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EU-Klimakommissarin: Jetzt muss Obama mehr Klimaschutz wagen

Die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard erwartet von US-Präsident Barack Obama, dass er in seiner zweiten Amtszeit " mehr politisches Kapital in das Thema Klimawandel" einbringt. Zugleich warnt Europas oberste Klimaschützerin: In ihrer nationalen Energiepolitik dürften die USA nicht allein auf Schiefergas setzen.

Connie Hedegaard im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Barack Obama in seiner Dankesrede nach der Wahl: "Wir wollen ein Land, in dem Kinder Zugang zu den besten Schulen haben, das nicht von der zerstörerischen Kraft eines sich aufheizenden Planeten bedroht ist." – Während des Wahlkampfs kam das Wort "Klimawandel" so gut wie nicht vor. Energieautarkie war umso wichtiger. Obamas umfassendes Klimagesetz scheiterte 2010 an fehlenden Mehrheiten und dem Widerstand der Republikaner. Bei den Weltklimakonferenzen gehörte die US-Regierung auch unter Obama notorisch zu den Bremsern. Ende November beginnt in Doha die nächste internationale Verhandlungsrunde zum Klimaschutz. Vor dieser Sendung fragte ich EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard, was sie jetzt erwartet, ob sie jetzt erwartet, dass die US-Regierung endlich ihre Bremserrolle auf den Weltklimagipfeln aufgibt.

    Connie Hedegaard: Ich hoffe wirklich, dass Präsident Obama in seiner zweiten Amtszeit das Wagnis eingeht, mehr politisches Kapital in das Thema Klimawandel einzubringen. Es ist sehr wichtig, was innenpolitisch in den USA geschieht, und ich hoffe, dass aufgrund dieser Bewegungen dann die amerikanische Stimme deutlicher zu vernehmen ist in den Verhandlungen, die die Staaten zum Klimawandel vornehmen. Ich glaube und hoffe, dass in den nächsten vier Jahren sich einiges bewegen wird, wir brauchen das wirklich.

    Reimer: Die USA haben auch ohne sichtbare proaktive Klimapolitik ihre Emissionen erheblich gesenkt. Könnte Europa von der US-Regierung etwas lernen?

    Hedegaard: Ich glaube, es ist wirklich gut, dass in den allerletzten Jahren tatsächlich eine Minderung der Emissionen in den USA eingetreten ist. Das ist wirklich gut. Jedoch sind die Amerikaner sehr weit von dem entfernt, was wir in Europa bewirkt haben. Seit 1990 haben wir in Europa unsere Emissionen um 18 Prozent gesenkt, während sie in den USA gestiegen sind. Ich glaube, es ist zu hoffen, dass mehr getan wird, und nicht nur durch das Augenmerk auf Ölschiefergas, dass man auch mehr in erneuerbare Energien, in Energieeffizienz steckt, statt die ganze Hoffnung auf Schiefer zu legen. Es wäre natürlich schön, wenn man sagen könnte, die USA lägen vor uns, aber das ist leider nicht der Fall.

    Reimer: Wäre denn Schiefergas eine Option für die Europäer? Es gibt ja mehrere Länder in Europa, die durchaus darüber nachdenken.

    Hedegaard: Nun, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihren Energiemix gestalten, bleibt vollständig ihnen überlassen. Die Kommission wird sich hier nicht einmischen. Wenn es um die Ausbeutung von Schiefergas geht, dann werden wir allenfalls schauen, ob die Rahmengesetzgebung da ist, um etwa das Thema Wasserverschmutzung, Chemikalienbelastung und Belastung durch Fracking zu beherrschen. Das ist sicherlich nicht ganz unproblematisch. Wir meinen, dass dieses Schiefergas durchaus als Brückentechnik eine gewisse Rolle spielen kann. Es ist aber sehr wichtig, dass wir uns besonders um die erneuerbaren Energien kümmern, dass wir Energieeffizienz und auch Energieeinsparung vorantreiben, denn wir müssen bedenken: Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssen wir unsere Emissionen um 80 bis 95 Prozent gemindert haben, und das wird nur möglich sein, wenn wir arbeiten am Thema Energieeffizienz, Energie einsparen und vor allem stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien.

    Reimer: Auf dem europäischen Emissionshandelsmarkt sind die Preise für eine Tonne CO2-Verschmutzungsrechte auf unter zehn Euro gefallen. Damit kann man auch Strom in Kohlekraftwerken erzeugen, der eben nicht besonders klimafreundlich ist, und teuere Investitionen in die klimafreundlicheren Gaskraftwerke lohnen sich nicht mehr. Aber genau die braucht Deutschland, um das große, aber auch schwankende Angebot von Sonnen- und Windstrom abzusichern. Der Preissturz liegt daran, dass die EU, die EU-Kommission, die Emissionsrechte Anfangs viel zu großzügig ausgeteilt hat. Jetzt heißt es, die Kommission wolle kurzfristig eineinhalb bis zwei Milliarden Zertifikate dauerhaft vom Markt nehmen. In den letzten Wochen haben Sie bereits die Ziele für den Einsatz von Biosprit abgesenkt. Können Sie sich, Frau Hedegaard, vorstellen, dass die deutsche Industrie mittlerweile ziemlich nervös ist und mehr Berechenbarkeit von Brüssel einfordert?

    Hedegaard: Aber nein! Es war doch immer eine bekannte Tatsache, all die Jahre hinweg, seitdem wir die Verordnungen über die Biokraftstoffe in Kraft gesetzt haben und die Nachhaltigkeitskriterien festgelegt hatten, dass sich das ändern würde, sobald wir mehr Erkenntnisse über diese lebensmittelgestützte Energieerzeugung haben würden. Die Kommission ist sogar gebeten worden durch die Mitgliedsstaaten, hier nachzusteuern, so dass es also keinerlei Überraschung ist, wenn sich hier einiges bewegt hat. Wir wussten doch, in dem Bereich Klimawandel kann es gar nicht so sein, dass alles unverändert bleibt, was die Verordnungslage angeht. In keinem einzigen Politikbereich hat man dieselben Regelungen über 20 oder 30 Jahre im 21. Jahrhundert. Es war immer klar, dass es in den Preisen für die Emissionszertifikate Änderungen geben würde, und das kann natürlich auch zu einer gewissen Nervosität bei den Unternehmen führen, die im produzierenden Gewerbe sind – all jene, die auf Erdöl oder auf sonstigem Rohmaterial oder auf sonstigen Verarbeitungsstoffen beruhen. Sie wissen doch, dass es hier bestimmte Schwankungen geben kann. Es ist normal, dass Preise sich ändern. Wir werden in der europäischen Kommission in der nächsten Woche vorstellig werden mit unseren Vorschlägen und ich muss Ihnen widersprechen in Ihren Zahlen, die wir so nicht anerkennen können. Wir werden nur das System der Versteigerung nachsteuern. Wir werden kein einziges Emissionszertifikat vom Markt nehmen. Was wir aber nicht weiterführen werden ist, den Markt zu überschwämmen mit Zertifikaten. Das wäre nicht zielführend. Es würde zu einem weiteren Preisverfall führen. All jene Unternehmen, die Energieeinsparmaßnahmen ergreifen, würden nicht belohnt werden, und so würde man auf keinen Fall irgendetwas im Sinne der Nachhaltigkeit bewirken.

    Reimer: Die deutschen Haushalte stöhnen unter steigenden Strompreisen, denn die Kosten der Energiewende werden in vielen Sonderposten auf die Verbraucher und auf kleinere Unternehmen umgelegt. Ist das der Preis für mehr Klimaschutz?

    Hedegaard: Ich sehe natürlich die Probleme, die mit dem Preisanstieg bei der Energie, der so steil ist, verknüpft sind. Aber es ist äußerst wichtig, dass wir alle unsere Entscheidungen, die wir in diesem Bereich treffen, auf die kostengünstigste Art treffen. Jedoch gilt: Wenn wir nur einen einzigen Parameter anerkennen, nämlich wie bekommen wir die billigste Energie, dass wir dann letztlich mit sehr viel mehr Kohleverfeuerung dastehen würden. Das könnte zunächst mal sehr billig ausschauen, wäre auch billig. Aber fragen wir, wie es dann in zehn Jahren, oder in der nächsten Generation aussieht, dann würde sich herausstellen, dass das, was heute sehr billig aussieht, morgen sehr teuer ist.

    Reimer: "Jetzt muss Obama national und international den Klimaschutz vorantreiben", fordert EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Das Gespräch haben wir aufgezeichnet.


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