Bislang hatte sie sich nicht eindeutig für Juncker ausgesprochen - und war dafür heftig kritisiert worden, auch aus der Großen Koalition. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ging die Kanzlerin direkt an: Merkel müsse endlich Position beziehen. Sie müsse "klar erklären, ob sie wirklich zu Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident steht - oder lieber das Geklüngel auf Spitzenebene fortsetzen möchte".
Die Grünen-Politikerin Rebecca Harms sagte im Deutschlandfunk, sie habe den Eindruck, dass sich die Staats- und Regierungschefs darüber im Klaren sein müssten, dass, sollte Juncker nicht Kommissionspräsident werden, zusätzlicher Schaden für den Ruf der europäischen Institutionen entstehe. Laut Harms haben die Vorsitzenden von fünf Europaparteien am Dienstagmorgen nach der Wahl verabredet, keinem anderen Kandidaten die Stimmen zu geben als dem, der im EU-Parlament eine Mehrheit erlangt. Gemeinsam habe man Juncker den Auftrag gegeben, um Mehrheiten zu verhandeln. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) brauche vielleicht noch Zeit, um sich durchzusetzen, so Harms.
Vorwurf der Wählertäuschung
Die Staats- und Regierungschefs hatten sich mit ihrem Nicht-Bekenntnis zum Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion, Juncker, Kritik von allen Seiten eingehandelt. Und diese reißt nicht ab: Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok warnte davor, den Wählerwillen zu missachten. "Es ist völlig klar, wer Kommissionspräsident wird: Jean-Claude Juncker", sagte Brok. Alle Fraktionen des Europaparlaments hatten sich bereits am Tag nach der Wahl klar hinter Juncker gestellt. Der neue Kommissionschef braucht die Stimmen von mindestens 376 Abgeordneten.
Merkel wirbt für Europa
Merkel warb auf dem Katholikentag auch für Europa im Allgemeinen. Die Bundeskanzlerin hält die Europäische Union für ein Modell, damit Menschen weltweit möglichst in Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde leben können. Die Beziehungen zu Lateinamerika, Asien und auch Afrika müssten intensiviert werden, andere Länder müssten aber auch bereit sein, von Europa zu lernen. "Wir stehen mit offenen Herzen und offenem Gesicht bereit", sagte Merkel
(tzi/ach)