Mehr als acht Jahre lang war Boris Johnson Bürgermeister der britischen Hauptstadt, noch vor einem Jahr sah ihn David Cameron als möglichen Nachfolger im Amt des Premierministers. Doch inzwischen sind die beiden politische Gegner: Am 22. Februar erklärte Johnson, für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stimmen zu wollen - im Gegensatz zu Cameron, der sich für einen Verbleib einsetzt.
Dem Wochenmagazin "The Spectator", dessen Herausgeber Johson einmal war, erklärte er nun, warum er sich für diese Haltung und damit gegen seinen Partei-Kollegen entschieden habe - und er bereit sei für eine Debatte mit diesem. Großbritanniens ältestes noch existierendes Magazin für Politik und Kultur kürte Johnson daraufhin zum Kapitän der EU-Gegner auf der Insel:
In einem weiteren Interview - eine Woche nachdem Johnson sein Londoner Amt los war - heizt der so populäre wie umstrittene Politiker nun den Wahlkampf für das Brexit-Referendum am 23. Juni weiter an: Der EU wirft er vor, einen Superstaat schaffen zu wollen. Napoleon, Hitler und andere hätten das bereits versucht und seien damit tragisch geendet, sagte der 51-Jährige der Sonntagsausgabe des britischen "Telegraph". Was grundsätzlich fehle, sei die Loyalität zu der europäischen Idee. Es gebe keine Autorität, die alle respektierten und verstünden. Deutschland sei dadurch mächtiger geworden, habe die italienische Wirtschaft "übernommen" und Griechenland "zerstört".
Mit seinem Vergleich stößt er auf breite Kritik - auch innerhalb der eigenen Reihen: Johnson sei ein "Meister der Selbstverstümmelung", schreibt im Kurznachrichtendienst Twitter Nicholas Soames, ein Enkel Winston Churchills, ehemaliger Verteidigungsminister und seit mehr als 30 Jahren Mitglied des britischen Parlaments – also eine Instanz bei den Konservativen. Johnson sei mit seiner Aussage zu weit gegangen.
Die Labour-Abgeordnete Debbie Abrahams vergleicht Johnson mit dem US-Milliardär und amerikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, übrigens wie Johnson gebürtiger New Yorker. Johnson bediene sich der Mittel Trumps, so Abrahams.
Johnson betreibe ein "dreckiges Spiel", führte die ehemalige Labour-Ministerin Yvette Cooper aus. Je mehr er diese Art "hysterischer Behauptungen" aufstelle, desto mehr offenbare er Johnson sein "beschämendes Fehlen von Urteilsvermögen und Argumenten".
Einer jüngsten Online-Umfrage zufolge halten die meisten Briten Johnson in der Debatte um einen EU-Austritt für sehr viel glaubwürdiger als Cameron. Demnach vertrauen ihm 45 Prozent der Befragten und nur 21 Prozent dem Premierminister. In Auftrag gegeben wurde die Umfrage der Zeitungen "Sunday Mirror" und "Independent" allerdings noch vor den jüngsten Äußerungen Johnsons.
(bor/tgs)