Im Welthandel will die Europäische Union auch künftig die Rolle des Guten spielen, aber nicht mehr länger die des Harmlosen. So lässt sich auf den Punkt bringen, was Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrowskis heute in Brüssel vorstellte. Das Konzept für die europäische Handelspolitik der kommenden Dekade:
Europa überdenke die Rolle des Handels und der Handelspolitik in einer Welt zunehmender geopolitischer Konflikte und wirtschaftlicher Umbrüche, so Dombrowskis, der die Ziele einer neu ausgerichteten Handelspolitik mit drei Worten kennzeichnete: Offen, nachhaltig und durchsetzungsfähig soll sie sein, die neue Handelspolitik der EU.
Offen, weil die EU mit ihrer vom Export abhängigen Wirtschaft auch künftig Handelsabkommen mit Drittstaaten abschließen will. Schließlich sind nach Berechnungen der EU-Kommission 35 Millionen Jobs in der EU vom Export abhängig.
Neue Handelspolitik soll nachhaltig sein
Nachhaltig soll die neue Handelspolitik sein, weil die EU in Handelsabkommen stärker als bislang ihre langfristigen politischen Ziele verankern will, etwa den Klimaschutz oder das Ziel eines fairen Welthandels. Produkte aus Zwangsarbeit zum Beispiel sollen vom europäischen Markt ausgeschlossen werden.
Und wer mit der EU einen Handelsvertrag abschließen will, muss sich künftig verpflichten, die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, und zwar jederzeit nachprüfbar. Zustimmung dazu von Anna Cavazzini, der Handelsexpertin der Grünen im Europaparlament, aber mit Einschränkungen:
"Diese neue und grüne Rhetorik dieser Strategie weist klar in die richtige Richtung. Das große Manko der neuen Handelsstrategie der Europäischen Kommission: Die bestehenden und bereits ausgehandelten Abkommen sollen nicht angetastet werden."
Was die Durchsetzungsfähigkeit angeht, so will die EU die Lehren aus den letzten Jahren ziehen.
Von der Trump-Administration ist sie mit Strafzöllen und Handelsbarrieren drangsaliert worden, ohne echte Gegenwehr. China verschafft trotz jahrelanger Verhandlungen seiner Wirtschaft nach wie vor unfaire Vorteile auf den Weltmärkten. Durch subventionierte Staatsbetriebe und fehlenden Schutz geistigen Eigentums.
Und die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie anfällig die EU-Wirtschaft ist, wenn einmal globale Lieferketten unterbrochen werden. Deshalb zielt die EU mit ihrer neuen Handelspolitik auf eine sogenannte Offene Strategische Autonomie. Der CDU-Europaabgeordnete Sven Simon:
"Offene Strategische Autonomie bedeutet, dass wir weiterhin freien Handel betreiben möchten. Aber schon darauf schauen, dass wir uns nicht mehr in Abhängigkeiten begeben."
Das bedeute aber keine politische Äquidistanz zu China und den USA, wie Valdis Dombrowskis betonte. Den USA sei man durch gemeinsame Werte enger verbunden als jedem anderen Handelspartner.
Hoffen auf ein Ende der WTO-Blockade durch die USA
Deshalb hofft die Kommission auch darauf, mit der neuen US-Administration den Konflikt um die Welthandelsorganisation WTO lösen zu können.
Donald Trump hatte die Berufung neuer Richter für deren Berufungsinstanz so lange blockiert, bis das Gremium arbeitsunfähig war.
Wenn man nur die Blockade der Richterberufung beenden würde, so Dombrowskis, dann würde die Berufungsinstanz wieder funktionieren. Und die EU sei auch bereit, wie von den USA verlangt, über eine Reform der Arbeitsweise des WTO-Gerichts zu reden, um dessen Funktionieren zu verbessern.