Genau 53 Minuten vor Ablauf der Einigungsfrist um Mitternacht traten die Kontrahenten vor die Presse.
Es gebe gute Nachrichten, sagte der finnische Finanzstaatssekretär Kimmo Tiilikainen, der Chefunterhändler der Mitgliedstaaten.
Mit großer Erleichterung könne er berichten, dass sich der Rat und das Parlament mit Unterstützung der Kommission auf einen Haushalt für das Jahr 2020 verständigt hätten. Und der umfasst 168,7 Milliarden Euro an Zahlungsermächtigungen. Das ist eine Zahl, die vielleicht auch ohne nächtliche Verhandlungsdramen erreichbar gewesen wäre. Das legen jedenfalls die ursprünglichen Positionen nahe.
Die Mitgliedstaaten hatten die EU-Ausgaben im kommenden Jahr auf 166,8 Milliarden Euro begrenzen wollen. Die Europaabgeordneten hatten stattdessen ein Budget von 171 Milliarden gefordert. Getroffen hat man sich also ziemlich genau in der Mitte, und nur 400 Millionen Euro von jenem Wert entfernt, den die EU-Kommission schon Anfang Juni vorgeschlagen hatte. Das sind die berühmten Peanuts.
Wer ist Koch und wer ist Kellner
Allein dieser Blick auf die Zahlen nährt die Vermutung, dass es den Unterhändlern beider Seiten nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich um Mittel für bestimmte Ausgabenprogramme gegangen ist, sondern ums Prinzip. Und so ist das eigentlich immer, wenn um das Jahresbudget der EU verhandelt wird. Dessen maximale Größe ist ja im Prinzip durch den mittelfristigen Finanzrahmen vorgegeben, den die EU-Staaten alle sieben Jahre aushandeln.
Bei den jährlichen Budgetverhandlungen geht es den Mitgliedsländern dann vorrangig darum, dem Straßburger Parlament, das keine eigene Einnahmenhoheit hat, deutlich zu machen, wer in der EU Koch, und wer Kellner ist. Je weiter das Jahresbudget unter der maximalen Höhe bleibt, desto weniger müssen die Finanzminister nach Brüssel überweisen.
Die Einsparung verbuchen wie eine zusätzliche Einnahme, schließlich haben sie die im mittelfristigen Finanzrahmen vereinbarte Maximalüberweisung nach Brüssel ja längst in ihre nationalen Finanzplanungen eingestellt. Und die Europaabgeordneten tun alles, was in ihrer Macht steht, um diesem Sparinstinkt der Mitgliedstaaten etwas entgegenzusetzen. Etwa zusätzliche Ausgabenwünsche für alles, was gut und wünschenswert ist. Für junge Menschen, für die Umwelt, für die Zukunft.
Mehr Gelf für Jugend, Umwelt und Zukunft
Und so kann es nicht verwundern, dass der Chefunterhändler des Europaparlaments, der belgische Abgeordnete Johan Van Overtveldt, überaus zufrieden war, nachdem er den Finanzministern der Mitgliedstaaten fast zwei zusätzliche Milliarden aus dem Kreuz geleiert hatte:
Sehr stolz seien die Unterhändler des Parlaments auf die Vereinbarung, die sie erreicht hätten, so Van Overtfeld. Zusätzliches Geld gebe es jetzt unter anderem für das Erasmus-Plus Programm, für den Kampf gegen den Klimawandel und für die Forschungsförderung. Also für Jugend, Umwelt und Zukunft.
Lange ausruhen können sich die Haushälter beider Seiten nicht auf ihren Lorbeeren. Vor ihnen liegt eine Aufgabe, die um ein vielfaches schwieriger werden wird als das ritualisierte Armdrücken um den jährlichen Haushalt. Spätestens bis Ende nächsten Jahres müssen sie den neuen mittelfristigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 aushandeln.
Dabei geht es nicht nur um die gewaltige Gesamtsumme von mehr als einer Billion Euro, sondern auch um große Einsparungen nach dem Brexit und um drastische Verschiebungen zwischen den einzelnen Ausgabeprogrammen der EU. Bei diesen Verhandlungen wird es ans Eingemachte gehen. Dagegen war das Armdrücken um das jährliche Budget das reine Zuckerschlecken.