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EU-Leitlinien
Ein Lebensmittelprodukt, eine Qualität und das europaweit

Weniger Fisch im Fischstäbchen oder weniger cremiger Nugataufstrich - Nahrungsmittelkonzerne bieten europaweit in gleichen Verpackungen unterschiedlichen Inhalt an. Nun versucht die EU-Kommission mit Leitlinien dagegen vorzugehen - zwei deutsche Konzerne haben schon reagiert.

Von Bettina Klein |
    Ein Mitarbeiter der Frosta AG in Bremerhaven (Bremen) überwacht am 26.03.2015 die Produktion von Fischstäbchen.
    Eine Verpackung, verschiedene EU-Länder, unterschiedliche Qualitätsstandards - das will die EU-Kommission beenden. (dpa / picture alliance/ Ingo Wagner)
    Weniger Fisch im Fischstäbchen, weniger cremiger Nugataufstrich - diese und ähnliche Probleme - vornehmlich in Staaten Ost- und Mitteleuropas - wurden andernorts in der EU gern belächelt. Bis vor zwei Wochen der Kommissionspräsident eine andere Parole ausgab. In seiner "State of the Union" streckte Jean Claude Juncker in mancher Hinsicht die Hand nach Osteuropa aus und versprach, auch dieses Problem ernst zu nehmen. In einer Union der Gleichen, so Juncker, kann es keine Verbraucher zweiter Klasse geben.
    "Ich kann nicht akzeptieren, dass den Menschen in manchen Teilen Europas, vornehmlich in Mittel- und Osteuropa, qualitativ schlechtere Lebensmittel verkauft werden als in anderen – obwohl Verpackung und Markenzeichen identisch sind." – Applaus – "Slowaken haben nicht weniger Fisch in Fischstäbchen verdient. Ungarn nicht weniger Fleisch in Fleischgerichten oder Tschechen nicht weniger Kakao in der Schokolade."
    "Die Richtlinien sollen als Karte durch das Labyrinth der Gesetzgebungen dienen"
    Das EU-Recht verbietet solche Praktiken schon jetzt, sagte der Kommissionspräsident. Brüssel verweist auf die Bestimmung zur Lebensmittelkennzeichnung und die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken. Während im Frühjahr nach Angaben der Kommission nur einzelne Fälle gemeldet wurden, gibt es inzwischen deutlich mehr Belege. Dutzende, wenn nicht Hunderte Produkte seien betroffen. Die EU will also Abhilfe schaffen und stellte Leitlinien vor, in denen sie zunächst den Mitgliedstaaten hilft, ihre eigenen Gesetze anzuwenden. Und die zuständige Kommissarin Vera Jourova gab sich entschlossen:
    "Die Richtlinien sollen als Karte durch das Labyrinth der Gesetzgebungen dienen. Ich hoffe, es hilft den nationalen Behörden, die das EU Verbraucherrecht durchsetzen, die geeigneten Instrumente zu finden, um das Problem zu lösen ."
    Dazu gehört unter anderem die Entwicklung gemeinsamer Standards für Testverfahren. Hersteller hatten sich beschwert, die EU würde in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Methoden anwenden. Daher seien die Ergebnisse nicht vergleichbar. Allein dafür stellt die Kommission eine Million Euro zur Verfügung. Die Botschaft:
    "Die Qualität anheben, wo ein niedrigerer Standard vorhanden ist."
    Appell auch an die Macht der Konsumenten
    Die Umbenennung des Produkts ist aus Sicht der Kommission nur die zweitbeste Möglichkeit. Das Argument, auf diese Weise würden die Hersteller günstigere Preise begründen, ließ die EU-Kommissarin nicht gelten. Dafür gebe es keine Belege. Der Punkt werde aber diskutiert, ebenso wie das Argument, andere Staaten würden nun mal andere Geschmacksvorlieben haben. In jedem Fall müsse der unterschiedliche Inhalt auf der Packung ersichtlich sein und dürfe nicht das scheinbar gleiche Produkt mit anderen Stoffen verkauft werden.
    Die Verbraucherkommissarin appellierte auch an die Macht der Konsumenten, die betreffende Produkte eben im Regal stehen zu lassen. Sie wollen niemanden an den Pranger stellen. Doch sobald sie entsprechende Belege habe, werde sie auch Empfehlungen aussprechen.
    Und Jourova konnte bereits erste Erfolge verkünden: Zwei deutsche Hersteller haben inzwischen Besserung gelobt. Der Bahlsen-Konzern versprach demnach, für seine Butter-Waffeln tatsächlich überall Butter statt das billigere Palmöl zu verwenden. Und der Babynahrungshersteller Hipp wolle künftig die gleiche Menge Gemüse für seine Produkte einsetzen.