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EU-Kommission
Kritik am deutschen Meisterbrief

Berufe mit Zugangsbeschränkungen, die also zum Beispiel einen Meistertitel voraussetzen, müssen bis heute an die EU gemeldet werden. Brüssel will prüfen, ob solche Reglementierungen notwendig und mit dem europäischen Binnenmarkt vereinbar sind.

Von Andrea Lueg |
    "Ich hab den Maler- und Lackierermeister gemacht in Teilzeit, gedauert hat der nicht ganz drei Jahre."
    Seit November hat Dirk Reifschneider den Meister in der Tasche und arbeitet im Betrieb seines Bruders. Mit der Zusatzqualifikation verdient er mehr und hat auch die Möglichkeit, sich später mal selbstständig zu machen. Dafür hat sich die Mühe, jeden Abend und am Wochenende zu lernen und insgesamt 17.000 Euro zu investieren gelohnt, sagt der junge Handwerker.
    "Erst mal öffnet es einem natürlich mehr Türen, beruflich und es bringt einen auch persönlich weiter, langfristig gesehen macht es schon Sinn."
    41 Berufe gibt es im deutschen Handwerk, die einen Meistertitel vorschreiben, wenn man sich selbstständig machen und auch ausbilden will. Für die EU ist das möglicherweise eine Einschränkung der Mobilität von Fachkräften. Um die auf dem europäischen Binnenmarkt zu garantieren, will sie daher möglichst alle Hemmnisse abbauen. So soll Fachkräftemangel gelindert, die Wirtschaft belebt und der Verbraucher mit niedrigen Preisen erfreut werden. Denn ohne Titel und mit niedrigerer Qualifikation ist ein Handwerker schließlich auch für weniger Geld zu haben. Für Holger Schwannecke zum Zentralverband des Deutschen Handwerks eine Argumentation, die auf dem Kopf steht.
    "Unser Credo ist klar: Gerade wenn man, wie die Kommission, daran interessiert ist, die Mobilität in Europa zu stärken, dann wird man das mit Erfolg nur tun können, wenn man mehr für Qualifikation tut und nicht weniger."
    Schließlich, so die Vertreter des Handwerks, werde allenthalben in Europa gerade das deutsche Ausbildungsmodell importiert und nicht ohne Grund sei die Jugendarbeitslosigkeit und die allgemeine Arbeitslosigkeit hierzulande vergleichsweise niedrig.
    Zahl der Meisterprüfungen dramatisch gesunken
    Vor einigen Jahren, im Rahmen der Hartz-Reformen, wurde der Meisterzwang in Deutschland bereits für 53 Handwerke abgeschafft. Fliesenleger zum Beispiel müssen keinen Meister mehr vorweisen, um einen Betrieb zu gründen. Mit dramatischen Folgen, meint zumindest Holger Schwannecke.
    "Was uns so große Sorge macht ist, dass Ausbildung nicht mehr stattfindet. Die Zahl der Meisterprüfungen ist dramatisch runter gegangen. Warum? Weil man das Signal gesetzt hat, das bildungspolitische Signal, das Ausbildung und Qualifizierung nicht mehr so wichtig ist."
    EU gefährdet deutsches Erfolgsmodell
    Das Institut für Mittelstand und Handwerk an der Uni Göttingen kam in einer Studie zu dem Ergebnis, das von den Betrieben, die ohne Meister gegründet wurden, nur noch drei Prozent ausbilden gegenüber 20 Prozent, als der Titel noch verlangt wurde. Die EU gefährde mit ihren Plänen das deutsche Erfolgsmodell in der Ausbildung lautet dementsprechend die Kritik.
    "Brüssel kuckt dann doch eher auf Zertifizierungsinstrumente, kuckt auf Normungsargumente, das ist ein anderer Ansatz, als wir ihn haben. Ich denke unser Ansatz ist der weitaus bessere, weil er es schafft, ganz nah an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zu qualifizieren, ganz praxisgerecht, das bekommen sie mit keiner Normung hin, das bekommen Sie auch mit keiner Zertifizierung hin."
    "Wir wissen, wie gut dass das deutsche System ist", heißt es dagegen aus der EU-Kommission, die duale Ausbildung werde keineswegs infrage gestellt. Die Zugangsbeschränkungen für die Berufe sollten lediglich überprüft werden.
    "Die Kommission sagt, das sei ein ergebnisoffener Prozess. Ich hab da meine großen Zweifel, denn seit Jahren schon schreibt die Kommission ja der deutschen Bundesregierung ins Stammbuch, sie müsse in Deutschland mehr für Wettbewerbsfähigkeit tun und das bedeute, heranzugehen an diese Berufe, die Qualifikationen erfordern, also da ist es mit Ergebnisoffenheit aus meiner Sicht nicht weit her."
    Bundesregierung möchte Meisterbrief erhalten
    Die Bundesregierung steht in der Sache hinter dem Handwerk. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, der Meisterbrief solle durch Maßnahmen des europäischen Binnenmarktes nicht beeinträchtigt werden und erhalten bleiben. Das wünscht sich auch Dirk Reifschneider - sonst sind die Mühen der Meisterprüfung umsonst gewesen. "Ich hoffe auch, das sich das auch gelohnt hat, nicht dass er dann in ein paar Jahren abgeschafft wird und in zehn Jahren weiß keiner mehr, was der Meister eigentlich ist."