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EU-Investitionspaket
"Juncker macht die wundersame Geldvermehrung"

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wird heute im Europaparlament sein Investitionspaket in Höhe von 315 Milliarden Euro vorstellen. Für Juncker ist es eine Art Vorzeigeprojekt, an das sich große Erwartungen knüpfen. "Wenn man das Paket aufmacht, ist es eine große leere Box," sagte aber Markus Ferber (CSU) im DLF. Das Projekt bringe keinen Mehrwert, außer dass bürokratische Hürden abgebaut würden.

Markus Ferber im Gespräch mit Bettina Klein |
    Porträt von Markus Ferber
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. (picture-alliance/dpa/Daniel Karmann)
    Damit aus den 21 Milliarden, die die EU-Kommission einsetzen will, 315 Milliarden Euro private Investitionen würden, kämen ohnehin nur hochrentable Projekte infrage, die sich auch auf dem freien Markt finanzieren ließen. "Wenn sie solch einen Hebel ansetzen, dann geht das nur mit Projekten, die sowieso wirtschaftlich rentabel sind," erklärte der Europaparlamentarier.
    Ferber beklagte außerdem, dass Juncker dieses Projekt "ohne Not" vorgeschlagen habe. Anstatt langfristiges Wachstum zu generieren, gebe es jetzt nur ein Strohfeuer. Viel wichtiger wäre es gewesen, die Spielregeln und Randbedingungen so zu ändern, dass sich die nationalen Haushalte hätten sanieren können. Jetzt würden Schulden versteckt, indem man sie aus den nationalen Haushalten herausnehme.

    Das vollständige Interview:
    Bettina Klein: EU-Kommissionschef Juncker wird heute im Europaparlament sein Investitionspaket in Höhe von 315 Milliarden Euro vorstellen. Einige Details sind seit gestern Abend bereits bekannt und in krisengeplagten Ländern wie Frankreich oder Italien weckt dieses Paket hohe Erwartungen.
    Am Telefon ist Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter. Guten Morgen!
    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Herr Ferber, wir haben einige Stimmen von Politikern anderer Parteien gehört. Kurz gefragt an Sie: Werden Sie zustimmen, oder haben Sie erhebliche Zweifel noch?
    Ferber: Es sind ja zwei Problemfelder. Das Problemfeld eins: Wie kommt das Geld zusammen? Problemfeld zwei: Wofür wird es ausgegeben? Wir sind als Europaparlament beim Problemfeld eins mit dabei, die Mitgliedsstaaten beim Problemfeld zwei. Und wenn ich mir anschaue, nachdem wir ja gestern den Papst im Europaparlament hatten und Jesus ja mal die wunderbare Brotvermehrung gemacht hat, macht Herr Juncker jetzt die wunderbare Geldvermehrung, und ich habe da große Bedenken. Wenn dieses Modell von Herrn Juncker zur Finanzierung zum Tragen kommt, wird er nur Projekte finanzieren können, die auch auf dem freien Markt finanzierbar wären, und deswegen sehe ich keinen Mehrwert unterm Strich.
    Klein: Weshalb nicht?
    Ferber: Ja! Wenn Sie einen solchen Hebel von 15 anlegen - übrigens ein Hebel, den keine Bank in Europa mehr machen darf; das haben wir verboten, um die Risiken zu minimieren -, dann können Sie nur Projekte fördern, die hoch rentabel sind. Hoch rentable Projekte können aber aus dem Markt selber finanziert werden. Deswegen wird es am Ende um Projekte gehen, die sowieso gebaut worden wären. Das einzige, was ich als Mehrwert sehe, ist, dass man wirklich anfangen will, bürokratische Hürden abzubauen, Genehmigungsverfahren nicht abzuschaffen, sondern zu vereinfachen, Langfrist-Investitionen abzusichern durch entsprechende Spielregeln. Das halte ich für den einzig sinnvollen Ansatz in diesem Paket, weil das wird dazu beitragen, private Investitionen auszulösen.
    Klein: Wir halten noch mal fest: Aus den 21 Milliarden, die EU-Kommission und Europäische Investitionsbank bereitstellen, sollen am Ende 315 Milliarden an privaten Investitionen mobilisiert werden.
    Ferber: Genau.
    Klein: Weshalb sagen Sie nicht, man soll es doch durchaus mal versuchen, denn auch das, was Sie gerade geschildert haben, ist ja eine Hypothese, dass das genauso gut auch aus dem Markt kommen kann, die Finanzierung?
    Zu Weihnachten ein Paket mit wenig Substanz
    Ferber: Ja, aber zunächst einmal müssen wir feststellen: Die 21 Milliarden setzen sich zusammen, acht Milliarden aus dem EU-Haushalt über drei Jahre aus laufenden Programmen, das heißt, Gelder, die eigentlich schon verplant waren. Acht Milliarden sollen von der Wirtschaft schon kommen. Die sollen eingeworben werden und quasi über die Garantie des EU-Haushaltes abgesichert sein. Fünf Milliarden aus der Europäischen Investitionsbank und daraus wird noch mal mit dem Faktor 15 dann die 315 Milliarden gemacht. Wenn Sie solch einen Hebel ansetzen, ich sage es noch mal, dann müssen Sie Projekte auswählen, die sicher das aufgenommene Geld wieder zurückbezahlen können, und das sind dann Projekte, die sowieso wirtschaftlich rentabel sind. Ansonsten bauen Sie ja Risiken auf, die weder die EU, noch die Europäische Investitionsbank eingehen kann und für die am Ende die Mitgliedsstaaten geradestehen müssen, und von daher ist es zwar ein schönes Paket, das uns da kurz vor Weihnachten ins Fenster gestellt wird, aber wenn man das Paket aufmacht, ist es eine große leere Box, wo wenig an Substanz drin ist.
    Klein: Haben Sie denn auch Zweifel daran, dass diese privaten Investitionen überhaupt zustande kommen werden, denn auch das ist ja nicht sicher?
    Ferber: Die kommen eben nur zustande, wenn auch privates Kapital sich entsprechend rentiert, und dann beißt sich die Katze wieder in den eigenen Schwanz. Auch hier gilt: Privates Kapital werden Sie nur akquirieren können, wenn Sie zum einen Rahmenbedingungen anbieten, die eine Langfrist-Investition auch rechtfertigen, ökonomisch rechtfertigen. Diese Randbedingungen schaffen wir in Europa ja nicht über Nacht, sondern da müssen bestehende Gesetze geändert werden in einem Mitentscheidungsverfahren zwischen Rat und Parlament. Das geht nicht in vier Wochen. Und zum Zweiten bekommen Sie dieses Geld nur zur Verfügung gestellt, wenn die Projekte auch wieder hoch rentierlich sind. Auch da gilt: Privates Kapital wird ungern in Verlustprojekte gesteckt, und deswegen wird das zweite Problemfeld, die Auswahl der Projekte auch ganz spannend sein. Wenn da nur Dinge gemacht werden, die sowieso gemacht worden wären, weil sie die Wirtschaftlichkeitsprüfungen schon überstanden haben, haben wir keinen Mehrwert geschaffen, sondern nur eine andere Finanzierungsquelle, und das ist sowieso meine Sorge, dass eine Reihe von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, weil sie sich Dinge nicht mehr leisten können, die sie dringend machen müssten im Interesse der Menschen, auf diesen Investitionshaushalt abschieben werden, sodass kein Mehrwert dadurch entsteht, dass neue Projekte generiert werden.
    Klein: Herr Ferber, da ist noch viel Spekulation, viel Hypothese dabei. Das ist auch Ihr gutes Recht, das hier so darzulegen. Aber was wäre denn Ihre Alternative gewesen dazu?
    Ferber: Um es ganz deutlich zu sagen: Die 300 Milliarden Euro Investitionen sind ja nicht vom Europäischen Parlament, geschweige denn von mir vorgeschlagen worden; sie sind von Jean-Claude Juncker ohne Not vorgeschlagen worden. Meine Alternative wäre gewesen, die Spielregeln so anzupassen, dass privates Kapital automatisch in langfristige Investitionen fließen kann - ich sage ja: Das ist der Teil, den ich mit ganzer Kraft unterstützen werde -, und dass die nationalen Haushalte so saniert werden, dass sie auch ihre notwendigen Investitionen selber tätigen können. Das wäre eigentlich die Aufgabe der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass die Spielregeln funktionieren, dass die Randbedingungen stimmen, und nicht, dass man mit wunderbarer Geldvermehrung 300 Milliarden Euro versucht, in die Wirtschaft zu pumpen. Hier werden wir nach drei oder vier Jahren Bilanz ziehen und dann feststellen, dass nach meiner Prognose die Mittel nicht abgeflossen sind, weil es sich hinten und vorne nicht gerechnet hat.
    Klein: Herr Ferber, die Kritik von anderen Parteien kommt aus der ganz entgegengesetzten Richtung, von SPD und Grünen etwa. Denen geht das lange nicht weit genug. Ihr sozialdemokratischer Kollege Jo Leinen sagt etwa, die Summe von 300 Milliarden Euro, verteilt auf drei Jahre und 28 Länder, die wird versickern. Die Wiederbelebung der Konjunktur in der Europäischen Union bis 2020 hätte eigentlich eine Summe von 1,5 bis zwei Billionen Euro notwendig gemacht. Was sagen Sie dazu?
    Mehr Gefahr als Nutzen für Europa
    Ferber: Ja gut, aber das ist der alte Streit: Brauchen wir eine angebotsorientierte oder eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, um Wirtschaft zu stimulieren. Ich bin da nicht der Anhänger der Meinung, dass man nur mit mehr öffentlichem Geld Wirtschaft stimulieren kann, sondern nur, indem man die Wirtschaft aktiviert zu investieren, und diesen Grundstreit, den werden wir immer haben zwischen rechts und links. Nur das, was wir heute da an Geldern zur Verfügung stellen, sind die Schulden von morgen, nur in einem anderen Haushalt versteckt, und ob man damit wirklich die europäische Wirtschaft voranbringt, indem man nur Schulden versteckt und aus den nationalen Haushalten rausnimmt, halte ich nicht für die dauerhaft gute Lösung. Damit gefährden wir mehr in Europa, als dass wir nutzen.
    Klein: Und Herr Juncker ist ein linker Politiker in Ihren Augen?
    Ferber: Herr Juncker hat, um die Linken zur Zustimmung zu seiner Mannschaft zu bringen, dieses Programm vorgeschlagen, und deswegen muss er es auch rechtfertigen. Ich bin nicht Mitglied der Kommission von Herrn Juncker.
    Klein: Aber die Frage ist ja auch, ob es möglicherweise auch ein Vorbild für Deutschland ist, mehr zu investieren. Die OECD hat gerade die Bundesregierung dazu aufgefordert, die nicht befürwortet, mehr Geld auszugeben. Aber es gibt ja auch genügend Argumente, die genau in die gleiche Richtung gehen, wie Herr Juncker jetzt argumentiert.
    Ferber: Ja gut! Aber wir haben ja in Deutschland mit dem zehn Milliarden Investitionspaket auch einen Beitrag dazu geleistet, mehr zu investieren, und natürlich müssen wir auch wieder mal zu den 20 Prozent Investitionsanteil im öffentlichen Haushalt kommen. Da sind wir in Deutschland mit sieben Prozent deutlich entfernt. Das ist sicherlich eine Aufgabe. Aber es kann nicht einfach nur heißen, neue Schulden aufnehmen, sich damit wieder in die Hände der Finanzmärkte zu begeben, um Strohfeuer zu entfachen, sondern es geht darum, langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu generieren, und das schaffen Sie nicht, wenn Sie überschuldete Staatshaushalte haben. Ich halte es für richtig, dass wir in Deutschland jetzt zum ersten Mal im nächsten Jahr den ausgeglichenen Haushalt haben, trotzdem investieren, und dass wir damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlands schaffen, die notwendig ist, dass auch nächste Generationen noch investieren können.
    Klein: Sie haben gerade angedeutet, abschließend, Herr Ferber, dass das eine Art taktisches Manöver gewesen sei von Jean-Claude Juncker, um die Zustimmung zu seiner Wahl als Kommissionspräsident zu erhalten. Gehen Sie davon aus, dass dieses Paket eine Mehrheit im Europaparlament bekommen wird?
    Ferber: Das Paket ist ja sehr kompliziert. Darum wird es in den vielen Fachausschüssen, wo es jetzt zu beraten ist, sehr spannende Diskussionen geben. Was am Ende rauskommt, da wage ich keine Prognose. Wir hatten gestern Abend in Anwesenheit von Jean-Claude Juncker eine erste Diskussion in der Fraktion. Da gab es von Euphorie bis Totalkritik alle Stimmen. Da ist insgesamt noch sehr viel Arbeit notwendig von Herrn Juncker, wenn er wirklich die Zustimmung des Parlaments will.
    Klein: Und der EU-Kommissionspräsident wird sein Paket heute offiziell vorstellen - das war eine erste Einschätzung dazu vom CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Ferber.
    Ferber: Gerne, Frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.