In Dänemark wird trotzdem davon gesprochen, dass die Ministerpräsidentin das Land verlässt – denn als die wird Vestager unter der Hand gern angesehen.
Geschickt hat die 46-jährige Finanzexpertin ihre sozialliberale Partei in die Regierung geführt. Als Zünglein an der Waage ist die sogenannte "radikale Linke" – die eher in die Mitte anzusiedeln ist – seit 2011 in einer Koalition mit den Sozialdemokraten. Vestager hat dafür gesorgt, dass die Sozialliberalen aus der Bedeutungslosigkeit an die Macht kommen und 2011 ein traumhaftes Wahlergebnis eingefahren.
Dabei hat sie sich nicht nur Freunde gemacht. Sie polarisiert, wird von den einen als clever, detailversessen und taff beschrieben. Vestager sei gut darin, schwierige Probleme anzupacken. Die anderen lehnen sie ab, weil sie akademisch, kalt und dickköpfig sei. Worin sich die Kommentatoren in Dänemark einig sind: Vestager ist extrem effektiv darin, Macht an sich zu binden.
Politisch liegt ihr Fokus auf der Wirtschaft. Auch deshalb ernannte sie Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt 2011 zur Wirtschafts- und Innenministerin und damit auch zu ihrer inoffiziellen Stellvertreterin. Beim Treffen der EU-Finanzminister 2012 konnte sich Vestager in der Rolle der Gastgeberin einen Namen machen:
"Immerhin geht es hier um Vorschriften für 8.300 Banken in Europa. Unsere Diskussion war letztlich sehr konstruktiv. Wir sind sehr sehr dicht dran, nach dem 15. Mai die Verhandlungen in dieser Sache mit dem europäischen Parlament zu beginnen."
Ihre Posten als Parteivorsitzende der Sozialliberalen und Ministerin hat Vestager bereits abgeben und sich auf ihren europäischen Job eingestellt. Die Aufgabe eines Kommissars sei es nicht, dänische Interessen, sondern ein gemeinsames Europa zu fördern, sagte sie gestern der dänischen Tageszeitung "Berlingske Tidende".
Stimmt das EU-Parlament dem Kabinett des zukünftigen Kommissionspräsidenten Juncker zu, wird Margrethe Vestager ab erstem November das Amt der EU-Wettbewerbskommissarin bekleiden. Damit übernimmt Vestager eines der wichtigsten Ressorts der Kommission. In Zukunft wird sie für die Kontrolle von Unternehmensfusionen und Subventionen zuständig sein.
Die EU-Wettbewerbshüter haben in der Vergangenheit gegen zahlreiche Unternehmen Strafen in Millionenhöhe verhängt, zum Beispiel gegen Microsoft, Intel, Thyssen-Krupp oder Siemens. Aktuell befindet sich Google wegen Wettbewerbsverletzungen mit der Kommission im Streit.