Britta Fecke: Die meisten Verbraucher in Deutschland lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Genmanipulierte Zutaten müssen auf dem Etikett von Lebensmitteln oder auf der Speisekarte ausgewiesen sein. Für die Lebensmittel gilt sogar EU-weit die Null-Toleranz-Regelung. Doch diese Regelung will die EU-Kommission nun aufweichen und so einen geringen Prozentsatz an Verunreinigungen zulassen. – Ich bin jetzt verbunden mit Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin beim BUND. Frau Moldenhauer, lassen Sie uns doch erst mal den Status quo beschreiben. Wie sind bisher die Kennzeichnungsregeln für Lebensmittel in Deutschland?
Heike Moldenhauer: Die Kennzeichnungsregeln für Lebensmittel gelten EU-weit und wir haben eine Kennzeichnungslücke bei tierischen Produkten. Das heißt, dass nur der Landwirt weiß, dass er gentechnisch veränderte Futtermittel an seine Tiere verfüttert. Aber wenn der Verbraucher Milch, Fleisch und Eier kauft, dann steht dort nicht mehr drauf, dass diese Tiere gentechnisch ernährt worden sind. Es gibt aber Gott sei Dank ...
Fecke: Das heißt – Entschuldigung, wenn ich unterbreche -, über die Hintertür, über den Futtertrog ist sozusagen eine Verunreinigung noch möglich bei tierischen Produkten?
Moldenhauer: Ganz genau. Das ist bei dem Futtertrog möglich. Aber wir haben in Deutschland eine sehr gute Regelung, nämlich die Möglichkeit, tierische Produkte ohne Gentechnik zu kennzeichnen, und das heißt, dass damit dann Hersteller klar machen können, dass keine Gentechnik im Futtertrog war, und die Milchwirtschaft greift immer mehr auf Ohne-Gentechnik-Produkte zurück.
Fecke: Nun will die EU-Kommission diese Null-Toleranz bei Lebensmitteln aufheben und eine gewisse Verunreinigung zulassen. Das heißt, dass nun Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzensorten in unserem Essen sein können, Spuren von Pflanzen, die in der EU noch nicht einmal auf ihre Unbedenklichkeit geprüft wurden. Stimmt das?
Moldenhauer: Ja, das stimmt. Das ist etwas, was der EU-Verbraucherschutzkommissar Dalli bestrebt. Er möchte gerne, dass ein Grenzwert von 0,1 Prozent für in der EU nicht zugelassene Genkonstrukte gilt und dass Verbraucher dann überhaupt nicht darüber informiert werden, dass diese Genkonstrukte sich bei ihm im Essen befinden, und wir sehen das mit großer Sorge, weil es bedeutet, dass überhaupt gar keine Sicherheitsbewertung gemacht worden ist in der EU, sondern nur in einem Drittstaat, wo die Regeln ganz und gar nicht zureichend sind, dann eine Zulassung vorliegt.
Fecke: Nun hat Frau Aigner ja als Bundesverbraucherschutzministerin von Deutschland ein gewisses Gewicht. Wie schätzen Sie das ein, wie wird sie sich in Brüssel verhalten können?
Moldenhauer: Natürlich kann Frau Aigner diesen Vorschlag der EU-Kommission zurückweisen und hat sich auch jetzt positioniert. Zu unserer großen Freude hat sie gesagt, sie will sich dafür einsetzen, dass die Null-Toleranz bei Lebensmitteln nicht gekippt wird, und ich hoffe sehr, dass sie ihre Kollegen aus den Mitgliedsstaaten dafür gewinnen kann, dass die Mitgliedsstaaten den Vorschlag der EU-Kommission zurückweisen.
Fecke: Diese Aufweichung der Null-Toleranz-Grenze, was heißt das genau für den Verbraucher in Deutschland, wenn es so weit käme?
Moldenhauer: Das hieße vor allen Dingen dann bei den Pflanzen, die gentechnisch verändert sind, bei Soja, bei Mais und bei Raps, dass in allen möglichen Lebensmitteln Spuren von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen drin sein können, und zwar ohne Kennzeichnung. Das heißt, dass der Verbraucher das überhaupt nicht erkennen kann, ob ihm dann Gentechnik ins Essen untergejubelt wird oder nicht. Und es wäre dann vorbei mit Transparenz, der Verbraucher wüsste es nicht ohne Kennzeichnung, und es wäre auch vorbei mit der Wahlfreiheit, weil Wahlfreiheit ja immer bedeutet, dass man sich ganz bewusst gegen Gentechnik im Essen entscheiden kann.
Fecke: Nun gab es ja eigentlich relativ klare Regelungen, wenn wir uns an das Honig- oder das Broccoli-Urteil erinnern. Wie kommt es jetzt zu dieser Aufweichung oder zu dem Versuch der Aufweichung?
Moldenhauer: Dieser Versuch der Aufweichung läuft schon seit Jahren. Es fing an mit Futtermitteln, da haben wir seit letztem Jahr eine Aufweichung, dass bei Futtermitteln eine Verunreinigung von 0,1 Prozent nicht zugelassener, gentechnisch veränderter Organismen geduldet wird. Jetzt soll es weitergehen mit Lebensmitteln und wie wir hören soll dann am Ende auch noch die Null-Toleranz bei Saatgut gekippt werden. Also es ist wirklich eine Salamitaktik seitens der EU-Kommission, die im Dienste der großen Gentechnik-Konzerne wie Monsanto und BASF, die nicht garantieren können, dass ihre Gentechnik-Konstrukte nicht im Essen sind, versucht, den Verbrauchern Gentechnik ins Essen zu mogeln.
Fecke: Dieser Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen, allen voran den Pflanzensorten, was bedeutet das eigentlich für die Umwelt?
Moldenhauer: Es bedeutet vor allen Dingen immer mehr Regenwälder, die für vor allen Dingen gentechnisch verändertes Soja gerodet werden, es verschwinden immer mehr Wälder für gentechnisch veränderte Pflanzen, und es bedeutet vor allen Dingen einen massiven Gifteinsatz, weil ja so gut wie alle gentechnisch veränderten Pflanzen so manipuliert sind, dass sie massiv Spritzmittel vertragen können und dann alle Pflanzen auf dem Acker sterben, nur die gentechnisch veränderte Pflanze nicht. Und diese Spritzmittel lagern sich natürlich als Pestizidrückstände dann auch in den Lebensmitteln an. Das heißt, es wird nicht nur die Umwelt dann massiv geschädigt, sondern auch der Verbraucher hat dann durch gentechnisch veränderte Pflanzen immer mehr Spritzmittel im Essen.
Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen an Heike Moldenhauer, sie ist Gentechnik-Expertin beim BUND. Die EU-Kommission überlegt, die Null-Toleranz-Grenze bei der Kennzeichnung für Gentechnik in Lebensmitteln zu lockern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Heike Moldenhauer: Die Kennzeichnungsregeln für Lebensmittel gelten EU-weit und wir haben eine Kennzeichnungslücke bei tierischen Produkten. Das heißt, dass nur der Landwirt weiß, dass er gentechnisch veränderte Futtermittel an seine Tiere verfüttert. Aber wenn der Verbraucher Milch, Fleisch und Eier kauft, dann steht dort nicht mehr drauf, dass diese Tiere gentechnisch ernährt worden sind. Es gibt aber Gott sei Dank ...
Fecke: Das heißt – Entschuldigung, wenn ich unterbreche -, über die Hintertür, über den Futtertrog ist sozusagen eine Verunreinigung noch möglich bei tierischen Produkten?
Moldenhauer: Ganz genau. Das ist bei dem Futtertrog möglich. Aber wir haben in Deutschland eine sehr gute Regelung, nämlich die Möglichkeit, tierische Produkte ohne Gentechnik zu kennzeichnen, und das heißt, dass damit dann Hersteller klar machen können, dass keine Gentechnik im Futtertrog war, und die Milchwirtschaft greift immer mehr auf Ohne-Gentechnik-Produkte zurück.
Fecke: Nun will die EU-Kommission diese Null-Toleranz bei Lebensmitteln aufheben und eine gewisse Verunreinigung zulassen. Das heißt, dass nun Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzensorten in unserem Essen sein können, Spuren von Pflanzen, die in der EU noch nicht einmal auf ihre Unbedenklichkeit geprüft wurden. Stimmt das?
Moldenhauer: Ja, das stimmt. Das ist etwas, was der EU-Verbraucherschutzkommissar Dalli bestrebt. Er möchte gerne, dass ein Grenzwert von 0,1 Prozent für in der EU nicht zugelassene Genkonstrukte gilt und dass Verbraucher dann überhaupt nicht darüber informiert werden, dass diese Genkonstrukte sich bei ihm im Essen befinden, und wir sehen das mit großer Sorge, weil es bedeutet, dass überhaupt gar keine Sicherheitsbewertung gemacht worden ist in der EU, sondern nur in einem Drittstaat, wo die Regeln ganz und gar nicht zureichend sind, dann eine Zulassung vorliegt.
Fecke: Nun hat Frau Aigner ja als Bundesverbraucherschutzministerin von Deutschland ein gewisses Gewicht. Wie schätzen Sie das ein, wie wird sie sich in Brüssel verhalten können?
Moldenhauer: Natürlich kann Frau Aigner diesen Vorschlag der EU-Kommission zurückweisen und hat sich auch jetzt positioniert. Zu unserer großen Freude hat sie gesagt, sie will sich dafür einsetzen, dass die Null-Toleranz bei Lebensmitteln nicht gekippt wird, und ich hoffe sehr, dass sie ihre Kollegen aus den Mitgliedsstaaten dafür gewinnen kann, dass die Mitgliedsstaaten den Vorschlag der EU-Kommission zurückweisen.
Fecke: Diese Aufweichung der Null-Toleranz-Grenze, was heißt das genau für den Verbraucher in Deutschland, wenn es so weit käme?
Moldenhauer: Das hieße vor allen Dingen dann bei den Pflanzen, die gentechnisch verändert sind, bei Soja, bei Mais und bei Raps, dass in allen möglichen Lebensmitteln Spuren von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen drin sein können, und zwar ohne Kennzeichnung. Das heißt, dass der Verbraucher das überhaupt nicht erkennen kann, ob ihm dann Gentechnik ins Essen untergejubelt wird oder nicht. Und es wäre dann vorbei mit Transparenz, der Verbraucher wüsste es nicht ohne Kennzeichnung, und es wäre auch vorbei mit der Wahlfreiheit, weil Wahlfreiheit ja immer bedeutet, dass man sich ganz bewusst gegen Gentechnik im Essen entscheiden kann.
Fecke: Nun gab es ja eigentlich relativ klare Regelungen, wenn wir uns an das Honig- oder das Broccoli-Urteil erinnern. Wie kommt es jetzt zu dieser Aufweichung oder zu dem Versuch der Aufweichung?
Moldenhauer: Dieser Versuch der Aufweichung läuft schon seit Jahren. Es fing an mit Futtermitteln, da haben wir seit letztem Jahr eine Aufweichung, dass bei Futtermitteln eine Verunreinigung von 0,1 Prozent nicht zugelassener, gentechnisch veränderter Organismen geduldet wird. Jetzt soll es weitergehen mit Lebensmitteln und wie wir hören soll dann am Ende auch noch die Null-Toleranz bei Saatgut gekippt werden. Also es ist wirklich eine Salamitaktik seitens der EU-Kommission, die im Dienste der großen Gentechnik-Konzerne wie Monsanto und BASF, die nicht garantieren können, dass ihre Gentechnik-Konstrukte nicht im Essen sind, versucht, den Verbrauchern Gentechnik ins Essen zu mogeln.
Fecke: Dieser Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen, allen voran den Pflanzensorten, was bedeutet das eigentlich für die Umwelt?
Moldenhauer: Es bedeutet vor allen Dingen immer mehr Regenwälder, die für vor allen Dingen gentechnisch verändertes Soja gerodet werden, es verschwinden immer mehr Wälder für gentechnisch veränderte Pflanzen, und es bedeutet vor allen Dingen einen massiven Gifteinsatz, weil ja so gut wie alle gentechnisch veränderten Pflanzen so manipuliert sind, dass sie massiv Spritzmittel vertragen können und dann alle Pflanzen auf dem Acker sterben, nur die gentechnisch veränderte Pflanze nicht. Und diese Spritzmittel lagern sich natürlich als Pestizidrückstände dann auch in den Lebensmitteln an. Das heißt, es wird nicht nur die Umwelt dann massiv geschädigt, sondern auch der Verbraucher hat dann durch gentechnisch veränderte Pflanzen immer mehr Spritzmittel im Essen.
Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen an Heike Moldenhauer, sie ist Gentechnik-Expertin beim BUND. Die EU-Kommission überlegt, die Null-Toleranz-Grenze bei der Kennzeichnung für Gentechnik in Lebensmitteln zu lockern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.