Für Bundesinnenminister Seehofer war die Einigung vor gut zwei Wochen in Malta gefühlt ein Durchbruch:
"Nicht tausend Bedenken äußern, wie es gelegentlich in der Politik der Fall ist, sondern: anpacken, handeln. Das ist heute geschehen, ich bin nicht nur zufrieden, sondern auch glücklich."
Glücklich darüber, dass sich Deutschland, Frankreich, Italien und Malta auf einen freiwilligen Verteilmechanismus für Schiffbrüchige geeinigt haben, die im zentralen Mittelmeer von privaten Nichtregierungsorganisationen an Bord genommen wurden.
Keine Suche mehr nach aufnahmebereiten Staaten
Der Mechanismus soll die bisherige Praxis beenden. Also, dass tage- und wochenlang unklar ist, welche Häfen angesteuert werden und wer sich danach um die Menschen kümmert, während die EU-Kommission auf Bitte eines Mitgliedslandes nach aufnahmebereiten Staaten sucht.
Es soll also schneller und geordneter zugehen: Laut Plan werden die Migranten innerhalb von vier Wochen auf Sicherheitsbedenken hin geprüft, danach werden die Asylbewerber auf die mitmachenden Staaten verteilt. Erst dort soll dann festgestellt werden, ob die Migranten ein Recht auf Asyl haben. In Luxemburg soll sich heute herausstellen, welche weiteren Staaten mitmachen wollen.
"Ich habe eine ganze Reihe von Ländern im Blick, die mit Sicherheit mitmachen werden, das heißt: es wird eine vorzeigbare Zahl dabei sein."
Beratungen zum Malta-Papier, aber kein Beschluss
Von einem größeren Kreis teilnehmender Staaten ist allerdings schon seit Monaten zu hören - passiert ist seitdem wenig. Das Papier aus Malta soll auch gar nicht zur Abstimmung gestellt werden, wie ein Sprecher von Seehofer gestern verdeutlichte:
"Es wird Gegenstand des Mittagessen sein, wo die Pläne vorgestellt werden, aber es ist schon rein vom Verfahren so, dass wir dazu morgen keine Beschlüsse haben können, weil das Thema nicht formell auf der Tagesordnung steht."
Für den Verteilmechanismus hat sich Bundesinnenminister Seehofer Kritik aus den eigenen Reihen eingeholt. Der Tenor der Vorwürfe: Es würden Anreize gesetzt, sich auf die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer zu machen. Das würde das Geschäft von Schleppern erleichtern.
Kritik von den EU-Partnern
Kritik kam auch aus manchen anderen EU-Mitgliedsländern, die den Vorstoß offenbar für zu wenig eingeebnet halten in die gesamte EU-Migrationspolitik. Die Niederlande verweisen etwa auf die Aufnahme von Migranten insgesamt durch andere Länder. Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks belegen zum Beispiel, dass Staaten wie Deutschland, Frankreich und Schweden sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zur Bevölkerung mehr Migranten aufnehmen als Italien - dem Land, dem die Einigung besonders helfen soll.
Von Griechenland, Zypern und Bulgarien wird eine eigene Erklärung erwartet für mehr Hilfe entlang der östlichen Mittelmeerroute. Der Grünen-Europa-Abgeordnete Erik Marquardt plädierte auch im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Studio Brüssel, dass die Einigung erweitert werden sollte:
"Es ist natürlich gut, dass wir einen Schritt in die richtige Richtung gehen, aber es ist natürlich fraglich: Warum sind die Länder Spanien und Griechenland, die gerade die meisten Herausforderungen zu bewältigen haben, nicht Teil dieses Deals?"
Marquardt kritisierte auch die Anforderungen, die die EU-Innenminister in ihrem Papier aus Malta an private Seenotretter stellen würden - etwa dass diese nachweisen müssen, im Stande zu sein, Schiffbrüchige zu retten, sowie "dass man sie anders registrieren möchte - und ich frage mich warum muss die libysche Küstenwache nie etwas nachweisen."
Erhoffte Signalwirkung - auch an die Kommission
In Brüssel ist zu hören, dass sich eine Handvoll Länder bereit zeigen könnte, den Mechanismus anzuwenden. Das könnten etwa Irland, Litauen und Luxemburg sein. Das Großherzogtum sträubt sich allerdings gegen eine Debatte über feste Quoten oder einen festen Prozentsatz bei der Verteilung der Migranten. Auch müsse eine so wörtlich "signifikante" Zahl von Mitgliedsstaaten mitmachen, sagte eine Sprecherin der EU-Vertretung Luxemburgs der Nachrichtenagentur AFP.
Erwartet wird, dass das Treffen zumindest neuen Schwung reinbringt in die Debatte über die festgefahrenen EU-Asylreformen. Aus Luxemburg dürfte damit ein Signal an die künftige Kommissionspräsidentin von der Leyen ausgehen.