Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass der indische Premierminister Narendra Modi, ehrenvoll empfangen, Europa bereist: Denn einst hatten die EU-Staaten untereinander stillschweigend verabredet, Herrn Modi nie offiziell einzuladen. Und zwar wegen der zweifelhaften Rolle, die er in seinem Heimat-Bundesstaat Gujarat gespielt haben soll. Dem stand er vor, als im Jahr 2002 hunderte Muslime bei einem Pogrom ums Leben kamen. Doch schon bevor Narendra Modi 2014 zum Regierungschef Indiens gewählt wurde, lösten die EU-Staaten ihren Bann. Und so konnte er denn jetzt in Brüssel feierlich empfangen werden.
Strittige Punkte beim Freihandelsabkommen
Sowohl den Belgiern als auch der EU selbst machte Modi in Brüssel seine Aufwartung. Da Indien ein enger Partner der Europäer ist, sind eigentlich jährliche Gipfel-Treffen vorgesehen. Doch das letzte dieser Art ist bereits vier Jahre her. Dass man sich eine Beziehungs-Pause gönnte, hat verschiedene Gründe: Einer ist der, dass man bei dem seit Jahren geplanten und verhandelten Freihandels-Abkommen in einer Sackgasse gelandet war. Dabei hatte bereits vor sechs Jahren ein damals so optimistischer EU-Kommissions-Chef Barroso die Devise ausgegeben: "Lasst uns den Deal im Jahr 2011 eintüten."
Daraus wurde nichts. Und auch heute sind die strittigen Punkte nach wie vor nicht ausgeräumt: Europa wünscht sich von den Indern, dass die ihre gigantisch hohen Zölle zum Beispiel auf Weine, vor allem aber auf Autos abbauen. Indische Geschäftsleute wiederum klagen seit langem, dass Europa ihnen hohe Hürden in den Weg stellt, wenn die ein EU-Einreise-Visum beantragen. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch genau diese Gespräche über den Abbau von Zollschranken – und das ist das Signal dieses Gipfel-Treffens – sollen nun wiederbelebt werden. Auch wenn sich eine schnelle Einigung nicht abzeichnet: "Wir hoffen, dass wir nicht abermals 10 Jahre brauchen", so drückt es ein EU-Diplomat aus.
Modi gedenkt der Opfer von Brüssel
Der Besuch von Indiens Premier Narendra Modi in der europäischen Hauptstadt fällt genau in die Zeit, in der Brüssel die Opfer der Terror-Anschlägen von vergangener Woche betrauert:
"Wir sind selber unzählige Male Opfer terroristischer Gewalt geworden. Daher kann ich sagen: wir teilen Euren Schmerz!"
So der indische Premier, der einen Kranz an der Metro-Station Maalbeek niederlegte, wo sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte. Auch ein indischer Ingenieur war dabei ums Leben gekommen. Das Thema Terror-Bekämpfung hatten die EU und die Inder ohnehin besprechen wollen. Nun bekam es ganz besondere Bedeutung: zum Beispiel setzt der Westen stark auf Indien, was die Beruhigung der Krisen-Region Afghanistan-Pakistan angeht. Indien wiederum ist seit Jahrzehnten im Visier islamistischer Terroristen. Die EU will die Zusammenarbeit mit Neu Delhi auf diesem Gebiet nun ausbauen.
Er setze darauf, dass die Anti-Terror-Experten in Europa und Indien bald regelmäßiger miteinander telefonieren, erklärt ein EU-Offizieller.