron seither für diesen Posten schon ins Gespräch gebracht, häufig mit der Absicht, die EVP zu spalten. Sogar Angela Merkel selbst hat er den Job angeboten.
    Klar sei er bereit, sie zu unterstützen, wenn sie den Job wolle, sagte er im Schweizer Fernsehen. Europa brauche ja ein neues, starkes Gesicht. Und irgendwie klang durch, dass die deutsche Kanzlerin dann Kommissionpräsidentin von seinen Gnaden wäre. Kurzum: Die Stimmung zwischen Paris und Berlin ist miserabel, die EVP schäumt vor Wut über Macrons Vorgehen.
    Und so könnte der kunstvoll gedrechselte Satz von Angela Merkel auch eine Botschaft an Macron selbst gewesen sein. Als Erinnerung daran, dass Deutschlands Zustimmung zu einem wachsenden EU-Budget nicht leichtfertig riskiert werden sollte. Das ist die Ausgangslage zu Beginn des heutigen Gipfels. Vier Posten sind zu vergeben. Parlamentspräsident, Außenminister, Ratspräsident und vor allem: Kommissionspräsident. Einen Kandidaten dafür muss der Rat dem Parlament zur Wahl vorschlagen. Und zwar mit qualifizierter Mehrheit. Und die ist nicht in Sicht. Die Parteienfamilien der Christdemokraten, der Sozialdemokraten und der Liberalen blockieren sich im Rat.
    Stillstand im Parlament, Stillstand im Rat
    Und aus demselben Grund bewegt sich auch im Europaparlament so gut wie nichts. Dort verhandeln seit zwei Wochen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne über eine Art Koalitionsvertrag. Was immer darin festgehalten wird, soll der nächste Kommissionspräsident dann umsetzen. Und der soll, nach dem Willen des Parlaments, einer der Spitzenkandidaten sein. An denen halten die Fraktionen im Europaparlament bislang eisern fest. Bislang kein Anzeichen dafür, dass sich alle pro-europäischen Fraktionen hinter Manfred Weber, dem Kandidaten der stärksten Fraktion, der EVP, versammeln könnten.
    Stillstand im Parlament, Stillstand im Rat. In Brüssel wird deshalb schon über den Termin eines weiteren Sondergipfels spekuliert. Kurz vor der konstituierenden Sitzung des Europaparlaments am 2. Juli. Bis dahin, da stimmen alle Beteiligten überein, soll das Personalpaket geschnürt ein. Knappe zwei Wochen also hat Manfred Weber noch, im Europaparlament eine Koalition zu schaffen, hinter der sich auch eine ausreichende Mehrheit des Rats versammeln kann. Das geht wohl nur, wenn Merkel und Macron ihren Streit überwinden. Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Thinktank European Policy Center hält das für durchaus möglich. Allerdings auf Kosten Manfred Webers:
    "Ich glaube, dass meiner Ansicht nach keiner der Spitzenkandidaten am Ende das Rennen machen wird."
    Soll heißen: Manfred Weber würde kapitulieren müssen, damit der Rat freie Hand hat, die Posten so zu verteilen, dass alle irgendwie zufrieden sind.