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EU-Kommission
"Juncker ist der richtige Mann"

Für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten werde sich Jean-Claude Juncker als geeignet erweisen, sagte der CDU-Europapolitiker Karl Lamers im DLF. Juncker werde "zweifelsfrei vor großen Herausforderungen" stehen, wie die Frage um die Position Großbritanniens in Europa und die anstehende institutionelle Reform.

Karl Lamers im Gespräch mit Christine Heuer |
    Flaggen der Europäischen Union vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel, Belgien (14.5.2012)
    Personalwechsel in Brüssel und die Herausforderungen Europas. (picture alliance / dpa / CTK Photo / Vit Simanek)
    Der neu zubesetzende Posten der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sei wichtig und die Herausforderungen in Bezug auf das Verhältnis zu der übrigen Welt würden wachsen. Das sei genauso wichtig wie die Lösung der inneren Probleme, so der CDU-Politiker. "Ich hoffe wirklich, dass die Staats- und Regierungschefs so klug sind einzusehen, dass gerade bei diesem Posten es nicht nach irgendwelchen Proporzgesichtspunkten gehen kann, und dass sie auch nicht jemanden auswählen, von dem sie von vornherein wissen, dass er schwach ist und deswegen ihre Kreise nicht stört."

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Jean-Claude Juncker hat es geschafft. Seit gestern ist er Präsident der Europäischen Kommission. Jetzt sind andere dran. Beim EU-Gipfel heute Abend in Brüssel wird über die künftigen Kommissare verhandelt, und weil dabei die Kompetenz der Kandidaten keineswegs das einzige, wahrscheinlich nicht einmal das am Ende entscheidende Kriterium ist, gibt es im Vorfeld schon ziemlich viel Kritik.
    Am Telefon ist Karl Lamers, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, ein überaus erfahrener und überzeugter Europäer. Herr Lamers, ich grüße Sie.
    Karl Lamers: Frau Heuer, guten Tag.
    Heuer: Fangen wir mit dem wichtigsten Mann an: Ist Juncker der beste Mann für den Posten als Chef der EU-Kommission?
    Lamers: Das wird sich erweisen. Ich glaube, dass er der richtige Mann ist, aber er steht zweifelsfrei vor großen Herausforderungen.
    "Das Europäische Parlament hat in den vergangenen Jahren schon sehr gut gearbeitet"
    Heuer: Das Europäische Parlament hat in der Causa Juncker ja den Europäischen Rat geschlagen. Es gab einen Machtkampf. Freuen Sie sich darüber? Ist das gut so?
    Lamers: Ja, das ist jedenfalls normal, und ich freue mich, dass das Europäische Parlament diesen Kampf für sich entschieden hat. Das nötigt Respekt ab. Das EP hat in den vergangenen Jahren schon sehr gut gearbeitet, weitgehend unbeobachtet, unbeachtet auch von den Medien. Ich nehme den Deutschlandfunk wirklich ausdrücklich aus.
    Heuer: Gut so!
    Lamers: Aber jetzt hat es sich durchgesetzt und damit ist eine europäische Institution stärker geworden. Natürlich sind auch die Räte und ist der Rat auch eine europäische Institution, aber in diesen sind ja nun die Einzelinteressen der Mitgliedsländer sehr dominierend.
    "Frage der britischen Position in Europa"
    Heuer: Und die wollen nun ihre Kommissare setzen. Auch da hat das Europäische Parlament ja ein entscheidendes Wort mitzureden. Wenn die Briten, machen wir dieses Beispiel auf, jetzt einen EU-Kritiker als Kommissar nach Brüssel schicken, sollte das Europäische Parlament dann als letzte Instanz diesen Mann verhindern?
    Lamers: Es kommt darauf an. Vielleicht machen sie einen guten Vorschlag: Jemand, dessen Kompetenz nicht zu bestreiten ist und der seinen Job auch nicht darin sieht, Europa zu verhindern. Das wird man abwarten müssen. Wenn sie provokativ jemanden benennen, der ein Feind Europas ist - leider gibt es ja solche ...
    Heuer: Und so sieht es ja im Moment aus, das deutet sich ja schon an.
    Lamers: Ja, dann wird es einen neuen Machtkampf geben, und das leitet über zu der Frage, wie soll überhaupt die Stellung Großbritanniens in der Zukunft sein. Das wird eine der großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der institutionellen Reform sein, die ja auch ansteht, die nicht über Nacht gelöst werden kann, aber die in jedem Falle ansteht. Denn denken Sie daran: Wir haben jetzt ein merkwürdiges unsauberes System mit völkerrechtlichen Verträgen und nicht europarechtlichen Regelungen. Das ist nicht gut. Wir müssen darüber hinaus natürlich die Wirtschafts- und Währungsunion ausbauen zu einer umfassenden politischen Union, als die sie ja auch angelegt ist, in der nicht nur die Ausgabenseite, sondern auch die Einnahmenseite und damit die Wirtschaftspolitik einschließlich Steuerpolitik eine Rolle spielen werden - Stichwort Wirtschaftsregierung. Das alles wird ja die Herausforderung in der kommenden Periode des Parlaments und der Kommission sein, und in diesem Zusammenhang, glaube ich, muss dann auch die Frage der britischen Position in Europa geklärt werden.
    Lamers: Es können sich nicht alle anderen nach britischen Vorstellungen richten
    Heuer: Ich spitze das mal zu, Herr Lamers. Sollen die Europäer die Briten ziehen lassen?
    Lamers: Wenn sie nichts anderes wollen, dann müssen wir sie ziehen lassen. Ich würde das natürlich bedauern. Wer bedauerte das nicht? Aber so kann es ja nicht bleiben und es kann auch nicht so sein, dass alle anderen sich nach den britischen Vorstellungen richten, und es kann nicht sein, dass man eine Lösung findet, in der Großbritannien alle Vorteile der Europäischen Union mit genießt und wie alle anderen aber die Lasten nicht mitzutragen bereit ist. Deswegen glaube ich unverändert, dass so etwas wie das, was Wolfgang Schäuble und ich 1994 vorgeschlagen haben, eine Kerngruppe, dass das eine richtige Lösung wäre. Ich bin tief davon überzeugt, ...
    "Eines Tages wird Großbritannien wieder voll dazugehören"
    Heuer: Das Europa der zwei Geschwindigkeiten, daran müssen wir dann erinnern.
    Lamers: Ja, Kerneuropa, wie man immer das will. Eines Tages wird Großbritannien wieder voll dazugehören, Frau Heuer, so wahr wie wir heute am 16. Juli miteinander sprechen. Es wird einsehen, dass wir alle nur entweder eine gemeinsame Zukunft haben, oder gemeinsam keine Zukunft haben. Ich kann das alles psychologisch sehr gut verstehen, die Schwierigkeiten auch etwa in Frankreich, die sind anderer Natur, aber der europäische Einigungsprozess ist nicht etwas, was man tun oder auch lassen kann, sondern ist eine Notwendigkeit im strengen Sinne des Wortes. Es gilt mal ausnahmsweise das Diktum Hegels: "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit."
    Nachfolge für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton
    Heuer: Herr Lamers, lassen Sie uns bitte kurz noch über ein paar Personalentscheidungen sprechen, die heute anstehen. Die wichtigste ist die Nachfolge für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Auch da geht es ja mehr um Regionalpartei- und Geschlechterproporz als um Kompetenz. Fällt Ihnen eine kompetente sozialdemokratische Frau für das Amt der EU-Außenbeauftragten ein?
    Lamers: Nein, leider nicht. Und so wichtig, bitte glauben Sie mir, das ist meine ehrliche Meinung, es ist, dass wir natürlich Frauen stärker berücksichtigen, das darf bei diesem Posten noch weniger als bei anderen das Ausschlaggebende sein. Wissen Sie, unser Verhältnis zu der übrigen Welt, das ist genauso wichtig wie die Lösung unserer inneren Probleme, und da haben wir in den vergangenen Jahren nur allzu oft versagt, und diese Herausforderung wird wachsen. Das ist doch ganz offenkundig, dass sie wächst.
    "Bei diesem Posten kann es nicht nach irgendwelchen Proporzgesichtspunkten gehen"
    Heuer: Herr Lamers, wer wäre denn ein guter Kandidat? Karel de Gucht hat sich offenbar ins Gespräch gebracht. Wäre das jemand nach Ihrem Geschmack?
    Lamers: Soweit ich ihn beurteilen kann, das muss ich einschränkend sagen, soweit ich das kann, ja. Oder ein guter Kandidat wäre nach meiner Überzeugung der polnische Außenminister. Er hätte den Vorteil, dass er aus einem neuen Mitgliedsland kommt. Ich glaube, dass er klug genug wäre, die Außenpolitik der EU nicht nur nach Richtung Osten, Stichwort Ukraine/Russland auszurichten, sondern dass er weiß, dass wir vor gewaltigen Herausforderungen im gesamten Mittelmeerraum stehen, die a la longue noch wichtiger sind, dass Schwarzafrika für uns eine Herausforderung ist, auch unser Verhältnis zu den USA. Ich hoffe wirklich, dass die Staats- und Regierungschefs so klug sind einzusehen, dass gerade bei diesem Posten es nicht nach irgendwelchen Proporzgesichtspunkten gehen kann, und dass sie auch nicht jemanden auswählen, von dem sie von vornherein wissen, dass er schwach ist und deswegen ihre Kreise nicht stört. Das ist kleinkariert!
    Heuer: Karl Lamers, Europapolitiker, Außenpolitiker der CDU. Herr Lamers, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
    Lamers: Ich danke. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.