Der Riss geht mitten durch die Eurozone. Wie können wir sicherstellen, dass alle Mitgliedstaaten gleichermaßen in der Lage sind, die Kosten der Coronakrise zu stemmen? Das ist die Frage, an sich die Geister scheiden.
Zu Wochenbeginn hat die EU den Stabilitätspakt, der die Mitgliedstaaten zu sparsamer Haushaltsführung zwingt, außer Kraft gesetzt. Das heißt: Jedes Euroland hat kann nun ohne ein durch die EU definiertes Limit Kredite aufnehmen, um sein Gesundheitssystem zu stärken und den Absturz seiner Wirtschaft abzufedern.
Länder an der Grenze der Leistungsfähigkeit?
Die Limits könnten aber andere setzen: Nämlich die Finanzmärkte, die von Ländern, die schon jetzt einen sehr hohen Schuldenberg aufgetürmt haben, einen Zuschlag auf die Zinsen verlangen – einen Risikoaufschlag. Der könnte das eine oder andere Land an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringen.
Wobei insbesondere Italien den Experten Sorge bereitet. Und diese Sorgen dürften noch größer werden, wenn nach der Krise ein weiteres Mal Geld mobilisiert werden muss, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Uneinigkeit bei Konditionen für Kreditlinien
Dienstagabend hatten die Finanzminister darüber beraten, wie verhindert werden kann, dass aus der Coronakrise eine Finanzkrise wird. Auf eine Lösung haben sie sich nicht verständigt.
Wir arbeiten an prophylaktischen Kreditlinien des Rettungsschirms ESM für jedes Euroland, ließ Eurogruppenchef Mario Centeno am Ende der Gespräche wissen. Und er lobte diese Kreditlinien über den Klee: Sie stellten eine weitere Verteidigungslinie für den Euro dar, so Centeno, eine Versicherung, die uns vor der sich ausweitenden Krise schützt.
Tatsache ist aber: Die Euroländer konnten sich nicht einmal darauf verständigen, zu welchen Konditionen Kredite beim ESM abgerufen werden können. Mit oder ohne harte Reformauflagen?
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Einige Euroländer plädieren für Corona-Bonds
Dass mindestens neun Euroländer diese ESM-Kredite für unzureichend, wenn nicht gar untauglich halten, das wurde dann gestern deutlich.
Da erhielt nämlich Ratspräsident Charles Michel Post. Einen Brief, den Frankreich, Spanien, Italien und sechs weitere Staaten unterzeichnet hatten. Und in diesem Brief fordern sie, dass die EU-Mitgliedstaaten ein Instrument zu gemeinsamen Schuldenaufnahme entwickeln. Im Klartext: Corona-Bonds.
Die seien durchaus eine Option, hatte EU-Haushaltskommissar Paolo Gentiloni nach den Gesprächen der Finanzminister wissen lassen: Mehrere Werkzeuge lägen auf dem Tisch, so Gentiloni, und eins davon seien die Corona-Bbonds. Das aber sehen bei weitem nicht alle Länder so.
Riss, der die Eurozone teilt, ist kein neuer
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zum Beispiel hat die Diskussion um die Corona-Bonds als "Gespensterdebatte" bezeichnet. Und er ist nicht allein. In Deutschland ist die Front, die sich schon zu Zeiten der Finanzkrise gegen die Schuldenvergemeinschaftung gestemmt hat, wieder auferstanden. Und auch aus den Niederlanden gibt es ein klares "Nein" zu Corona-Bonds.
Der Riss, der die Eurozone teilt, ist also kein neuer. Es ist derselbe Riss, den es schon vor zehn Jahren gegeben hat. Aber heute, da sind sich alle einig, sind die Probleme, vor denen die EU steht, noch weit größer als damals.